Inhalt
Kernaussagen in Kurzform
Präambel
1. Forschung für die Wissensgrundlage
1.1. Forderungen an die Politik
1.2. Beiträge der Hochschulen
2. Forschung und Innovation für die Wettbewerbsfähigkeit
2.1. Forderungen an die Politik
2.2. Beiträge der Hochschulen
3. Komplexe Forschungs- und Innovationsvorhaben in europäischer Koordination
3.1. Forderungen an die Politik
3.2. Beiträge der Hochschulen
Die deutschen Hochschulen in Zahlen
Kernaussagen in Kurzform
Empfehlungen an die Politik
1. Die Stärkung der innovationsorientierten europäischen Wirtschaft verlangt eine umfassende und themenoffene Förderung von Pionier- und Grundlagenforschung, von der eine ständige Erweiterung ihrer Wissensgrundlage ausgeht.
2. Eine an den großen gesellschaftlichen Herausforderungen ausgerichtete Forschungs- und Innovationspolitik darf nicht nur auf die Natur- und Technikwissenschaften beschränkt bleiben, sondern muss den Beiträgen von Geistes- und Gesellschaftswissenschaften angemessen Rechnung tragen. Sie sollten in Form eines eigenständigen Unterprogramms im Rahmenprogramm verankert werden.
3. Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat sich als Erfolgsmodell erwiesen und bedarf eines signifikanten Mittelzuwachses sowie einer effizienten Governance-Struktur, um sich weiter profilieren zu können.
4. Das in der EU-Leitinitiative der Innovationsunion formulierte Ziel, eine Million neuer Arbeitsplätze in der Forschung zu schaffen, erfordert eine ehrgeizige finanzielle Aufstockung der europäischen Doktorandenförderprogramme. Die weitere Ausgestaltung der Programme muss wechselseitige Überlappungen beseitigen und sich inhaltlich strikt an den "Salzburg II-Empfehlungen" der Europäischen Universitätsvereinigung (EUA) orientieren.
5. Die deutschen Hochschulen wie auch die anderen Anspruchsgruppen aus der europäischen Wissenschaft und der Wirtschaft sprechen sich klar für den Fortbestand der Verbundforschung oder die Einrichtung eines ähnlich gestalteten Förderinstruments als Kernelement des künftigen Rahmenprogramms aus. Die Möglichkeit, kleine und mittelgroße Projekte und Partnerkonsortien zu bilden, die effizient zu koordinieren sind, sowie die Stärkung der wissenschaftlichen Exzellenz als Vergabekriterium stellen weitere anerkannte Erfolgsfaktoren dar. Dabei muss die Verbundforschung ein breites Spektrum von Themenbereichen abdecken können. Dies betrifft auch jene Themenfelder, die bereits durch Öffentlich-Private Partnerschaften (PPPs), wie z.B. die Gemeinsamen Technologieinitiativen (JTI), oder in der Gemeinsamen Programmplanung bearbeitet werden.
6. Die Beteiligungsregeln aller Gemeinsamen Technologieinitiativen und weiterer PPPs müssen den Hochschulen eine kostendeckende Teilnahme ermöglichen und faire Regeln zum Umgang mit geistigem Eigentum aufstellen.
7. Mindestens 30% der Mittel der Strukturfonds und 10% des Budgets der Gemeinsamen Agrarpolitik sollten in F&E-Projekte investiert werden. Die Entwicklung regionaler "Smart Specialisation"-Strategien sollte gefördert werden, um regionale Innovationsprofile mit dem Leitbild eines kohärenten Europäischen Forschungsraums in Einklang zu bringen.
Beiträge der deutschen Hochschulen
8. Die deutschen Hochschulen werden ihr Leistungspotential noch transparenter machen, um ihre Partnerschaften mit der innovationsorientierten Wirtschaft und die Sichtbarkeit für die Gesellschaft voranzubringen. Konkrete Initiativen sind z.B. die Mitwirkung an der "European Platform of Universities engaged in Energy Research (EUA-EPUE)", die derzeit laufende Erfassung der Forschungsschwerpunkte der deutschen Hochschulen durch die HRK sowie eine Bestandaufnahme und Kartierung so genannter "kleiner Fächer" in Deutschland durch die HRK.
9. Die deutschen Hochschulen entwickeln eigene Strategien, um ihre Wettbewerbsfähigkeit in Zeiten der fortschreitenden Globalisierung zu sichern und den Europäischen Hochschulraum insgesamt voranzubringen. Das HRK-Audit "Internationalisierung der Hochschulen" wie auch die Förderung der Mobilität von Wissenschaftlern durch die Einrichtung von "Welcome Centres" an den Hochschulen oder durch das HRK-Projekt "Mobilität von Wissenschaftlern" zu Fragen des Aufenthalts- und Sozialversicherungsrechts, sind Beispiele dieser strategischen Ausrichtung.
10. Die deutschen Hochschulen werden die Weiterentwicklung ihrer Kostenrechnungssysteme engagiert vorantreiben, um das Kostenmanagement noch effizienter zu gestalten.
Präambel
Die EU ist durch die Europäischen Verträge verpflichtet, ihre Aktionen im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Raumfahrt in einem mehrjährigen Rahmenprogramm zu bündeln. Das aktuelle 7. Forschungsrahmenprogramm (2007-2013) ist im November 2010 nach der ersten Hälfte in einem "Midterm Review" evaluiert worden. Auf dieser Grundlage wird jetzt über die zweite Hälfte der Programmlaufzeit diskutiert. Gleichzeitig wird das kommende 8. Rahmenprogramm mit der voraussichtlichen Laufzeit 2014 bis 2020 geplant. Die EU-Kommission wird hierzu im Februar 2011 eine öffentliche Konsultation beginnen. Den strategischen Überbau bildet die am 17.06.2010 beschlossene "Strategie Europa 2020", welche der Politik der Europäischen Union ehrgeizige Ziele setzt. Von politischen Initiativen im Bereich der Forschung und insbesondere der Innovation, die sich am Leitbild einer "Innovationsunion" orientieren, erwartet die EU entscheidende Beiträge.
Das Präsidium der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) legt in diesem Zusammenhang seine Überlegungen zum kommenden Forschungsrahmenprogramm vor. Es richtet sich an die europäische (Rat, Kommission und Parlament) und an die deutsche Politik in Bund und Ländern, sowie an die Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen selbst. Es beinhaltet sowohl Forderungen an die Politik als auch Aussagen über die Beiträge der Hochschulen, die sie zur künftigen europäischen Forschungspolitik leisten wollen. Die deutschen Hochschulen haben eine zentrale Stellung im Wissensdreieck Forschung, Bildung und Innovation. Ihre Funktion als Innovationsmotor verdeutlicht sich nicht zuletzt an den Kennziffern, die im Anhang aufgeführt werden.
Die HRK als politische Stimme von 264 deutschen Hochschulen orientiert sich formal an einer Dreigliederung des künftigen Rahmenprogramms, die von hochrangigen Vertretern der EU-Kommission und nun auch von den Gutachtern des "Midterm Review" in die Diskussion gebracht worden ist. Sie stellt die "Treiber" der Forschungs- und Innovationsagenda, d.h. die Wissenschaft selbst ("Science for Science"), die Wirtschaft ("Science for Competitiveness") und die Politik und Zivilgesellschaft ("Science for Society") in den Mittelpunkt.
Diesen Treibern werden jeweils bestimmte Aktionslinien in Federführung zugeordnet. Die HRK sieht in diesem Modell eine Diskussionsbasis, hält jedoch Veränderungen an den vorgeschlagenen Aktionstiteln für erforderlich. Dies gilt insbesondere für den Programmbereich "Science for Science", in dem die Anspruchsgruppen der öffentlich geförderten Forschung durch Grundlagen- und Pionierforschung führen sollen. Der Titel suggeriert ein "Kunst für die Kunst"-Handeln, das, wie noch aufgeführt wird, der wissenschaftlergetriebenen Forschung nicht gerecht wird. Die HRK schlägt stattdessen "Forschung für die Wissensgrundlagen" ("Science for the Knowledge Base") vor.
Auf einer Reihe von Gebieten lässt sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt ein faktischer Konsens zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft über grundsätzliche Erfolgsbedingungen der europäischen Forschungs- und Innovationsförderung ausmachen. So sollte allein die wissenschaftliche und technische Exzellenz der Projekte (durch unabhängige Gutachter geprüfte Qualität in der Grundlagenforschung und ggfs. ergänzt um Aspekte der Wettbewerbsrelevanz bei anwendungsnahen Vorhaben) für eine Förderentscheidung maßgeblich sein. Unter keinen Umständen darf die Förderung von Exzellenz mit Kohäsionsmaßnahmen vermischt oder zugunsten von Kohäsionszielen aufgeweicht werden.
Außerdem ist ein zentrales gemeinsames Ziel die Vereinfachung administrativer Verfahren, die deutlich stärker dem Vertrauens- als dem Kontrollprinzip verhaftet sein müssen, um erfolgreiche Forschung möglich zu machen. Dabei wird unter Vereinfachung ein Bündel von Maßnahmen verstanden, das von technisch-administrativen Verbesserungen, wie einer einheitlichen IT-Dienstleistungsplattform (Participant Portal) für die Konsortien bis zur Anerkennung nationaler Buchhaltungs- und Managementprinzipien reicht. Der Wettbewerbsrat der Europäischen Union hat die erforderlichen Maßnahmen auf der Grundlage von Vorarbeiten der EU-Kommission in seinen "Conclusions on raising the attractiveness of EU-Research and Innovation Programmes: the challenge of simplification" (12.10.2010) zusammengefasst. Von der Lösung dieser komplexen Fragen hängt in der Tat der zukünftige Erfolg der europäischen Forschungs- und Innovationspolitik nicht nur aus Sicht der Hochschulen, sondern gerade auch der innovativen KMU und der Wirtschaft insgesamt ab. Außerdem müssen die Regularien, Verfahren und Prozesse des künftigen Rahmenprogramms nicht nur eindeutig und rechtzeitig vor Programmstart definiert und formuliert, sondern auch einheitlich angewandt werden.
1. Forschung für die Wissensgrundlage
Europa bedarf einer stabilen Wissensgrundlage, die an die junge Generation weitergegeben und durch Forschung weiterentwickelt werden muss. Über die Bildung des akademischen Nachwuchses wird der Wissenstransfer gewährleistet, der die Grundlage der innovationsorientierten Wirtschaft und der Kultur Europas darstellt.
Insbesondere durch öffentliche Investitionen in die Grundlagenforschung wird der Boden für künftige Innovationen bereitet, konstatiert die OECD-Innovationsstrategie "Getting a Head Start on Tomorrow" von Mai 2010. Sie betont die Bedeutung des Humankapitals als Quelle der Innovation und Schlüssel zu ökonomischem Wachstum und sozialem Fortschritt.
Die Ergebnisse, die in der Grundlagen- und angewandten Forschung der Hochschulen generiert werden, nützen auch den Forschungsinstituten der öffentlich geförderten Programmforschung und den Forschungsabteilungen innovativer Unternehmen. Die Hochschulen arbeiten mit beiden als Forschungspartner auf den verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette zusammen und bilden den Nachwuchs aus.
Eine von politischen Vorgaben weitgehend freie Grundlagenforschung der Hochschulen stellt außerdem eine wichtige Reserve an alternativen Forschungs- und Innovationsansätzen bereit, falls sich die in der Programm- und Industrieforschung eingeschlagen Wege als falsch, gesellschaftlich nicht durchsetzungs- oder international nicht wettbewerbsfähig erweisen.
Eine europäische Forschungs- und Innovationspolitik, welche sich der Lösung großer gesellschaftlicher Herausforderungen verpflichtet sieht, muss der zentralen Bedeutung der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften Rechnung tragen. Ein einseitig technologiezentrierter Ansatz zur Lösung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen, der die Rolle geistes- und gesellschaftswissenschaftlicher Forschung auf Zuarbeiten im Bereich von Technikfolgenabschätzung oder Akzeptanzstudien verkürzt, führt in die falsche Richtung.
1.1 Forderungen an die Politik
Förderung des Europäischen Forschungsrates (ERC)
Der Europäische Forschungsrat (ERC) hat sich durch seine transparenten und strikt exzellenzorientierten Verfahren bereits in kurzer Zeit eine hohe europäische und wachsende globale Reputation als Förderorganisation erarbeitet. Das Budget des ERC muss deshalb kontinuierlich gesteigert werden, damit er mit den globalen Wettbewerbern noch besser konkurrieren kann.
Die Sicherung seiner organisatorischen Stabilität und seiner politischen wie administrativen Unabhängigkeit ist von großer Bedeutung, um ihn langfristig als Leuchtturm der europäischen Wissenschaft überlebensfähig zu machen. Die deutschen Hochschulen fordern hier eine offene Diskussion über die künftige Gestalt des ERC im Rahmen der durch die Europäischen Verträge eröffneten Möglichkeiten. Sie sollte auf einer von politischer Beeinflussung unabhängigen Struktur der Verwaltung basieren.
Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler
Die Leitinitiative Innovationsunion geht von einem weiter stark wachsenden Bedarf an Nachwuchswissenschaftlern aus. Die EU fördert durch ihre Programme direkt und indirekt die Heranbildung von Wissenschaftlern in der Promotionsphase. Die direkte Förderung strukturierter Promotionsphasen, wie sie heute in den Initial Training Networks (ITN) des Marie-Curie-Programms und in den "Joint Doctorates" des Erasmus-Mundus-Programms stattfindet, muss im kommenden Rahmenprogramm weiter ausgebaut werden. Das gilt auch für die durch die GD Forschung geplante Förderung von europäischen Doktorandenschulen. Nur so können der zunehmende Bedarf gedeckt und die inakzeptabel niedrigen Erfolgsquoten der ITN verbessert werden. Die Europäischen Programme zur Doktorandenförderung sollten in ihrer Zielsetzung besser aufeinander abgestimmt werden, um wechselseitige Überlappungen in den Förderprofilen zu vermeiden. Neben der geographischen sollte auch die intersektorielle Mobilität ein Kernelement der Doktorandenförderung bleiben. Diese schließt allerdings nicht nur die Wirtschaft, sondern auch den öffentlichen Sektor und die Zivilgesellschaft mit ein.
Die Mehrzahl der europäisch geförderten Doktoranden wird in der Verbundforschung von Industrie und Wissenschaft in konkreten Projektteams und praktizierter europäischer Zusammenarbeit sowie - zunehmend - in den Forschungsteams der durch den ERC geförderten Wissenschaftler ausgebildet. Der Vielzahl der europäischen Promotionswege entspricht dabei die Vielzahl der künftigen Arbeitsfelder von Promovierten in der Wissenschaft, Wirtschaft oder Gesellschaft. Alle Promotionswege müssen deshalb in ihrer Vielfalt berücksichtigt und weiterentwickelt werden. Die gerade verabschiedeten "Salzburg II-Empfehlungen" der Europäischen Universitätsvereinigung (EUA) sind im Konsens des europäischen Hochschulsektors und der europäischen Doktorandenschulen erarbeitet und abgestimmt worden. Sie müssen das Vorbild für die durch die EU-Kommission geplanten gemeinsamen europäischen Standards der Promotionsphase sein.
Geistes- und Gesellschaftswissenschaften
Die Förderung der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften sollte im kommenden Rahmenprogramm als Querschnittsaufgabe in Form eines eigenständigen Unterprogramms verankert und mit einem angemessenen Budget ausgestattet werden.
Forschungsinfrastrukturen
Der Aufbau und Betrieb von Forschungsinfrastrukturen, die für Nutzer weltweit offen sind, hat eine Struktur bildende Bedeutung für den Europäischen Forschungsraum. Die EU sollte ihre Öffnung und stärkere Zusammenarbeit untereinander und mit den anderen Wissenschaftseinrichtungen nicht nur durch ihren ESFRI-Road-Map-Prozess unterstützen, sondern auch ihre europäische und internationale Öffnung finanziell fördern. Open Access muss als Grundprinzip der Veröffentlichungspraxis von Forschungsinfrastrukturen gelten. Bei der Entscheidung über die Standorte sollten kohäsionspolitische Erwägungen keine Rolle spielen und stattdessen Qualitätskriterien sowie die Schwerpunktsetzung den Ausschlag geben.
1.2 Beiträge der Hochschulen
Die Hochschulen werden offen auf die Ansprüche von Gesellschaft und Wirtschaft reagieren, ohne dabei die durch ihren öffentlichen Auftrag und ihre akademischen Werte gesetzten Grenzen aufzugeben. Sie werden ihre Partnerschaften auf den einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette mit der innovationsorientierten Wirtschaft ausbauen und erweitern.
Transparenz des Leistungspotentials
Die Hochschulen werden dazu ihr Potential, ihre Schwerpunkte und Leistungen transparenter machen, um als Kooperationspartner für die Wirtschaft noch besser erkenn- und findbar zu sein. Erste Initiativen haben deutsche Hochschulen auf europäischer Ebene (Mitwirkung an der "European Platform of Universities engaged in Energy Research (EUA-EPUE)") wie auf nationaler Ebene (zurzeit laufende HRK-Umfrage zu den Forschungsschwerpunkten der Mitgliedsuniversitäten) ergriffen. Außerdem wurde von der HRK für die so genannten "kleinen Fächer", meist der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, eine Bestandsaufnahme und Kartierung durchgeführt, die auch zur Transparenz des Leistungsangebots der Hochschulen beiträgt.
Die Hochschulen werden auch weiter positiv auf die wachsenden Ansprüche auf interdisziplinäre Zusammenarbeit durch Kooperation untereinander (national und international) und mit außeruniversitären Einrichtungen reagieren. Diese Entwicklung ist bereits im vollen Gange und hat durch die Exzellenzinitiative in Deutschland einen weiteren Schub erhalten.
Umsetzung der Internationalisierungs- und Mobilitätsstrategien
Die deutschen Hochschulen nehmen die Herausforderung der Globalisierung aktiv an, um ihre Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Sie entwickeln eigene Internationalisierungsstrategien und setzen sie um. Das HRK-Audit "Internationalisierung der Hochschulen" unterstützt die deutschen Hochschulen gezielt dabei, ihr spezifisches internationales Profil herauszuarbeiten und weiterzuentwickeln. Dieses Audit bietet den Hochschulen eine unabhängige, systematische Internationalisierungsberatung durch international erfahrene Experten und ist europaweit beispielhaft.
Die Ergänzung der vielen existierenden personenbezogenen um stärker institutionalisierte Partnerschaften mit anderen europäischen Hochschulen wird die Internationalisierung voranbringen. Sie wird auch zu einer Steigerung der Mobilitätsperioden in der Promotionsphase und in späteren wissenschaftlichen Karrierestufen führen. Die deutschen Hochschulen erleichtern die Mobilität von Wissenschaftlern aktiv unter anderem durch die Einrichtung von "Welcome-Centres" und arbeiten an einer transparenteren Gestaltung ihrer Karrierewege. Die HRK unterstützt mit ihrem Projekt "Mobilität von Wissenschaftlern" Initiativen zur Überwindung von Mobilitätshindernissen von Wissenschaftlern im Aufenthalts- und Sozialversicherungsrecht.
2. Forschung und Innovation für die Wettbewerbsfähigkeit
Die Europäische Union hat der Wirtschaft mit den Europäischen Technologieplattformen (ETPs) und verschiedenen Formen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften (PPPs) die Möglichkeit eröffnet, sich gemeinsam auf strategische Forschungsagenda (SRA) zu einigen und sie unter Führung der Wirtschaft voranzubringen und umzusetzen.
Die bisherigen Erfahrungen mit den groß angelegten PPPs, wie z.B. den JTIs, sind aus Sicht der Hochschulen nicht nur positiv. Wirtschaft und Wissenschaft sind sich darin einig, dass es für die Zukunft der Innovationsfähigkeit der europäischen Wirtschaft von großer Bedeutung ist, dass neben diesen großformatigen Kooperationsformen auch die Möglichkeit bestehen muss, kleine und mittelgroße Kooperationsprojekte durchzuführen, die den Koordinierungsaufwand in einem sinnvollen Verhältnis zum Zeit- und Arbeitsaufwand stehen lassen.
2.1 Forderungen an die Politik
Erhalt der Instrumente der Verbundforschung
Neben den großen Öffentlich-Privaten Partnerschaften zu Hochtechnologiebereichen sind die bisherigen Instrumente der Verbundforschung im künftigen Forschungsrahmenprogramm fortzuführen. Sie werden zurzeit im spezifischen Programm "Zusammenarbeit" zusammengefasst und haben sich über viele Jahre entwickelt und bewährt. Die Verbundforschung muss weiterhin das Kernelement des Rahmenprogramms bleiben.
Die Förderinstrumente müssen erhalten und durch die geplanten Vereinfachungsmaßnahmen noch nutzerfreundlicher werden, um Hochschulen und Wirtschaft, insbesondere den KMU, eine flexible und unkomplizierte Mitarbeit sowie eine schnelle Reaktion auf neue Themen und Bedürfnisse zu erlauben.
Themenoffenheit
Aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit Öffentlich-Privaten Partnerschaften und insbesondere den Gemeinsamen Technologieinitiativen (JTI) muss die Politik gewährleisten, dass es nicht zu "closed shop"-Verfahren bei der Auswahl von Themen und der Vergabe von Fördermitteln kommt und dass weitere Verbundprojekte in jenen Themenfeldern möglich sind, in denen PPPs aufgebaut wurden.
Die notwendige Fokussierung auf bestimmte Technologiefelder darf außerdem nicht dazu führen, dass die Themenoffenheit aufgehoben wird. Die Europäische Kommission hat in ihrer Mitteilung "Eine digitale Agenda für Europa" (26.08.2010) die Notwendigkeit betont, weiterhin in risikoreiche Forschungsvorhaben und interdisziplinäre Grundlagenforschung zu investieren. Ein stärkeres Angebot an themenoffenen und proaktiv angelegten Aufrufen in der Verbundforschung wäre deshalb hilfreich, damit sich europaweite Forschernetzwerke zu neuen und interdisziplinär geprägten Fragestellungen herausbilden können. Einen viel versprechenden Ansatz für die Ausgestaltung solcher themenoffenen Aufrufe bietet hier die im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien ausgeschriebene Förderlinie "Future and emerging technologies (FET Open)".
Einheitliche Beteiligungsregeln
Außerdem muss verhindert werden, dass PPPs weiterhin unterschiedliche Beteiligungsregeln formulieren und so zur Fragmentarisierung des europäischen Forschungsraums beitragen. Dies geht vor allem zulasten der europäischen Forscher und der sie unterstützenden Administration und widerspricht dem geforderten Vereinfachungsdenken. Zur Vermeidung eines Wildwuchses unterschiedlicher rechtlicher Rahmenbedingungen für die Antragsteller sollten diese Maßnahmen unter Anwendung der allgemeinen für das Forschungsrahmenprogramm gültigen Beteiligungsregeln umgesetzt werden.
Deckung der Projektkosten für Hochschulen und KMU
Eine Kooperation auf Augenhöhe zwischen Wirtschaft und Wissenschaft, wie sie die "Responsible Partnering Initiative" der EU vorsieht, setzt zudem eine angemessene Finanzierung der Kosten der Hochschulen voraus, die z.B. in den JTIs "Innovative Medizin" und "Brennstoffzellen" nicht gewährleistet ist. Interessierte Hochschulen müssen hier ihre Teilnahme aus öffentlichen Mitteln kofinanzieren. Dies kann den Grundprinzipien des EU-Beihilferahmens widersprechen, der eine wettbewerbsverzerrende Subventionierung der Wirtschaft durch öffentliche Forschungseinrichtungen unterbindet.
Geistiges Eigentum der Hochschulen
Die in den PPPs und Verbundprojekten vorgesehenen Beteiligungsregeln müssen gewährleisten, dass der Zugang zu und die Nutzung von gemeinsam geschaffenem geistigen Eigentum fair unter den Beteiligten geregelt wird. Die Hochschulen müssen zudem Rechtssicherheit dahingehend besitzen, dass es zu keinem unentgeltlichen Transfer ihres in die Kooperation eingebrachten und öffentlich finanzierten geistigen Eigentums in Richtung der privatwirtschaftlichen Konsortialpartner kommt.
2.2 Beiträge der Hochschulen
Weiterentwicklung ihrer Kostenrechnungssysteme
Die Hochschulen verpflichten sich, ihre Kostenrechnungssysteme weiterzuentwickeln. Dies ist auch in Bezug auf die Beihilferegeln der EU wichtig. Hierbei handelt es sich um einen langfristigen Prozess, der sich aufgrund der unterschiedlichen Hochschulprofile und rechtlichen Voraussetzungen in den 16 Bundesländern in unterschiedlicher Geschwindigkeit vollziehen wird.
Die Hochschulen begrüßen deshalb die Schlussfolgerungen des Wettbewerbsrates vom 12.10.2010, in denen die EU-Kommission aufgefordert wird, unterschiedliche Fördersätze und Berechnungsmodelle für die indirekten Kosten verschiedener Arten von Förderempfängern (z.B. Hochschulen, Forschungsorganisationen, Industrie und KMU) auch in Zukunft beizubehalten. Die Hochschulen und andere Forschungsorganisationen, die in Richtung der Vollkostenrechnung voranschreiten, sollten weiter unterstützt werden. Hier zeigt sich ein gewachsenes Verständnis für die Komplexität der Kostenrechnung im Hochschulbereich. Die deutschen Hochschulen arbeiten aktiv an dem von der EU geförderten Projekt EUIMA der Europäischen Universitätsvereinigung (EUA) mit, das sich insbesondere den Fragen der Vollkostenrechnung widmet.
3. Komplexe Forschungs- und Innovationsvorhaben in europäischer Koordination
Die deutschen Hochschulen begrüßen die seit einigen Jahren, insbesondere auf Initiative der EU-Kommission zunehmenden Bemühungen, die nationalen Forschungsförderaktivitäten enger miteinander zu vernetzen. Sie erkennen den Wunsch der Politik an, die Forschungsförderung stärker auf die Lösung großer, von der Politik und Gesellschaft definierter Herausforderungen unserer Zeit, wie Klima, Energie, digitale Gesellschaft und Gesundheit zu fokussieren.
3.1. Forderungen an die Politik
Finanzierung der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften als Querschnittsaufgabe
Auf die Bedeutung der geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Forschung bei der Bearbeitung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen ist bereits hingewiesen worden. Die Notwendigkeit, Budgets für diese Querschnittsaufgabe in den koordinierten europäischen Großvorhaben zu schaffen, ist offensichtlich. Die gesellschaftlichen Herausforderungen, z.B. im Bereich der Gesundheit und Energie, können nicht nur technologisch gelöst werden, sondern bedürfen einer vorbeugenden und begleitenden Politik. Hier sind die Forschungsleistungen der Geistes- und Gesellschaftswissenschaften von großem Wert.
Koordination
Langfristig angelegte Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft in von der Gesellschaft und Politik geforderten Großvorhaben müssen dem Modell "Koordination bei individueller Verantwortung" folgen. Die europäischen Forschungsstrategien müssen durch Mitgliedsstaaten und EU, Wissenschaft und Industrie sowie die Nutzer erarbeitet werden. Ihre Umsetzung sollte unter individueller Verantwortung der Akteure (Staat, Wissenschaft, Industrie) auf der jeweiligen politischen Ebene (EU, national, regional) in variabler Geometrie unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips erfolgen.
Eine intelligente Koordination der verschiedenen Ebenen muss im Sinne der Strategie Europa 2020 und der geplanten Innovationsunion auch andere Politikbereiche, wie die die Kohäsions- und Agrarpolitik umfassen.
Neuausrichtung der Kohäsionspolitik der EU
Eine Neuausrichtung der Kohäsionspolitik der EU muss es den Regionen im Rahmen der von der Strategie Europa 2020 angeregten Politik der "Smart Specialisation" erlauben, freier als bisher darüber zu entscheiden, wie sie die Stärkung des spezifischen Regionalprofils in Richtung einer innovationsorientierten Wirtschaft vorantreiben wollen. Sie muss auch die Kofinanzierung von Investitionen in die Wissensgrundlage, z.B. im Bereich der allgemeinen Ausbildungs- und Forschungsfunktionen der Hochschulen, erlauben. Die deutschen Hochschulen unterstützen deshalb die Empfehlung des am 20.10.2010 erschienenen zweiten Berichts des European Research Area Boards (ERAB). Er fordert, mindestens 30 Prozent der Mittel der Strukturfonds (und 10 Prozent der Gemeinsamen Agrarpolitik) für F&E- und Innovationsprojekte zu investieren. Zusätzlich sollte dabei die Möglichkeiten gestärkt werden, die Sozialfonds für Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramme an Hochschulen zu nutzen. Eine solche Politik wird den notwendigen Kapazitätsaufbau für den Aufholprozess insbesondere jener Regionen erlauben, die noch nicht das durchschnittliche Entwicklungsniveau der Europäischen Union erreicht haben.
Synergien zwischen dem Rahmenprogramm und den Strukturfonds sowie mit den Forschungsprogrammen der Mitgliedsstaaten und ihrer Regionen müssen besser genutzt werden. Eine Politik der "Simplification" ist angesichts der komplexen Kofinanzierungsverhältnisse in den Strukturfonds so wichtig wie im künftigen Rahmenprogramm.
3.2. Beiträge der Hochschulen
Die Hochschulen werden die Kartierung ihrer Forschungsschwerpunkte, wie oben bereits dargestellt, intensivieren, um ihre Leistungsschwerpunkte in der Forschung für Politik und Gesellschaft auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene transparenter zu machen.
Anhang: Die deutschen Hochschulen in Zahlen
Anzahl der Mitgliedshochschulen der HRK | 264 (>96% aller Studierenden) |
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Anzahl der Studierenden | 2,2 Mio. (im Wintersemester 2010/11) [1] |
Anteil ausländischer Studierender | 11,5% (im Wintersemester 2009/10) [2] |
Personal für Forschung & Entwicklung (Vollzeitäquivalent) | 106.712 im Jahr 2008 [3] |
Ausgaben für Wissenschaft, Forschung und Entwicklung | 11,1 Mrd. EUR im Jahr 2008 [3] |
Umfang der Drittmittelforschung | 4,9 Mrd. EUR im Jahr 2008 (entspricht 133.020 EUR pro Professor/-in) [3] |
Anteil der Drittmitteleinnahmen am gesamten Ausgabenvolumen | 14,9% im Jahr 2008 [4] |
Anteil der privaten Wirtschaft an den eingeworbenen Drittmitteln | 24,8% im Jahr 2008 [3] |
Anteil der EU-Fördermittel an den eingeworbenen Drittmitteln | 8,9% im Jahr 2008 [3] |
Wie die deutsche Innovationserhebung des Jahres 2008 zeigt, arbeiten 37 % der innovationsaktiven Industrieunternehmen und 30 % der innovationsaktiven Dienstleistungsunternehmen in Innovationsprojekten mit der Wissenschaft zusammen. Hochschulen sind dabei der klar dominierende Partner für Wirtschaft-Wissenschafts-Kooperationen in Deutschland. Etwa drei Viertel der Wissenschaftskooperationen von Unternehmen entfallen auf Hochschulen und etwa ein Viertel auf Einrichtungen der außeruniversitären Forschung. [5]
Im Jahr 2007 finanzierte sich die universitäre Forschung in Deutschland zu 14,2% über Drittmittel von Unternehmen. Gegenüber einem OECD-Durchschnitt von 6,6% nehmen die deutschen Hochschulen nicht nur innerhalb der EU, sondern auch weltweit eine Spitzenposition ein. [6]
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[1] Statistisches Bundesamt, Schnellmeldung (24.11.10)
[2] Statistisches Bundesamt: "Bildung und Kultur. Studierende an Hochschulen" (28.09.2010)
[3] Statistisches Bundesamt: "Bildung und Kultur. Monetäre hochschulstatistische Kennzahlen" (24.9.2010)
[4] Statistisches Bundesamt: "Bildung und Kultur. Finanzen der Hochschulen" (30.04.2010)
[5] Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 11-2010, im Auftrag der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), (Okt. 2009)
[6] Gutachten des Jahres 2010 zur Forschung, Innovation und technologischer Leistungsfähigkeit Deutschlands, Expertenkommission für Forschung und Innovation (EFI) (03.03.2010)