Anforderungen an eine Weiterentwicklung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG)


Entschließung der 30. HRK-Mitgliederversammlung vom 27.4.2021

Die 30. Mitgliederversammlung der Hochschulrektorenkonferenz fordert die für die Wahlen zum 20. Bundestag antretenden Parteien auf, in der kommenden Legislaturperiode eine grundlegende Reform des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz - BAföG) in Angriff zu nehmen. Die BAföG-Änderungen des Jahres 2019 waren ein Schritt in die richtige Richtung, haben aber nicht ausgereicht.

Noch immer ist nur eine kleine Minderheit der Studierenden anspruchsberechtigt; die große Mehrheit ist hingegen von der Unterstützung durch die Eltern abhängig oder muss den Lebensunterhalt selbst finanzieren. Die umstrittene und vielfach als unzureichend eingeschätzte Nothilfe-Förderung des Bundes in der Corona-Pandemie rückt die Studienfinanzierung und damit das Thema einer fairen Zugangschance zum Hochschulstudium erneut in den Blick. Rasante Preisentwicklungen in den Bereichen Miete und Lebenshaltung in vielen großen Hochschulstädten sowie wachsende Notwendigkeiten bei Mobilität und technischer Ausstattung haben den Finanzbedarf für ein Studium über die Jahre steigen lassen. Insgesamt zeigt sich, dass Systematik und Inhalte des BAföG der Lebensrealität der Studierenden nicht mehr in ausreichender Weise entsprechen. Daher sind künftig etwa mit Blick auf die Diversität der Studierenden Optionen für ein Teilzeitstudium zu integrieren und die Altersgrenzen so zu flexibilisieren, dass auch weiterbildende Studiengänge umfänglich genutzt werden können. Daneben ist die Zugänglichkeit der Förderung vor allem über eine Neu-Justierung der Freibeträge zu verbessern. Schließlich sollte eine Notfallkomponente einschneidende individuelle oder gesellschaftliche Situationen abfedern; dies auch und gerade für internationale Studierende.

Die Mitgliederversammlung der HRK hebt die folgenden Eckpunkte besonders hervor:

1.    Bemessung des Anspruchs auf Förderung

Die Grundlage der geltenden BAföG-Regelungen feiert im Jahr 2021 ihren 50. Geburtstag. 1972 wurden 44,6% der Studierenden durch BAföG gefördert (270.000 BAföG-EmpfängerInnen bei 606.000 eingeschriebenen Studierenden). Eine massive Einschränkung erfolgte 1982, das ursprünglich als vollständiger Zuschuss ausgestaltete BAföG wurde nur noch als Volldarlehen gewährt[1] .
Im Jahr 2019 lag die BAföG-Förderquote nur noch bei ca. 12 % bezogen auf alle Studierenden. Trotz des starken Anstiegs der Studierendenzahlen blieb die Zahl der Geförderten konstant. Ziel des BAföG sollte sein, mindestens die ursprüngliche Förderquote wieder zu erreichen, um sicherzustellen, dass die Entscheidung über die Aufnahme eines Studiums nicht vom Einkommen der Eltern abhängt. Dies erfordert eine Neu-Konzeption der Einkommens- und Vermögensfreibeträge der Eltern und nicht nur regelmäßige Anpassungsnovellen.

2.    Regelstudienzeit

Insbesondere das Förderkriterium der Regelstudienzeit entspricht nicht mehr uneingeschränkt der komplexen Lebensrealität einer großen und diversen Studierendenschaft. Nur 33,6 % der Studierenden können ihren Abschluss in der Regelstudienzeit erreichen (2019); 77 % gelingt dies aber in der Regelstudienzeit plus 2 Semestern –  dies sollte im BAföG abgebildet werden.

3.    Altersgrenze
Im Sinne des Lebenslangen Lernens und vor dem Hintergrund veränderter Erwerbsbiografien und des absehbar großen Fachkräftebedarfs ist die Altersgrenze[2] aufzuheben. Die Bildungsbiografien differenzieren sich zunehmend aus (z. B. Studium nach Ausbildung; nach BA-Abschluss erst einige Jahre Berufserfahrung, dann MBA-Abschluss …) – diesen Weg muss das BAföG zukünftig mit gehen. Im Übrigen sollten auch Orientierungsangebote/-semester und Weiterbildungs-/Zertifikatsstudiengänge zukünftig zu einem Förderanspruch führen.

4.    Teilzeitstudium
Im BAföG nach wie vor unberücksichtigt sind Studierende, die in einem Teilzeitstudium eingeschrieben sind; diese sind derzeit nicht anspruchsberechtigt. Die HRK spricht sich für eine Öffnung des BAföG dahingehend aus, für Teilzeitstudierende einen entsprechenden flexiblen Teilanspruch einzuführen. Dies entspräche auch der Lebenswirklichkeit, wonach Teilzeitstudierende oftmals einer Beschäftigung nachgehen oder andere Gründe für die Einschreibung in einen Teilzeitstudiengang vorliegen – z. B. chronische Erkrankung oder eine Mehrbelastung durch Sorgearbeit (Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen), die vorwiegend bei Frauen zum Tragen kommt, aber auch hochschulpolitisches oder gesellschaftliches Engagement.

5.    Nothilfe

Zum Krisenmanagement in bundesweiten Notsituationen gehört auch ein Nothilfeprogramm für Studierende, deren Finanzierungsgrundlagen durch die Notsituation wegbrechen. Geboten ist eine Nothilfe-Komponente im BAföG, die es erlaubt, Studierenden pragmatisch und schnell in Einzelfällen zu helfen, auch wenn sie im normalen Studienalltag keine Förderung erhalten.

-------------------------------------------------------------------------------
[1] Nach der Wiedervereinigung wurde auf das bis heute geltende Halbzuschussmodell umgestellt.
[2] Die Altersgrenze für eine Förderung liegt derzeit gem. § 10 Abs. 3 BAföG bei 30 Jahren, für ein Masterstudium bei 35 Jahren.