Die künftige Nutzung der Strukturfonds in den deutschen Bundesländern


Entschließung des 122. HRK-Senats zur künftigen Nutzung der Strukturfonds in den deutschen Bundesländern

Deutsche Hochschulen und die künftige Kohäsionspolitik der EU


Deutsche Hochschulen spielen eine zentrale Rolle für die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wie auch für die Lebensverhältnisse in den 16 Bundesländern. Als einzige Institution bilden sie das Wissensdreieck – bestehend aus Bildung, Forschung und Innovation – unter einem Dach ab und wirken mit ihren Ausbildungs- und Forschungsleistungen als Zukunftslabore und Impulsgeber für die regionale Entwicklung. In dieser Funktion sind die deutschen Hochschulen wichtige Träger der EU-Kohäsionspolitik und nutzen systematisch die hier angebotenen Fördermöglichkeiten für Investitionen, u.a. in Forschungsinfrastrukturen,  Promotionsprogramme oder die Förderung von Unternehmensgründungen und Wissenstransfer.

Mit Sorge beobachten die deutschen Hochschulen die Diskussionsprozesse um die finanzielle Ausstattung der EU-Kohäsionspolitik in den Jahren 2014-2020. Das von der EU-Kommission zugrunde gelegte Gesamtbudget von 376 Mrd. EUR für die 7-jährige Laufzeit würde für die deutschen Bundesländer – inflationsbereinigt und unter Berücksichtigung vergangener wie auch anstehender EU-Beitritte – einen deutlich geringeren Mittelfluss im Vergleich zur aktuellen Haushaltsperiode bedeuten. Das vor allem statistisch begründete Herausfallen der vornehmlich in Ostdeutschland befindlichen „Konvergenzregionen“ (ehemals: „Ziel 1“) aus ihrer attraktiven Förderkategorie wird diesen Effekt noch verstärken.

Vor dem Hintergrund der künftig knapperen Fördermittel ist umso bedeutsamer, dass diese noch konsequenter als bisher auf forschungs- und innovationsrelevante Investitionsfelder fokussiert werden, in denen nachhaltige Wachstumsimpulse zu erwarten sind.


Die deutschen Hochschulen unterstützen aus diesem Grund die Vorschläge der EU-Kommission für eine stärkere Zweckbindung der EFRE-Mittel. Sie fordern die Regierungen der deutschen Bundesländer auf, sich in ihren operationellen Programmen nachdrücklich zur „Stärkung von Forschung, technischer Entwicklung und Innovation“ als Investitionspriorität zu bekennen und die hierfür erforderlichen Finanzmittel bereitzustellen.


„Intelligente Spezialisierungsstrategien“ konsequent angehen

Darüber hinaus plant die EU-Kommission, ab 2014 die Freigabe der Strukturfondsmittel an das Vorhandensein einer so genannten „intelligenten Spezialisierungsstrategie“ („Smart Specialisation Strategy“) in den Förderregionen zu knüpfen. Wesentlicher Bestandteil dieser Strategie ist die Festlegung regionaler Forschungs- und Innovationsprioritäten auf Grundlage einer SWOT-Analyse sowie der Aufbau eines entsprechenden Systems zur Überprüfung und Bewertung der geförderten Maßnahmen. Die Strategien sollen die Grundlage für die Operationellen Programme der Bundesländer bilden und den Rahmen für eine effizientere und nachhaltigere Investitionspolitik schaffen.

Nach Aussage der EU-Kommission können solche Spezialisierungsstrategien nicht einseitig definiert werden. Stattdessen ist eine frühzeitige und weitreichende Einbeziehung der regionalen Wirtschaft und Wissenschaft hierfür unerlässlich – und zwar nicht ausschließlich in ihrer Rolle als Zuwendungsempfänger, sondern als Schlüsselakteure des regionalen Innovationssystems. In ihren einschlägigen Publikationen und Leitfäden betont die EU-Kommission die Bedeutung einer umfassenden Mitwirkung von Hochschulen an den verschiedenen Prozessen der Begutachtung des regionalen Innovationssystems wie auch bei der Identifizierung regionaler Entwicklungspotenziale und Alleinstellungsmerkmale unter Berücksichtigung des interregionalen und internationalen Handlungsumfelds.

Knapp ein halbes Jahr bevor die Bundesländer ihre Spezialisierungsstrategien und Operationellen Programme ausgearbeitet haben müssen, zeigt sich jedoch, dass Hochschulen deutschlandweit völlig unzureichend in die Verfahren der Strategieformulierung eingebunden sind. Nur in seltenen Fällen, wie z.B. in Niedersachsen, lässt sich gegenwärtig eine zufriedenstellende Hochschulpartizipation im Rahmen interministerieller Arbeitsgruppen und Regionalkonferenzen beobachten, die in weiten Teilen den Vorschlägen der EU-Kommission entspricht. In einigen Ländern wie z.B. Hessen oder Sachsen-Anhalt wurde die Einbeziehung der Hochschulen in den Prozess der Strategieentwicklung zumindest in Aussicht gestellt. Bundesländer wie Sachsen und Berlin haben einzelne Landeshochschulen an den Verfahren beteiligt, andere allerdings außen vor gelassen. In den meisten Bundesländern liegt die Erarbeitung intelligenter Spezialisierungsstrategien jedoch ausschließlich bei den Ministerien, ohne dass Hochschulen überhaupt von der EU-Initiative informiert wurden. Konsultationen der Universitäten und Fachhochschulen erfolgten hier bisher, wenn überhaupt, nur zu nachgelagerten Fragen bezüglich der Operationellen Programme oder zu Verfahrensfragen.


Die deutschen Hochschulen fordern daher, dass die Landesregierungen der EU-Initiative zur Ausarbeitung regionaler Spezialisierungsstrategien für Forschung und Innovation mit der gebotenen Ernsthaftigkeit begegnen und den Vertretern der regionalen Wissenschaftsvertretungen die hierfür notwendigen Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen. Das Einsetzen einer spezifischen Steuerungsgruppe, an der die Landesrektorenkonferenzen bzw. die einzelnen Landeshochschulen beteiligt sind, stellt hierfür eine zentrale Voraussetzung dar. Die von der EU-Kommission gegründete Smart Specialisation Platform („S3-Plattform“) wie auch die Working Party for Innovation and Technology Policy (TIP) der OECD haben zahlreiche Empfehlungen und bewährte Praktiken zusammengetragen, die als Vorlage für den Prozess der Strategieformulierung dienen sollten. Auch die Möglichkeit, durch eine Mitgliedschaft bei der S3-Plattform auf externe Expertise zurückgreifen zu können (Workshops, internationales Peer-Review etc.), sollte durch die Bundesländer bzw. einzelne Förderregionen konsequenter genutzt werden.


 Nutzbarkeit der Strukturfonds durch Hochschulen vereinfachen

Damit Hochschulen in die Lage versetzt werden, die Instrumente der Europäischen Kohäsionspolitik in vollem Umfang zu nutzen, ist eine signifikante Vereinfachung der Programmverwaltung unumgänglich. Die Gesetzesvorschläge der EU-Kommission für die Haushaltsperiode 2014-2020 beinhalten hier einige vielversprechende Ansätze wie bspw. die verbesserte Kombinierbarkeit von ESF- und EFRE-Mitteln innerhalb sogenannter „Multifonds-Programme“ oder die Einführung von Overhead-Pauschalen von 15% bzw. 20%. Allerdings können diese Initiativen nur als erste Schritte in einem kontinuierlichen Prozess der administrativen Vereinfachung gesehen werden, der einerseits konsequent durch die EU-Kommission vorangetrieben und andererseits durch Anstrengungen seitens der deutschen Bundesländer flankiert werden muss.


Die deutschen Hochschulen fordern die Regierungen der deutschen Bundesländer auf, ihre förderpolitischen Regelwerke auf Bestimmungen zu prüfen, die zu den EU-Vorgaben in Widerspruch stehen oder den Hochschulen unnötigen Doppelaufwand bspw. im Bereich von Rechnungsführung und Dokumentationspflichten verursachen. Die integrierte Nutzung von EFRE- und ESF-Mitteln in Form von Multifonds-Programmen sollte erleichtert und nicht bereits in den Operationellen Programmen oder strategischen Eckpunktepapieren explizit ausgeschlossen werden. Insbesondere der Verweis auf zersplitterte Zuständigkeiten für die EFRE- und ESF-Förderung und die dazugehörigen Aktionslinien über verschiedene Landesministerien hinweg darf hier nicht als Ausrede herhalten, sondern begründet vielmehr die Notwendigkeit einer zentralen Koordinierungs- und Kontaktstelle, z.B. im Sinne eines „one-stop-shops“. Nicht zuletzt muss die Förderpolitik der Landesregierungen der Tatsache Rechnung tragen, dass Hochschulen aufgrund ihrer defizitären Grundausstattung sowie der Zweckbindung zusätzlich eingeworbener Drittmittel keinerlei Spielraum haben, um die geforderten Kofinanzierungsanteile aus Eigenmitteln bereitzustellen. Wenn Hochschulen gezwungen sind, sich die Teilnahme an Strukturfonds-Projekten – bspw. durch die Umwidmung von Fremdmitteln – zu „erkaufen“, wird ihr Engagement zu einem Verlustgeschäft, das mittelfristig einen Rückzug aus den entsprechenden Förderangeboten zur Folge haben muss.

Darüber hinaus fordern die deutschen Hochschulen die Europäische Kommission auf, weitere Initiativen zur Vereinfachung der Programmumsetzung folgen zu lassen, insbesondere mit Blick auf die Abrechnung der Personalkosten. Darüber hinaus muss sie gewährleisten, dass die Mehrwertsteuer – analog zum bisherigen Verfahren und zu den Bestimmungen des künftigen Forschungsrahmenprogramms „Horizont 2020“ – auch weiterhin erstattungsfähig bleibt.