Urteil des BVG zur 6. HRG-Novelle (Studiengebühren)


Entschließung des Senats der HRK vom 15.2.2005


Mit seiner Entscheidung vom 26.01.2005 hat das Bundesverfassungsgericht den Weg für die Einführung von Studiengebühren freigemacht. Die Zuständigkeit für die Implementierung liegt bei den Ländern, die nun die notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen schaffen müssen. Da in einer Reihe von Ländern bereits konkrete Pläne für eine Neufassung der Gesetze existieren, ist es dringend notwendig, bei der Einführung auf die richtigen Weichenstellungen zu achten.


Aus Sicht der Hochschulrektorenkonferenz sind dabei insbesondere folgende Aspekte wichtig:


Die politische Verantwortung für die Einführung von Studienbeiträgen liegt bei den Ländern. Die Ausgestaltung der Beiträge sollte aber Angelegenheit der Hochschulen sein. Nur dann können Studienbeiträge ein sinnvolles Instrument in der Profilbildung und im Wettbewerb darstellen.


1. Gesetzgebungsprozess


Die Implementierung von Studienbeiträgen durch die Länder sollte allein dadurch geschehen, dass die Hochschulen zur Erhebung von Beiträgen bzw. zum Erlass einer entsprechenden Beitragsordnung ermächtigt werden. Außerdem sollten die Länder möglichst in bundeseinheitlicher Abstimmung Obergrenzen oder Korridore für die Studienbeitragshöhen definieren. Es muss aber den Hochschulen überlassen bleiben zu entscheiden, in welcher Höhe innerhalb des vorgegebenen Spielraums und für welche Studiengänge sie Beiträge einführen.


Die allseits bekräftigte Überzeugung, dass die Studienbeiträge allein der Verbesserung der Lehre an den Hochschulen zugute kommen sollten, muss in die Gesetzgebung eingehen. Daher sollte die Verpflichtung des Staates, Einnahmen aus Studienbeiträgen nicht auf das Hochschulbudget anzurechnen, im Gesetz verankert werden. Dazu wäre es hilfreich, den Anteil von Studienbeiträgen am Gesamtbudget auf maximal 10 Prozent festzuschreiben. Wird dies im Gesetz festgehalten, ist der Befürchtung der Hochschulen, Studienbeiträge könnten als Vorwand für weitere Kürzungen genutzt werden, der Boden entzogen. Im Gesetz zu verankern ist auch die zweckgebundene Verwendung der Mittel für die Verbesserung der Ausstattung für die Lehre. Sie müssen den Charakter von Drittmitteln für die Lehre haben. Aus ihnen finanzierte Stellen und Personen dürfen nicht auf die Kapazität der Hochschule angerechnet werden. Eine wirkliche Verbesserung der Lehrbedingungen wird aber ohne veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen, insbesondere die Abschaffung der Kapazitätsverordnung, nicht zu erreichen sein.


2. Sozialverträglichkeit


Die Einführung von Studienbeiträgen ist für den Staat mit dem Auftrag verbunden, die Sozialverträglichkeit sicherzustellen. Kein Land sollte Studienbeiträge einführen, bevor es nicht ein Konzept zur Sozialverträglichkeit entwickelt hat. Niemand darf aus finanziellen Gründen am Studium gehindert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verantwortung hierzu den Ländern zugewiesen. Ein Finanzierungsmodell sollte nach Auffassung der HRK vier Komponenten haben:

a. BAföG

b. ein Kreditsystem mit nachlaufender Tilgung, das nicht nur die Studienbeiträge, sondern die gesamte Studienfinanzierung umfasst. Essentielle Bestandteile sind günstige Zinsen und flexible Rückzahlungsbedingungen, die soziale Kriterien berücksichtigen.

c. Stipendienprogramme, insbesondere für besonders begabte Studierende, sollten nachdrücklich ausgebaut werden. Solche Angebote werden auch aus der Wirtschaft erwartet. Darüber hinaus werden die Hochschulen selbst Beitragserlasse und Stipendienangebote für besonders begabte Studierende oder bestimmte Zielgruppen entwickeln.

d. Die Finanzierung der Darlehen und eine kapitalmarktunabhängige niedrige Verzinsung lassen sich am besten gewährleisten, wenn das Kreditsystem mit einem attraktiven Bildungssparen kombiniert wird. Bildungsdarlehen und Bildungssparen müssen wie Investitionen behandelt und darum in Höhe des Mindeststeuersatzes öffentlich gefördert werden.

3. Landesübergreifende Regelungen


Durch die Einführung von Studienbeiträgen in den Ländern darf es nicht zu einer Mobilitätsbehinderung für die Studierenden kommen. Die freie Wahl der Hochschule und die Mobilität während des Studiums sind wesentliche Qualitätsaspekte. Für die Hochschulen ist es wichtig, die für sie am besten geeigneten Studierenden zu gewinnen, ganz gleich, woher sie kommen. Für die Studierenden muss die Wahl des Studienorts allein an der Qualität der Ausbildung und der Forschungsmöglichkeiten zu orientieren sein. Aus diesem Grund spricht sich die HRK nachdrücklich gegen mobilitätsbehindernde Maßnahmen, z.B. höhere Beiträge für Nicht-Landeskinder, aus. Auch das Kreditsystem muss so aufgebaut werden, dass Darlehen bundeseinheitlich bzw. bundesweit transferierbar sind. Bei Stipendienprogrammen ist sorgfältig darauf zu achten, ob ein regionaler Zuschnitt sinnvoll ist oder eine Personenbindung eher als eine Standortbindung den Zielen besser entspricht. Auch auf eine Kompatibilität innerhalb der Europäischen Union muss geachtet werden, damit die Mobilität über die Grenzen hinaus gesichert bleibt.


Aus dem Gesagten ergibt sich, dass drei Leitgedanken bei der Implementierung von Studienbeiträgen den Entscheidungsprozess bestimmen müssen:

  1. Beiträge müssen in einer besonderen, für die Studierenden erkennbaren Weise zur Verbesserung der Lehrqualität beitragen.
  2. Die Hochschulen müssen in ihrer eigenverantwortlichen Ausgestaltung des Instruments der Studienbeiträge gestärkt werden, indem die dafür notwendigen gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden.
  3. Die getroffenen Regelungen sollten zwischen den Ländern in möglichst hohem Maße bundesweit abgestimmt und kompatibel sein, um einen Wettbewerb der Hochschulen, nicht aber eine Behinderung ihrer Entwicklung durch Landesgrenzen zu ermöglichen.