Qualitätsoffensive in der Lehre - Ziele und Maßnahmen


Empfehlung des 105. HRK-Senats vom 16.10.2007



Qualifizierte Fachkräfte sind der wichtigste Standortfaktor Deutschlands im globalen Wettbewerb. Die Hochschulen wissen, wie wichtig die Qualität ihrer wissenschaftlichen Lehre ist. Daher verbessern sie diese laufend, im Rahmen der Bologna-Studienreform, durch interne und externe Evaluationsverfahren sowie den Aufbau von Qualitätsmanagementsystemen für die Lehre. Ziel ist es dabei, die Studienorientierung zu verbessern, um die Studienzeiten und Abbruchquoten zu reduzieren und die Studierenden auf der Grundlage wissenschaftlicher Bildung forschungs- oder anwendungsorientiert für ihre beruflichen Tätigkeiten zu qualifizieren.


Eine Qualitätsoffensive Lehre ist dringend erforderlich, sofern sie auch die grundlegenden Probleme in den Blick nimmt, nämlich die personellen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Sie muss im Wesentlichen die Grundfinanzierung stärken, um die Lehre in der Breite zu unterstützen. Innovative Akzente sollten in Wettbewerben gesetzt werden. Sie muss länderübergreifend und mit klarer Trägerschaft organisiert sein.


Die Hochschulen sind dabei die entscheidenden Akteure mit umfassendem Expertenwissen. Die HRK bietet der Politik in Ländern und Bund an, Partnerin einer gemeinsamen Initiative zu sein, die die Qualität der Lehre umfassend und dauerhaft verbessert.


1. Ohne zusätzliche Ressourcen für verbesserte Betreuungsrelationen ist eine "Qualitätsoffensive" in der Lehre nicht denkbar. Schon heute berücksichtigen die ausgewiesenen Betreuungsrelationen nicht die Überauslastung der Hochschulen. Zusätzlich erhöht die Studienreform im Rahmen des Bologna-Prozesses den Lehraufwand. Sie zielt bereits auf kompetenzorientierte und lernerzentrierte Studienprogramme, ist aber nicht oder nur völlig unzureichend ausfinanziert. Ziel muss eine deutliche Intensivierung der Betreuung sein. Um Deutschland zumindest in die Nähe internationaler Vergleichsmaßstäbe zu bringen und den tatsächlichen Studierendenzahlen gerecht zu werden, muss die Zahl der planmäßigen Dozenten/Dozentinnen pro Studierender/-m kapazitätsneutral in den nächsten fünf Jahren verdoppelt werden. Hierbei dürfen auch Fragen zum Deputatsumfang nicht ausgeklammert bleiben.


2. Verbesserte Betreuungsrelationen dürfen nicht am Kapazitätsrecht scheitern, das derzeit innovative und besser betreute Lehre verhindert. Es macht den Hochschulen fiskalisch begründete Vorgaben zum Zahlenverhältnis von Lehrenden und Studierenden. Das Plenum der HRK hat am 14. Juni 2005 deutlich gemacht, dass die Qualität der neuen Studiengänge nicht gewährleistet werden kann, weil innovative Lehrformen nicht abzubilden sind. Der Senat der HRK hat am 10. Oktober 2006 eine grundlegende Reform des Kapazitätsrechts auf der Basis von Vereinbarungen zwischen Hochschulen und Ländern vorgeschlagen, die den Hochschulen die Freiheit für innovative und besser betreute Lehre geben würde.


3. Auf diesen finanziellen und rechtlichen Grundlagen können qualitätsverbessernde und -sichernde Programme der Hochschulen volle Wirksamkeit entfalten sowie in einer neuerlichen Qualitätsoffensive fortentwickelt und weiter ausgebaut werden. Maßnahmen für eine nachhaltige Qualitätsentwicklung können u. a. auf folgenden Elementen aufsetzen:

  • Die Hochschulen und Fachbereiche bzw. Fakultäten bauen konsequent Qualitätsmanagementsysteme auf, die die Qualität der Studienprogramme und der Lehre insgesamt laufend verbessern. Dazu schaffen sie klare Verantwortlichkeiten in der Hochschulleitung, der Hochschulverwaltung und in den Fakultäten und Fachbereichen. Sie stärken und differenzieren insbesondere die Lehrkompetenz als Kriterium der Personalauswahl. Sie geben sich ein umfassendes Instrumentarium der Personalentwicklung. Interne und externe Evaluation sind zu stärken. Dieser Innovationsprozess ist extern zu begleiten und zu unterstützen.
  • Die Studienprogramme werden durch innovative Lehr- und Lernformen weiterentwickelt, die zum Ziel haben, die Studienkompetenz der Studierenden selbst zu stärken. Erforderlich sind etwa projektorientierte Lehr- und Lernformen, problemzentriertes Lernen, variablere Betreuungsformen und kompetenzorientierte Prüfungsformen, die zudem in die Fachkulturen eingepasst werden müssen. Insbesondere für den Bachelor müssen Konzepte der wissenschaftsbasierten Berufsbefähigung gefunden werden. Multikulturalität muss in einer globalen Gesellschaft Leitmotiv des Lehrens und Lernens sein. Studienberatung, Eignungstests und Zulassungsverfahren schließlich müssen verstärkt genutzt werden, um spezifisch begabte und motivierte Studierende zu gewinnen. Auch Unterstützung in der Studienorientierung dient der Lehrqualität.
  • Qualifizierung und Personalentwicklung schließlich müssen die Lehrkompetenz des Einzelnen weiterentwickeln. Lehrende müssen sich auf Theorie- und Methodenwissen stützen können, um Lehr /Lernprozesse zu gestalten, die den einzelnen Studierenden sowohl Wissen als auch den aktiven und problembezogenen Umgang damit vermitteln. Sie müssen die eigene Lehre im Kontext des gesamten Studiengangs abstimmen und an die Besonderheiten des Faches anpassen. Erfolgreiche Entwicklungskonzepte der Hochschulen verbinden Berufungsverfahren mit Weiterbildungsangeboten, die insbesondere auch an der persönlichen Lehrpraxis anknüpfen (z.B. Lehrcoaching). Sie müssen weiterentwickelt und möglicherweise mit neuen Personalstrukturkonzepten und Anreizstrukturen verbunden werden.

Der Senat der Hochschulrektorenkonferenz fordert die Länder und den Bund auf, länderübergreifend Mittel bereitzustellen und rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen für eine solche nachhaltige Qualitätsoffensive für die Lehre. Die HRK bietet an, als Partnerin die Expertise der Hochschulen in die Entwicklung geeigneter, innovativer Strategien und Maßnahmen einzubringen.