Erfolgreiche Studien- und Berufswege internationaler Studierender in Deutschland – Grundlagen und Rahmenbedingungen


Entschließung der 38. HRK-Mitgliederversammlung am 14.5.2024

I. Hintergrund
Die Bedeutung der Internationalisierung von Bildung und Forschung für die Ausgestaltung zukunftsfähiger Hochschulen hat die HRK immer wieder bekräftigt, zuletzt in ihren im Jahr 2020 verabschiedeten Leitlinien und Standards in der internationalen Hochschulkooperation. Unbestreitbar hat sich Deutschland in den vergangenen Dekaden zu einem global player der Hochschulinternationalisierung entwickelt; derzeit ist es weltweit eines der beliebtesten Gastländer für international mobile Studierende. Im Wintersemester 2022/23 studierten rund 458.000 ausländische Studierende an den deutschen Hochschulen, darunter etwa 368.000 Bildungsausländer:innen, die ihren Hochschulzugang nicht in Deutschland erworben haben; die aktuelle Tendenz ist steigend.

In den letzten Jahren rückt die Internationalisierung der Hochschulen und insbesondere die Gewinnung internationaler Studierender auf politischer Ebene zunehmend als eine zentrale Maßnahme zur Fachkräftesicherung für den deutschen Arbeitsmarkt in den Fokus.[1] So willkommen der verstärkte Fokus auf das erhebliche Potenzial internationaler Absolvent:innen für die deutsche Wirtschaft ist, bleibt es aus HRK-Sicht essenziell zu betonen, dass sich die Einordnung und Wertung internationaler Studierender nicht allein in ihrem potenziellen Beitrag zur heimischen Wirtschaft erschöpfen darf. Vielmehr müssen sowohl die spezifische Situation der Zielgruppe als auch die Interessenlage der entsendenden Herkunftsländer – im Sinne einer angestrebten brain circulation – sowie schließlich auch die berechtigten Belange der deutschen Hochschulen bei politischen Überlegungen angemessene Berücksichtigung finden.

Die Bedeutung der hochschulischen Internationalisierung ist vielschichtig: Auf individueller Ebene bilden multinationale Lehr-, Lern- und Forschungsumgebungen eine wesentliche Voraussetzung dafür, Studierenden global citizenship zu vermitteln und sie für einen Arbeitsmarkt zu qualifizieren, der heute in allen Facetten international geprägt ist. Für Forschende stellt ein internationales Umfeld den Regelfall dar, die Wissenschaft ist per se international ausgerichtet. Auf institutioneller Ebene leistet die Internationalisierung unverzichtbare Beiträge für Innovation in Lehre, Lernen, Forschung, Transfer und Governance. Sie ist somit ein zentrales Element von Qualitätssicherung und -entwicklung und ein Garant für die Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen. Vor dem Hintergrund der notwendigen Fachkräftesicherung innerhalb der Wissenschaft ist es zudem erforderlich, zusätzlich zur internationalen Austauschmobilität auch langfristig internationale Talente für den Studien- und Forschungsstandort Deutschland zu gewinnen und diese Talente durch attraktive Studien- und Karrierebedingungen an den Hochschulen zu halten.

II. Gestaltungsnotwendigkeiten auf institutioneller Ebene
Es ist Aufgabe und Auftrag der Hochschulen, ihre Studierenden fachlich zu qualifizieren und, damit einhergehend, auf ihr späteres Eintreten in den Arbeitsmarkt vorzubereiten. Bei der Zielgruppe der internationalen Studierenden kommt es aus Sicht der HRK entscheidend darauf an, diese nicht nur für ein Studium in Deutschland zu gewinnen, sondern sie auch erfolgreich zu einem Studienabschluss zu führen. Die Abbruchquote bei internationalen Studierenden im Bachelor- und Masterstudium fällt nach wie vor überdurchschnittlich hoch aus.[2] Dies hat nicht nur für die einzelnen Studierenden gravierende persönliche wie auch berufliche Folgen, sondern stellt im institutionellen und gesellschaftlichen Sinne eine Fehlallokation von Ressourcen dar. Es ist durch die einschlägige Forschung gut belegt, dass insbesondere eine ausreichende Sprachkompetenz sowie auch die fachliche und soziale Integration in den deutschen Studienalltag für den Studienerfolg entscheiden sind. Um eine gelingende fachliche und soziale Integration von internationalen Studierenden zu gewährleisten, liegt es mithin nahe, Potenziale und notwendige Verbesserungsmaßnahmen im gesamten student life cycle zu identifizieren, beginnend mit dem Hochschulzugang:[3]

• Flexibilisierung des Hochschulzugangs 
Im Fall internationaler Studieninteressierter ist das Abschlusszeugnis der Sekundarschule aus dem jeweiligen Herkunftsland Grundlage für die Erteilung einer Hochschulzugangsberechtigung für ein grundständiges Studium. Dabei ist nicht so sehr die individuelle Leistung des Studienbewerbers bzw. der Studienbewerberin ausschlaggebend, sondern die Bewertung des jeweiligen Schulsystems, die durch die Zentralstelle für Ausländisches Bildungswesen vorgenommen wird. Wird das Abschlusszeugnis als gleichwertig eingestuft, ist ein direkter Hochschulzugang möglich. Wird das Zeugnis nicht als gleichwertig angesehen, besteht die Möglichkeit, den Hochschulzugang über den Besuch eines Studienkollegs mit abschließender Feststellungsprüfung oder dem Nachweis eines Studienjahres im Herkunftsland zu erreichen. Daneben können Hochschulen internationalen Studieninteressierten in einigen Bundesländern[4] den Hochschulzugang über ein hochschulinternes Verfahren anbieten, das sowohl Vorbereitungsprogramm als auch Prüfverfahren beinhaltet. Dieser Zugangsweg wird allerdings bislang wenig genutzt. Für den Zugang zu einem Masterstudiengang bestehen weit flexiblere Auswahl- und Zugangsmöglichkeiten.

Hochschulen, die flexiblere Zugangsverfahren zu grundständigen Studiengängen nutzen, vermelden hohe Erfolgsquoten im Studienverlauf. Vor diesem Hintergrund würde es die HRK begrüßen, wenn in allen Bundesländern die rechtlichen Grundlagen für eine Flexibilisierung des Hochschulzugangs geschaffen würden. So könnten künftig die individuellen Leistungen der einzelnen Studieninteressierten bei der Entscheidung über die Ermöglichung eines Hochschulzugangs in größerem Maße berücksichtigt werden. Notwendigerweise wird eine derartige weitere Flexibilisierung mit einem erhöhten Ressourcenbedarf an den Hochschulen einhergehen müssen, um effektive Entscheidungsverfahren und eine zielführende und passgenaue Vorbereitung gewährleisten zu können.

• Diversifizierung der Studienvorbereitung
Die fachliche und sprachliche Studienvorbereitung internationaler Studienbewerber:innen ohne direkten Hochschulzugang vollzieht sich bislang in der Regel in Studienkollegs in Deutschland; sie schließt mit der Feststellungprüfung ab. Erfahrungsgemäß gewährleistet diese Art der Studienvorbereitung einen erfolgreichen Studienverlauf. In Bundesländern ohne staatliche Studienkollegs[5] kann der Hochschulzugang über hochschuleigene Vorbereitungsprogramme und Zugangsverfahren erlangt werden[6]; in Hessen, Thüringen und Sachsen-Anhalt bestehen beide Zugangsmöglichkeiten parallel nebeneinander. Darüber hinaus wird derzeit das federführend durch den DAAD entwickelte, digitale Vorbereitungsprogramm VORsprung an einer Reihe von Pilotstandorten durchgeführt.[7] 

Im Sinne der Sicherung eines späteren Studienerfolgs erscheint aus HRK-Sicht ein Ausbau von Studienvorbereitungsprogrammen – sei es an Studienkollegs, gemeinsam zwischen Hochschulen und Studienkollegs oder auch in Eigenregie der Hochschulen – dringend geboten. Pilotprogramme alternativer Formen einer Studienvorbereitung im Heimatland (virtuell / hybrid) sollten vor dem Hintergrund eines potenziell besseren Kosten-Nutzen-Verhältnisses sorgfältig analysiert und bei erfolgreichem Verlauf zügig ausgebaut werden. Wenngleich digitale oder hybride Angebote im Heimatland die Vorbereitung sinnvoll unterstützen und individuelle Lebenssituationen der Studienbewerber:innen ggf. besser berücksichtigen, ist es aus Sicht der HRK empfehlenswert, dass ein großer Anteil der Studienvorbereitung in Präsenz an Einrichtungen in Deutschland stattfindet, im günstigsten Fall in enger Verzahnung mit der aufnehmenden Hochschule. Nur so kann die unentbehrliche sprachliche, fachliche und sozio-kulturelle Vorbereitung und Integration der internationalen Studierenden gelingen.

• Absicherung der studienbegleitenden fachlichen, sprachlichen und sozialen Betreuung
Derzeit bieten die Hochschulen studienbegleitende Programme für die Zielgruppe der internationalen Studierenden in unterschiedlichem Umfang und variierender Gewichtung an; diese werden von den internationalen Studierenden i. d. R. auf freiwilliger Basis wahrgenommen. Mehrheitlich handelt es sich um Angebote zur fachlichen Unterstützung, zur Verbesserung der allgemein- und fachsprachlichen Studierfähigkeit sowie Einführungen in das wissenschaftliche Arbeiten. Begleitprogramme umfassen zumeist auch Angebote zur sozialen Integration; diese Betreuungsprogramme werden häufig von Mentor:innen oder Peers unterstützt. Sowohl die Erfahrungen an den Hochschulen als auch wissenschaftliche Untersuchungen belegen die Notwendigkeit, die beschriebenen Unterstützungs- und Betreuungsangebote während des Studiums vorzuhalten.

Aus HRK-Sicht wird zu diskutieren sein, ob die bestehenden Angebote zukünftig in stärkerem Maße verpflichtend gestellt werden sollten. Überdies ist es aus Sicht der HRK von Nachteil, dass eine Vielzahl der beschriebenen Unterstützungs- und Begleitmaßnahmen allein auf Projektbasis vorgehalten werden (können), finanziert durch extern eingeworbene Drittmittel. So leiden wichtige unterstützende Einheiten an den Hochschulen, etwa Welcome Center und Career Services, vielfach unter hoher Personalfluktuation und fehlenden Ressourcen. Vor allem muss es daher aus HRK-Sicht darum gehen, auskömmlich finanzierte und somit nachhaltige Unterstützungsstrukturen vorzuhalten.

• Verbesserung der Unterstützung beim Übergang in die Erwerbstätigkeit
Trotz des durch Studien belegten Wunsches vieler internationaler (Master-)Studierender, nach Studienabschluss für eine längere Zeit in Deutschland zu verbleiben, gelingt nur einem Teil der internationalen Absolvent:innen tatsächlich der Sprung in den deutschen Arbeitsmarkt. Die Ursachen sind vielfältig: Zum einen sind arbeitsmarktbezogene Unterstützungsangebote der Hochschulen bislang nur bedingt auf die besonderen Bedarfe der Zielgruppe der internationalen Studierenden ausgerichtet. Zum anderen bestehen auf Seiten der internationalen Studierenden zum Teil nur unzureichende Kenntnisse über Bewerbungsverfahren und Strukturen des Arbeitsmarktes. Auch die erhebliche Bedeutung deutscher Sprachkenntnisse für eine Berufstätigkeit in Deutschland wird häufig unterschätzt, sodass die an den Hochschulen vorgehaltenen Unterstützungsangebote teilweise nicht in ausreichendem Maße wahrgenommen werden.

Derzeit ist ein verstärktes Interesse und Bemühen aller beteiligten Akteursgruppen erkennbar, internationalen Studierenden mithilfe entsprechender Sensibilisierungs- und Unter-stützungsmaßnahmen den Übergang in die Erwerbstätigkeit zu erleichtern.[8] Die Erfahrungen aus bereits abgeschlossenen bzw. laufenden Initiativen sollten auf "lessons learned" hin analysiert werden; Austausch und Dissemination zu Beispielen guter Praxis sollten systematisch unterstützt werden. Schon jetzt ist klar, dass es insbesondere auf den Zeitpunkt der Sensibilisierung ankommt: Je frühzeitiger ein Erwartungsmanagement gegenüber sowohl internationalen Studierenden als auch zukünftigen Arbeitgeber:innen betrieben wird und gezielte gegenseitige Kontakte, z. B. über Praktika oder Praxissemester, ermöglicht werden, desto leichter wird es möglich sein, Kenntnis- oder Qualifikationsdefizite noch während des Studienverlaufs auszugleichen. Auch hier wird es darum gehen, auskömmlich finanzierte und somit nachhaltige Unterstützungsstrukturen, so zum Beispiel Internationale Career Services, vorzuhalten.

III. Gestaltungsnotwendigkeiten auf Systemebene
Auf der Systemebene sieht die HRK vier übergeordnete Gestaltungsnotwendigkeiten mit Blick auf eine gelingende Integration internationaler Studierender an den Hochschulen. Die Handlungsaufforderungen richten sich zum einen an die Adresse der Hochschulen selbst, die ihren Beitrag zum Gelingen leisten müssen und wollen, zum anderen an die Adresse von Politik und beteiligten gesellschaftlichen Akteuren. Nur im Schulterschluss kann die Bewältigung dieser Aufgabe zum Wohle der einzelnen Studierenden wie auch zum Wohle der Hochschulen und der Gesellschaft gelingen.

• Weltoffenheit als Leitgedanke einer institutionellen und gesellschaftlichen Willkommenskultur
Gemeinsam treten die in der HRK zusammengeschlossenen Hochschulen mit der bundesweiten Initiative "Weltoffene Hochschulen – Gegen Fremdenfeindlichkeit" bereits seit dem Jahr 2015 offensiv für Weltoffenheit und gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ein. Sie reagieren damit auf rassistisch motivierte, verbale und physische Gewalt, die auch internationale Studierende, Forschende und Mitarbeitende an den Hochschulen betrifft. Die Dringlichkeit und Notwendigkeit dieses öffentlichen Eintretens für Weltoffenheit, Meinungsvielfalt und demokratische Grundwerte als Grundlagen allen hochschulischen Handelns werden in diesen Tagen und Wochen deutlicher denn je. Ein offener und internationaler Campus und die internationale Mobilität von Lehrenden und Lernenden sind essenzielle Grundlagen für qualitätsvolles Lehren und Lernen, für exzellente Forschung und Innovation und gute Governance. Aus Sicht der HRK handelt es sich bei der Gewährleistung eines offenen, international ausgerichteten Campus um eine gemeinsame Aufgabe aller Standortakteure. Nur, wenn nur alle Hochschulmitglieder sowie auch das lokale und regionale Umfeld der Hochschulen entschieden für diese Werte eintreten, wird es auch zukünftig gelingen, internationale Talente für ein Studium oder einen längeren Arbeits- oder Forschungsaufenthalt in Deutschland zu gewinnen. 

 • Kontinuierliche Verbesserung der rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen
Als gemeinsame Aufgabe von Hochschulen, lokalen Akteur:innen und Politik gilt es, die Rahmenbedingungen für internationale Studierende an deutschen Hochschulen kontinuierlich zu verbessern. Erhebliche Engpässe sind seit Jahren bei der Visavergabe, sowohl auf zentraler als auch auf kommunaler Ebene, zu beobachten. Die mittlerweile seitens des Auswärtigen Amtes eingeleiteten Verbesserungsmaßnahmen zeitigen bereits vereinzelt Effekte, doch noch immer kommt es an einigen Standorten zu langen Wartezeiten. Diese Engpässe haben erhebliche Auswirkungen auf die Möglichkeiten deutscher Hochschulen, qualifizierte Studierende aus dem Ausland zu gewinnen. Die HRK begrüßt daher die Anstrengungen des Auswärtigen Amtes um eine Beseitigung der bestehenden Hürden und hält Bemühungen zur weiteren Beschleunigung der Verfahren für dringend notwendig. Als weitere wichtige Stellschraube im Prozess sollten auch die kommunalen Ausländerbehörden mit auskömmlichen personellen wie finanziellen Ressourcen ausgestattet werden; ihre Zusammenarbeit mit den Hochschulen sollte zudem noch aktiver gestaltet werden.

Der bestehende rechtliche und regulatorische Rahmen für das Studium internationaler Studierender in Deutschland ist aus Sicht der HRK hinreichend ausdifferenziert. Zugleich werden neue – digitale oder hybride – Studienformate, an denen internationale Studierende in zunehmenden Maße partizipieren, weitere Anpassungen des regulatorischen Rahmens erfordern, insbesondere hinsichtlich der Immatrikulation und sozialen Absicherung bei untersemestrigen und ggf. mehrfach unterbrochenen Studienaufenthalten an einer deutschen Hochschule. Unter anderem die Einführung eines neuen Studierendenstatus ‚Internationale Teilleistungsstudierende' könnte hier aus HRK-Sicht die Grundlage für die erforderlichen Verbesserungen schaffen.[9]  

Nach Abschluss ihres Studiums erhalten internationale Absolvent:innen einen 18monatigen Aufenthaltstitel für die Suche nach einer ihrem Abschluss adäquaten Arbeitsmöglichkeit. Die aufenthaltsrechtlichen Rahmenbedingungen für internationale Absolvent:innen sind mithin aus HRK-Sicht im europäischen Vergleich angemessen liberal.

 • Wertschätzung von Sprachkompetenz als Erfolgsfaktor für Studium und Arbeitsmarktintegration
Basierend auf ihrer Empfehlung "Institutionelle Sprachenpolitik an deutschen Hochschulen" tritt die HRK dafür ein, Mehrsprachigkeit verstärkt in der Wissenschaft zu verankern und einen bewussten Einsatz von unterschiedlichen Sprachen im Hochschulalltag zu fördern.[10] In den vergangenen Jahren haben die Hochschulen die strategische Relevanz sprachenpolitischer Fragen zunehmend erkannt und entsprechende Weichenstellungen, gerade auch im Hinblick auf internationale Studierende, vorgenommen.[11] So wurde z. B. das Sprachkursangebot, sowohl im Englischen als auch im Bereich Deutsch als Fremdsprache (DaF), an vielen Standorten erheblich ausgebaut. Gleichwohl werden in strategischen Entscheidungsprozessen nicht nur Fragen der Mehrsprachigkeit über das Englische hinaus, sondern insbesondere auch der sprachlichen Studierfähigkeit – fallbezogen im Deutschen wie im Englischen – oftmals nicht die erforderliche Bedeutung beigemessen. Wie die Erfahrung und auch Studien zeigen, sind unzureichende Sprachkenntnisse internationaler Studierender der am häufigsten genannte Grund für Schwierigkeiten im Studienverlauf, die zum Studienabbruch führen können. Angemessene Deutschsprachkenntnisse, auch für den akademischen Bereich, sind bereits zu Beginn eines deutschsprachigen Studiums grundlegend. Diese sollten während des Studiums durch zusätzliche sprachliche Angebote vertieft werden, um so den Verbleib in Deutschland und den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Mit Blick auf eine mögliche Arbeitsmarktintegration internationaler Absolvent:innen sollten auch im Falle eines englischsprachigen Studiums zielgruppengerechte sprachliche Qualifizierungsangebote studienbegleitend vorgehalten und ggf. curricular verankert werden. Neben dem Ausbau der regulären studienbegleitenden Sprachförderung sind aus HRK-Sicht auch Sonderprogramme für internationale Studierende mit Bleibeabsicht denkbar. So könnten Pilotverfahren für spezifische Studientracks mit verpflichtendem Anteil an Deutschsprachkursen oder auch sechsmonatige Deutschintensivprogramme für internationale Master-Absolvent:innen etabliert werden. Entsprechende Pilotprogramme könnten mit Hilfe staatlicher oder privater Mittel im Zusammenwirken von Hochschulen und lokaler bzw. regionaler Wirtschaft aufgesetzt und so auf die konkreten Bedarfe aus hochschulischer und perspektivischer Arbeitgeber:innensicht ausgerichtet werden. 

• Abbau der strukturellen Unterfinanzierung der hochschulischen Internationalisierung
Eine gezielte und nachhaltige Internationalisierung der Hochschulen stellt eine wesentliche Voraussetzung dafür dar, internationale Talente für den Hochschul- und Forschungsstandort Deutschland zu gewinnen. Seit 2009 unterstützt die HRK diesen Prozess u. a. mit dem Instrumentenportfolio des Audit ‚Internationalisierung der Hochschulen'. 111 Hochschulen haben bislang einen Auditprozess zur Unterstützung und Weiterentwicklung ihrer institutionellen Internationalisierung durchlaufen.[12] Trotz heterogener institutioneller und lokaler Gegebenheiten wird aus einer Metaanalyse dieser über einhundert Verfahren deutlich, dass unzureichende Personalkapazitäten und mangelnde Ressourcen die Internationalisierungsbestrebungen der Hochschulen vielfach beeinträchtigen. Trotz großen Engagements des Bundes und der Länder beobachtet die HRK mit Sorge, dass Aktivitäten im Bereich der Internationalisierung in der Regel nur im Rahmen befristeter Förderprogramme finanziert und mittelfristig somit zu einer weiteren Hypothek für die Grundhaushalte der Hochschulen werden. Angesichts der geschilderten Bedeutung der Internationalisierung nicht nur für die Hochschulen selbst, sondern auch für die Zukunftsfähigkeit des Standortes Deutschland müssen die Anstrengungen seitens der Politik in Bund und Ländern deutlich verstärkt werden. Dazu gehören nicht nur die verlässliche Finanzierung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und der Alexander von Humboldt-Stiftung, deren Arbeit für die hochschulische Internationalisierung von zentraler Bedeutung ist, sondern auch die Absicherung studentischen Wohnraums, vor allem in städtischen Ballungszentren. Gleichzeitig sollten bestehende und neue Daueraufgaben an den Hochschulen, z. B. in der Vorbereitung und Begleitung internationaler Studierender, der Integration geflüchteter Studierender sowie der Sprachausbildung und -förderung dieser Zielgruppen, dauerhaft finanziell unterlegt werden. Nur nachhaltig finanzierte und autonome Hochschulen werden in der Lage sein, ihren Internationalisierungsprozess langfristig erfolgreich zu gestalten und somit einen Beitrag zur wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Weiterentwicklung des Standortes Deutschland zu leisten.

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[1] Laut OECD hatte fast jede vierte Fachkraft in Deutschland, die im Jahr 2019 einen auf Dauer ausgerichteten Aufenthaltstitel für Erwerbs-zwecke erhielt, vorher einen Aufenthaltstitel zu Studienzwecken. Die Zahlen liegen in einigen Ländern z. T. noch deutlich höher. „Transition from study permits accounted for a large share of total admissions for work in 2019, especially in France (52%), Italy (46%) and Japan (37%).” Quelle: OECD International Migration Outlook 2022, chapter 7: Elisabeth Kamm and Thomas Liebig, Retention and economic impact of interna-tional students in the OECD. Grundsätzlich ist mit Blick auf die internationale Dimension der Fachkräftesicherung nicht allein die Gewinnung internationaler Studierender in den Blick zu nehmen, sondern auch eine verbesserte Durchlässigkeit im Sinne einer erleichterten Anerkennung und Anrechnung ausländischer Kompetenzen (z. B. Berufsqualifikationen in sozialen, medizinischen oder klinischen Bereichen).
[2] 41 % der internationalen Bachelorstudierenden und 28 % der internationalen Masterstudierenden beenden ihr Studium ohne einen Abschluss. Die Zahlen liegen somit deutlich über den Abbruchquoten deutscher Studierender (28 % im Bachelorstudium; 21 % im Master-studium). Ulrich Heublein et al., Die Entwicklung der Studienabbruch-quoten in Deutschland, DZHW Brief 05/2022, S. 5 ff.
[3] Mit Blick auf mögliche Maßnahmen ist auch auf die Empfehlungen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes zu verweisen (Positions-papier „Internationale Studierende als Fachkräfte von morgen“, März 2023).
[4] Bremen, Brandenburg, Hessen, NRW, Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
[5] Bremen, Brandenburg, NRW und Saarland.
[6] Beispielhaft seien die Programme „Studieneinstieg für internationale Studierende (ESiST)“ des Landes Brandenburg und „Studienstart International Plus“ der Universität zu Köln genannt.
[7] Das Programm bietet internationalen Studieninteressierten die Möglichkeit, sich im Heimatland auf ein MINT-Studium in Deutschland vorzubereiten und dort nach dieser Vorbereitungsphase sowohl die Feststellungsprüfung als auch den Studieneignungstest TestAS zu absolvieren.
[8] Beispielhaft seien das jüngst gestartete DAAD-Programm FIT genannt sowie auch frühere Initiativen wie „Study and Work“ (Stifterverband / Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer).
[9] Vgl. HRK ADVANCE, Verbesserte Rahmenbedingungen zur Teilnahme internationaler Studierender an virtuellen Studienanteilen. Handreichung. Bonn, 2023.
[10] Empfehlung der 11. Mitgliederversammlung der HRK am 22.11.2011 Sprachenpolitik an deutschen Hochschulen.
[11] So hat sich auch die Zahl englischsprachiger Studiengänge in den vergangenen Jahren deutlich erhöht, aktuell liegt sie bei 3,1% im Bachelorbereich und 15,3% im Masterbereich (eigene Berechnung).
[12] Stand 1. Quartal 2024.