Zur weiteren Entwicklung des Bologna-Prozesses


Entschließung des 103. HRK-Senats vom 13. Februar 2007


I. Die Studienreform muss die Mobilität im Europäischen Hochschulraum ebenso wie innerhalb Deutschlands fördern, nicht behindern. Dies gilt bei der hochschul- und länderspezifischen Ausgestaltung von Studienangeboten, insbesondere bei der Studiengangsplanung und bei der Anerkennung von Studienleistungen. Auch die Studienfinanzierung muss die Mobilität unterstützen.

1. Die Mobilität innerhalb der Bundesrepublik darf durch den Bologna-Prozess nicht behindert werden. Daher sollte die Anerkennung von Studienleistungen in erster Linie auf der Gleichwertigkeit der Kompetenzen basieren. Die länderübergreifende Anerkennung von Abschlüssen wie Staatsexamina sowie in reglementierten Berufen (z.B. Architektur) muss auch nach der Föderalismusreform problemlos möglich sein.

2. Die Erhöhung der Auslandsmobilität der Studierenden bleibt ein wichtiger Erfolgsindikator für den Bologna-Prozess. Wichtig dafür sind angemessene Anerkennungsverfahren im Sinne der Lissabon-Konvention, die flächendeckende und korrekte Verwendung von ECTS und "learning agreements", die Berücksichtigung möglicher Auslandszeiten in der Studiengangsplanung (z.B. "Mobilitätsfenster"), die koordinierte Studiengangs­entwicklung mit ausländischen Partnern bis hin zu Joint Degrees und die Möglichkeit zur Mitnahme der Studienfinanzierung, wie z.B. BAföG, über die EU hinaus in den gesamten Bologna-Raum.

3. Die externe Dimension des Bologna-Prozesses muss bei der Entwicklung von Internationalisierungsstrategien der Hochschulen eine verstärkte Rolle spielen. Dazu gehört insbesondere der Aufbau von engen Beziehungen und strategischen Partnerschaften über den Bologna-Raum hinaus.

II. Die verbesserte Beschäftigungsfähigkeit der Absolventen muss das Ergebnis eines Aushandlungsprozesses zwischen Hochschulen, Arbeitgebern und Studierenden sein. Die Kompetenz- und Lernprozessorientierung der Studiengänge muss verstärkt werden. Die Modernisierung der Lehr-/Lernformen bedarf größerer Aufmerksamkeit. Transparente Studienstrukturen und definierte Schnittstellen zu anderen Bildungs- und Berufsphasen müssen zügige Studienverläufe ermöglichen.

1. Der Erfolg des Bachelor-Abschlusses am Arbeitsmarkt muss gerade angesichts aktuell positiver Entwicklungen weiter befördert werden. Dazu müssen die Kompetenzprofile der Studiengänge mit jeweils sinnvollem Arbeitsmarktbezug und einschließlich der Schlüsselkompetenzen im Dialog mit Arbeitgebern und Absolventen ausgestaltet werden.

2. Die Hochschulen müssen sich den Paradigmenwechsel vom Lehren zum Lernen zu Eigen machen. Ihre Studiengänge sollten sie konsequent von den zu erreichenden Kompetenzen aus entwickeln, sich am studentischen Arbeitsaufwand orientieren und kompetenzorientierte Prüfungsformen einführen. Als Orientierung für die Studiengangs­entwicklung, zur Erleichterung der hochschulübergreifenden Abstimmung und zur verbesserten Orientierung für Studieninteressierte sollten die Fachkulturen fachbezogene Qualifikationsrahmen entwickeln. Die Studienreform muss einhergehen mit einer Erneuerung der Lehr- und Lernformen in der fachwissenschaftlichen Lehre und in der Vermittlung von Schlüsselkompetenzen.

3. Für möglichst reibungslose Bildungsverläufe im Sinne der Studierenden müssen an den Übergängen Schule zu Hochschule, Bachelor zu Master und beim nationalen oder internationalen Hochschulwechsel Informationsdefizite behoben, Zugangskriterien geklärt und Anerkennungs- sowie Anrechnungsverfahren systematisiert und verbessert werden.

4. Master-Angebote müssen deutlich differenziert werden. Kriterien dafür sind die Nachfrage nach Qualifikationsprofilen und die Bedürfnisse einzelner Zielgruppen (z. B. fachnahe oder fachfremde Vorbildung, Berufserfahrung, Teilzeitstudium).

5. Der wissenschaftlichen, auch der forschungsorientierten, Weiterbildung kommt wachsende Bedeutung zu. Flexible Studienangebote müssen das Alternieren zwischen berufspraktischen und qualifizierenden Phasen für die individuelle Berufswegsplanung ermöglichen.

III. Um die durch den Reformprozess gesteigerten Qualitätsansprüche zu sichern, benötigen die Hochschulen von der Politik eine ausreichende Finanzierung und eindeutige rechtliche Rahmenbedingungen. Wo Defizite bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses sichtbar werden, sind Anpassungen in den Hochschulen hin zu klareren Verantwortungs- und Organisationsstrukturen notwendig.

1. Durch die Umsetzung der Bologna-Reform entsteht erheblicher finanzieller Mehrbedarf in den Hochschulen. Eine sinnvolle Umsetzung der Bologna-Reform verursacht in den Hochschulen Mehrkosten von mindestens 15 Prozent gegenüber dem jetzigen Ansatz. Hierfür müssen die Länder aufkommen. Überzeugende Konzepte hierfür stehen bisher aus.

2. Im Kontext der Finanzierung müssen auch hinreichende finanzielle Rahmenbedingungen für die einzelnen Studierenden geschaffen werden.

3. Die staatlichen Vorgaben für die Umsetzung des Bologna-Prozesses sind widersprüchlich, namentlich im Laufbahnrecht, im Sozialrecht, in reglementierten Berufen und beim Übergang von Studierenden aus den "alten" in die "neuen" gestuften Studiengänge bei fehlendem ersten Abschluss. Hier muss die Gesetzgebung in Bund und Ländern angepasst werden.

4. In fast allen Hochschulen sind Anpassungen im Hochschulmanagement erforderlich. Der Aufbau effektiver Leitungs- und Koordinationsstrukturen ist unumgänglich, um die internen Verwaltungsabläufe wie auch die Zusammenarbeit von Lehre und Verwaltung (Studierenden- und Prüfungsverwaltung, Ausstellen der Diploma Supplements, Raumplanung, Kapazitätsplanung und berechnung) zu optimieren.