Entschließung des HRK-Senats vom 8.6.2021
I. Einleitung
Die Digitalisierung der Hochschulen hat durch die Corona-Pandemie erheblichen Schub erfahren: In manchen Hochschulen mussten tausende Lehrveranstaltungen in digitale Formate überführt und parallel übertragen werden. Dabei haben sich die Hochschulangehörigen kurzfristig und mit außerordentlichem Engagement den Herausforderungen der Digitalisierung gestellt. Viele Länder haben diese Kraftanstrengungen durch Sofort-Programme unterstützt, einzelne Länder durch überjährige Programme. Durch diese Impulse sind sowohl erhebliche Zuwächse an persönlicher Digitalisierungsexpertise zu verzeichnen als auch wichtige Ansatzpunkte für die Verbesserung der digitalen Infrastrukturen identifiziert und adressiert worden.
Entsprechend dieser Erfahrungen gilt es, das Momentum eines großen Umsetzungsdranges[1] zu nutzen und nach der Rückkehr zur Präsenzhochschule die Lehre besser und zeitgemäßer zu gestalten. Die Weiterentwicklung von digitalen Lehranteilen dient damit der Innovation und der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Hochschulen. Dazu bedarf es einer von Bund und Länder geschlossenen Übereinkunft, etwa in Form eines Programmes für digitale Lehrinfrastrukturen oder anderer geeigneter Mechanismen.
Auf der Grundlage der Entschließung des HRK-Senats „Gute Rahmenbedingungen für Studium und Lehre“[2] entwickelt dieses Papier Eckpunkte für eine entsprechende Übereinkunft. Besonders berücksichtigt wird dabei der erforderliche Personalbedarf: Es werden nicht nur spezialisiertes IT-Personal, sondern auch konzeptionell arbeitende Fachleute für Mediendidaktik und Studienganggestaltung benötigt, ebenso die entsprechende Fort- und Weiterbildung.
Das Papier besteht im ersten Teil aus einer Entschließung zu einer Übereinkunft von Bund und Ländern zur Förderung digitaler Lehrinfrastrukturen und in einem zweiten Teil aus einer Herleitung, Zuordnung und technischen Erläuterung des Bedarfs.
II. Entschließung
Die HRK fordert Bund und Länder auf, die Weiterentwicklung hochschulischer digitaler Lehrinfrastrukturen im Rahmen einer Übereinkunft dauerhaft zu fördern. Für die konkreten Bedarfe zur weiteren Digitalisierung der Hochschullehre können Eckwerte für anteilige Kosten benannt werden. Grundlage dieser Kalkulation ist die Übernahme des Konzeptes einer Digitalisierungspauschale des von der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) vorgelegten Gutachtens aus dem Jahr 2019. Diese Pauschaule ist mit jährlich 92 Euro pro Studierenden bzw. Studierende beziffert worden[3], so dass bei gut 2,9 Millionen Studierenden ein Gesamtbetrag von rund 270 Millionen Euro jährlich entsteht.
Im Rahmen der entsprechenden Übereinkunft fordert die HRK einen Sockelbetrag von rund 140.000 Euro für jede der 390 Hochschulen. Dieser Sockelbetrag dient unabhängig von der Größe der Hochschulen der Schaffung von Grundvoraussetzungen für die Digitalisierung der Hochschullehre. Er soll sowohl die dezentralen Hochschulstandorte stärken als auch die Kooperationsfähigkeit mit anderen Hochschulen verbessern. Die Summe der Sockelbeträge beläuft sich auf 20 Prozent des Gesamtvolumens.
Die verbleibenden 80 Prozent, rund 220 Millionen Euro, sollen je nach Hochschulgröße gemäß der Anzahl der Studierenden verteilt werden. Es wird aufgrund von hochschulübergreifenden Erfahrungswerten davon ausgegangen, dass sich die Kosten zu 40 Prozent auf die Lehre, zu 30 Prozent auf die Dienste und zu 30 Prozent auf die abgeleitete Infrastruktur verteilen. Im Einzelnen bedeutet dies:
Tabelle: Errechnung des Gesamtvolumens und Verteilung auf die Hochschulbereiche (.png)
III. Herleitung, Zuordnung und technische Erläuterung des Bedarfs
1. Status Quo
Der Status Quo der Digitalisierung der Hochschulen wird durch zahlreiche Studien belegt, von denen hier die wichtigsten genannt werden. Darüber hinaus wird der Status Quo naturgemäß in den Hochschulen diskutiert.
Bereits vor der Corona-Pandemie hat 2019 die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) festgestellt, dass die Hochschulen der Digitalisierung eine sehr hohe Bedeutung beimessen, Digitalisierungsprozesse aber u. a. wegen steigender Komplexität und struktureller Unterfinanzierung erschwert sind. Im Gegensatz zur Forschung sieht EFI bei Lehre und Diensten großen Handlungsbedarf. EFI unterstreicht, dass die Digitalisierung des strukturell unterfinanzierten deutschen Hochschulsystems eine Daueraufgabe ist, die einer nachhaltigen Finanzierung bedarf. Entsprechend wird an die Bildungs- und Hochschulpolitik die Empfehlung gerichtet, die Hochschulen durch die Einführung einer Digitalisierungspauschale zu unterstützen.[4]
Ebenfalls unabhängig von der Corona-Pandemie hat der Rat für Informationsinfrastrukturen (RfII) 2019 in seinem Empfehlungspapier zu digitalen Kompetenzen den Arbeitsmarkt Wissenschaft in den Mittelpunkt gestellt. Grundsätzlich wird festgestellt, dass in der öffentlich getragenen Wissenschaft durch den digitalen Wandel in Gänze betrachtet keine Personalkapazitäten frei werden. Der RfII fordert zentrale Infrastrukturbereiche auf, vermehrt wissenschaftlich qualifiziertes Personal zu beschäftigen, um die Qualität der Services weiter zu erhöhen. Problematisiert wird auch die Abhängigkeit von hochschulexternen, oft monopolartigen Dienstleistungen. Schließlich werden flächendeckende Tarifregelungen für wissenschaftsunterstützende Bereiche gefordert, die angesichts der Konkurrenz zur freien Wirtschaft eine Beschäftigung von spezialisiertem Digital-Personal ermöglichen.[5] Dies kann durch eine stärkere Berücksichtigung der Forschungsnähe dieses Servicepersonals erreicht werden.
2020 haben die studentischen Digital Change Maker im Rahmen des Hochschulforums Digitalisierung (HFD) die Ergebnisse einer Studierendenbefragung veröffentlicht, die vor der Corona-Pandemie durchgeführt wurde. Danach bewerten die Studierenden die Digitalisierung fast aller für die Organisation von Studium und Lehre relevanten Prozesse mehrheitlich als wichtig. Beachtenswert ist, dass eine deutliche Mehrheit der Studierenden wünscht, für Studienzwecke nicht auf private Dienste zurückgreifen zu müssen. Dementsprechend messen fast alle Studierenden dem Schutz persönlicher Daten eine hohe Bedeutung bei.[6]
Das digitale Sommersemester 2020 war Untersuchungsgegenstand verschiedener Befragungen und Untersuchungen. Dazu gehört eine Befragung von Expertinnen und Experten, die HIS-HE in Kooperation mit dem HFD durchgeführt und 2020 veröffentlicht hat. Im Hinblick auf Studierende wird ein Ausbau der kommunikativen, fachlichen, technischen und sozialen Unterstützungsdienste empfohlen. Die Lehrenden und Mitarbeitenden von Supporteinrichtungen benötigen vor allem eine Verbesserung der Rahmenbedingungen in konzeptioneller, rechtlicher und personeller Hinsicht. Den Hochschulen wird abschließend eine erhöhte Widerstandsfähigkeit und Agilität zugesprochen, auf deren Grundlage die Entwicklung einer künftigen „Blended University“ möglich erscheint.[7]
Darüber hinaus wurden während der Corona-Pandemie diverse kleinere Studien und Einzelberichte veröffentlicht. Aufgrund einer Studierendenbefragung der Universität Hildesheim wird empfohlen, die Infrastruktur an Hochschulen digital und analog zu erweitern sowie Beratungsdienstleistungen auszubauen. Für diese Beratungsdienste, die sowohl technische als auch psychosoziale und Studienberatungen betreffen, werden mehr personelle Kapazitäten gefordert.[8] Weitere Einzelberichte kritisieren das „Emergency Remote Teaching“[9], heben die Bedeutung von Spielregeln für Online-Veranstaltungen hervor[10], weisen darauf hin, dass selbst Digital Natives nicht flächendeckend mit leistungsfähigen Endgeräten ausgestattet sind[11], verweisen auf die neue Rolle von (digitaler) Präsenz[12] und skizzieren die sprunghafte Erweiterung der Lehrkonzeptionen durch eine forschungsbasierte, strukturell gestützte Nutzung der digitalen Möglichkeiten[13].
2. Die Rahmenbedingungen der Digitalisierung an Hochschulen
Unabhängig von der Corona-Pandemie hatten die Hochschulen im Rahmen einer allgemeinen digitalen Transformation bereits Prozesse angestoßen sowie Expertise und infrastrukturelle Grundlagen geschaffen. Obwohl die Pandemie gezeigt hat, dass die Bereitschaft, sich den digitalen Herausforderungen zu stellen, bei Studierenden und Lehrenden groß ist, wurde ebenso deutlich, dass die Rahmenbedingungen für die weitere dynamische Weiterentwicklung der digitalen Lehre noch nicht vorhanden sind.
Die vorstehenden Studien und die konkreten Erfahrungen aus der Corona-Pandemie zeigen, dass in der aktuellen Phase bei der Digitalisierung der Hochschulen vor allem in den Bereichen Lehre, Dienste und Infrastruktur Handlungsbedarf besteht. Naturgemäß überlappen sich diese Bereiche. Dem Bereich Lehre kann individuelle digitale Souveränität (Digital Literacy), dem Bereich Dienste die Forderung nach institutioneller digitaler Souveränität und dem Bereich Infrastruktur die Informationssicherheit zugeordnet werden. Hinzu kommen noch übergreifende Aspekte wie Weiterbildung, Veränderungsprozesse, Personal, Sachmittel sowie Governance und Kultur.
Diese Bereiche können zwar analytisch unterschieden werden, sind faktisch jedoch stark miteinander verflochten. Digitalisierung in jedem dieser Bereiche erfordert konzeptionelle, organisatorische und technische Ressourcen. Umfassende Konzeptionalisierungs- und Umsetzungsprozesse sowie der nachhaltige Betrieb erfordern jedenfalls zusätzliches Personal.
Neben den für die Digitalisierung erforderlichen Ressourcen sind auch die rechtlichen Rahmenbedingungen von großer Bedeutung. Bund und Länder sind aufgefordert, qualifikationsgerechte Tarifstrukturen, angemessene Deputatsregelungen und Curricularnormwerte, Rechtssicherheit für digitale Prüfungen, angemessene Regelungen für den Datenschutz sowie ein wissenschaftsfreundlicheres Urheberrecht zu schaffen.
Dies zeigt, dass die Digitalisierung der Hochschulen mehr ist als eine bloße Verbesserung der IT-Infrastruktur. Digitalisierung geht deshalb über reine Technologie hinaus und ist ebenso ein Aspekt des Komplexitätsmanagements und ein kulturelles Format für Veränderungen. Hochschulen sind dabei auch Treiber der Digitalisierung im gesellschaftlichen Kontext. Dies bezieht sich naturgemäß auf Bildungs-, Forschungs- und Innovationsprozesse, aber auch auf neue Berufsbilder und Kooperationsmodelle.
Gerade angesichts der für die Digitalisierung notwendigen zusätzlichen Ressourcen ist Kooperation stets als potenzielles Instrument zu berücksichtigen. Dies gilt zunächst für die Zusammenarbeit der hochschulinternen Fachbereiche bzw. Fakultäten bei Kommunikationsdiensten, Supportstrukturen oder übergreifenden Campus-Management-Systemen. Aber auch hochschulübergreifend können z.B. durch Plattformen für digitale Lehre, kooperative Task Forces für Informationssicherheit oder die gemeinsame Entwicklung von Software und Informationsdiensten im Sinne von digitaler Souveränität Mehrwerte erzielt werden.
Diese interdependenten Faktoren der Digitalisierung an Hochschulen werden in der folgenden Benennung von konkreten Bedarfen so weit wie möglich berücksichtigt. Im Zentrum stehen dabei das digitale Studieren und Lehren sowie daraus abgeleitet die lehrunterstützenden Dienste und die entsprechende Infrastruktur, wobei sich die drei Bereiche zum Teil überlappen.
3. Konkreter Bedarf
a. Digitales Lernen und Lehren
Aufgrund der Erfahrungen aus der Corona-Pandemie kommen bei der Rückkehr zur Präsenzhochschule folgende Ansätze für digitales Studieren und Lehren in Betracht: Als Add-On zur Lehre in physischer Präsenz, als asynchrone oder synchrone digitale Lehre, im Rahmen von hybriden Lehrformaten oder als phasenweiser Formatwechsel im Sinne von Blended Learning. Wie die Zeit vor und während der Pandemie gezeigt hat, muss das Verhältnis von Präsenz- sowie digitalen Lehrformen und Studienstrukturen jederzeit flexibel justierbar sein. Dazu bedarf es eines vielseitigen Instrumentariums und ständig verfügbarer Supportstrukturen.
Zu den Instrumenten gehört z.B. die nutzungs- und anwendungsorientierte Weiterentwicklung von interaktiven Lernumgebungen und der Lern- und Campusmanagementsysteme, die Bereitstellung elektronischer Lehrbücher sowie Lizenzen für die entsprechende Software. Damit das Lernkonzept des „flipped“ oder „inverted classroom“ eine niedrigschwellige Option ist, bedarf es sowohl didaktischer Unterstützung als auch technischen Equipments. Zur unmittelbar für die digitale Lehre notwendigen technischen Ausstattung gehören der Ausbau lokaler Hörsäle bzw. die Schaffung von Studios für Aufzeichnung und Videokommunikation, Kameras, digitale Whiteboards, Notebooks, Lizenzen für Autorensysteme zur Erstellung von Lehr- und Lernsoftware sowie die Entwicklung von Schnittstellen zwischen den eingesetzten Plattformen. Zusätzlich können vor allem in technisch-naturwissenschaftlichen Studienbereichen Makerspaces[14] und Reallabore[15] eingerichtet werden. Generell erfordert die Digitalisierung die Schaffung neuer medialer Arbeitsplätze und Lernräume. Dies ist beim Hochschulbau zu berücksichtigen.
Eine konzeptionelle Erweiterung digitaler Lernmedien stellen Open Educational Resources dar, die kooperative Entwicklungsprozesse voraussetzen und damit das Lernen spezifizieren und dynamisieren können.[16] In erfolgversprechenden Konstellationen können Ressourcen für Micro-Degrees und Badges[17] sowie MOOCs[18] eingesetzt werden. Wegen des hohen Ressourcenaufwandes sind hier fächer- und hochschulübergreifende Kooperationen von Bedeutung.
Mehrwerte der Digitalisierung kommen im gesamten Student-Life-Cycle zum Tragen: Beim Übergang Schule-Hochschule können im Rahmen von Bewerbungs- und Zulassungsverfahren digitale Informationsportale und E-Assessments bzw. Fernprüfungen eingesetzt werden. Ähnliches gilt für die Förderung von Mobilität und Internationalisierung. Digitale Lehre ermöglicht die Überwindung von Distanzen, Sprachbarrieren, Zeitgebundenheit und Heterogenität in internationalen Lehrkooperationen. In diesem Zusammenhang muss auch für die entsprechenden digitalen Prozesse und Plattformen für Leistungs- und Moduldatenaustausch Sorge getragen werden. Insgesamt gilt, dass die Studierenden eine umfassende Digitalisierung der Studienservices erwarten. Dies bezieht sich u. a. auf Stunden- und Raumpläne, Lehrmittelbestellungen, An- und Abmeldungen zum Semester, zur Sprechstunde und zur Prüfung, Mitteilung von Prüfungsergebnissen sowie die Anforderung und den Erhalt von Bescheinigungen.[19] Dies zeigt, dass auch die Verwaltungsprozesse weiter digitalisiert werden müssen.[20]
Unabdingbar für den Einsatz digitaler Formate sind Supportstrukturen für sowohl Studierende als auch Lehrende. Studierende und Lehrende benötigen sowohl methodisch-didaktische und fachliche Unterstützung als auch einen idealerweise allzeit verfügbaren technischen Support. Dieser Support kann im Kontext von Medienzentren, Zentren für Hochschuldidaktik, Bibliotheken oder studentischer Selbstverwaltung angesiedelt sein. Dort können auch Weiterbildungsmaßnahmen angeboten werden. Bei der Verortung dieser Supportstrukturen müssen die Mehrwerte einerseits von ressourcensparenden übergreifenden Kooperationen und andererseits von dezentraler Betreuungsnähe berücksichtigt werden. Das für eine Weiterentwicklung des Supports erforderliche zusätzliche Personal sollte wissenschaftlich bzw. wissenschaftsnah qualifiziert sein und im Sinne einer leistungsfähigen und stabilen Support¬struktur in moderatem Umfang Qualifikationsstellen erhalten.[21]
b. Lehrunterstützende digitale Dienste
Für die Digitalisierung der Hochschulen ist ein weiterer Ausbau der digitalen Dienste erforderlich. Hier kann unterschieden werden nach digitalen generischen IT-Diensten, digitalen wissenschaftlichen Diensten sowie Cloud Services.[22] Wie bei der digitalen Lehre ist auch der Aufbau von Personal für den Betrieb sowie die Pflege und Weiterentwicklung oder die Dienstleistersteuerung erforderlich. Bei allen Diensten sollte auch die Schaffung ausfallsicherer Fallback-Strukturen mitbedacht werden.
Die für die digitale Lehre besonders bedeutsamen digitalen generischen IT-Dienste müssen ausgebaut werden. Diese beziehen sich zunächst auf das Übertragen, Speichern, Verarbeiten, Teilen sowie auf das Archivieren und Auffinden von Daten. Für kollaborative Arbeiten sind Sync&Share-Dienste samt webbasierter Office-Tools, die gemeinsame Texterstellung in Echtzeit ermöglichen, essenziell. Unverzichtbar ist Remote Access sowie die Möglichkeit, proprietäre Systeme auch auf dem Campus nutzen zu können (Bring Your Own Device). Weitere Dienste sind integrierte Kommunikationskanäle für Videokonferenzen, Instant Messaging Tools sowie interaktive Webseiten bzw. Foren.[23] In diesem Zusammenhang müssen auch die Dienste zur Authentifizierung und Autorisierung[24] weiter ausgebaut werden.
Bisher dominieren bei allen diesen Diensten kommerzielle Web-Angebote, so dass die Herausforderung darin besteht, die insbesondere von Studierenden geforderte institutionelle digitale Souveränität durch hochschulnahe Dienste herzustellen. Die Entwicklung, Förderung und Bereitstellung dieser Dienste sollte so weit wie möglich ressourcenschonend, d. h. hochschulübergreifend, erfolgen. Denkbar sind in diesem Zusammenhang auch gemeinschaftliche Angebote oder Plattformen bzw. die Einbeziehung von Dienstleistern unter Wahrung der Compliance-Anforderungen.
Der Ausbau von digitalen wissenschaftlichen Diensten, die Umgebungen, Werkzeuge und Lösungskomponenten für das wissenschaftliche Arbeiten zur Verfügung stellen, bezieht sich vor allem auf Forschungsprozesse[25], ist aber für Studierende mit Blick auf Abschlussarbeiten und für Lehrende aufgrund der Einheit von Forschung und Lehre ebenfalls relevant.
Im Sinne der Etablierung von kooperativen Dienststrukturen sollte auch der Ansatz des „Cloud Service“ zur Selbstversorgung weiterverfolgt werden, einen allzeit verfügbaren Zugang zu gemeinsamen Pools von konfigurierbaren Ressourcen und IT-Diensten zu gewährleisten. Eine solche Bereitstellung über das Internet ermöglicht eine skalierbare und flexible IT-Ressourcennutzung.[26]
c. Lehrunterstützende digitale Infrastruktur
Der Bedarf für digitale Lehre und digitale Dienste ist mit abgeleiteten Erfordernissen für die digitale Infrastruktur verbunden, die wiederum auf zusätzliche Mittel für Personal, Sachmittel und Investitionen angewiesen ist.
Bei der unmittelbaren Informationsinfrastruktur geht es darum, das bestehende Angebot (eBooks, eJournals, Datenbanken, Software, Tutorials und Tools zum lehrveranstaltungsbegleitenden Selbststudium) deutlich auszuweiten. Hier bietet sich vielfach eine gemeinschaftliche Lizenzierung über die regionalen Konsortien der Bibliotheken an.
Die Weiterentwicklung auch des Kontextes der digitalen Lehre bezieht sich ebenfalls auf eine flächendeckende lokale WLAN-Versorgung auf dem Campus, wie sie inzwischen von allen Studierenden erwartet wird. In diesem Zusammenhang ist auch eine durchgehende Erhöhung der Bandbreiten erforderlich, um mehr Heimarbeit, höhere Nutzungszahlen und nicht zuletzt größere Datenmengen zu ermöglichen. Dies erfordert leistungsfähigere Netzwerk-Backbones sowie zusätzliche gesteigerte Firewall-, Router- und Switching-Kapazitäten.
Auch die digitalen Dienste sind auf eine Verbesserung der digitalen Infrastrukturen angewiesen. Benötigt wird eine leistungsfähige und hochverfügbare Server- und Speicherinfrastruktur. Virtuelle Services sind für die höheren Nutzungszahlen zu skalieren. Hinzu kommen Sachmittel z. B. in Form von Lizenzen und Personalmittel für den Betrieb sowie die Pflege- und Weiterentwicklung. Diese Ressourcen werden ebenfalls für die Umsetzung von Cloud-Strategien bzw. Cloud-Services benötigt.
Da digitale Infrastruktur zunehmend konkreten Gefahren und Risiken z. T. in Form von professionellen Cyber-Angriffen ausgesetzt ist, kommt der Verbesserung der Informationssicherheit im Sinne von „Cyber-Resilienz“ eine immer größere Bedeutung zu. Informationssicherheit erfordert u. a. die Etablierung von Informationssicherheitskonzepten, Maßnahmen zur Awareness und die Bildung von Computer-Emergency Response Teams (CERT). Die Verbesserung von Informationssicherheit ist eine große Herausforderung und kann in der Regel nur kooperativ, d. h. hochschulübergreifend angegangen werden. Aber auch für die jeweiligen Anteile der Kooperationen bedarf es vor allem zusätzlichen Personals.[27]
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[1] Jäckel, Michael: „Im Wartestand“, in: DUZ Magazin 02/2021 vom 19. Februar 2021, www.duz.de/beitrag/!/id/1013/im-wartestand.
[2] Entschließung des Senats der HRK am 16. März 2021: „Gute Rahmenbedingungen für Studium und Lehre“, www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/gute-rahmenbedingungen-fuer-studium-und-lehre/.
[3] „Die Höhe der Pauschale beziffert EFI-Gutachter Uwe Cantner, VWL-Professor an der Uni Jena, auf 92 Euro pro Kopf und Jahr. Bei 2,8 Millionen Studierenden hieße das: Die Hochschulen würden 260 Millionen Euro pro Jahr (…) erhalten.“ In: Tagesspiegel vom 15. März 2019, www.tagesspiegel.de/wissen/digitalisierung-auch-die-lehre-an-unis-soll-digitaler-werden/24105322.html.
[4] Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI), 2019, S. 94,104, www.e-fi.de/fileadmin/Inhaltskapitel_2019/EFI_Gutacten_2019_B4.pdf.
[5] RfII – Rat für Informationsinfrastrukturen: Digitale Kompetenzen - dringend gesucht! Empfehlungen zu Berufs- und Ausbildungsperspektiven für den Arbeitsmarkt Wissenschaft, Göttingen 2019, S. 4, 8, 12ff, 18f, 20, 24, 27, 28f,
www.rfii.de/download/digitale-kompetenzen-dringend-gesucht/.
[6] Weisflog, W., Böckel, A. (2020). Ein studentischer Blick auf den Digital Turn – Auswertung einer bundesweiten Befragung von Studierenden für Studierende. Arbeitspapier Nr. 54. Berlin: Hochschulforum Digitalisierung, S. 7, 20, 22, hochschulforumdigitalisierung.de/sites/default/files/dateien/HFD_AP_54_Studierendenbefragung.pdf.
[7] Funda Seyfeli, Laura Elsner, Dr. Klaus Wannemacher: Vom Corona Shutdown zur Blended University? ExpertInnenbefragung Digitales Sommersemester, 2020, S. 88ff, www.tectum-elibrary.de/10.5771/9783828876484.pdf.
[8] Anna Traus, Katharina Höffken, Severine Thomas, Katharina Mangold, Wolfgang Schröer: Stu.diCo. – Studieren digital in Zeiten von Corona, Erste Ergebnisse der bundesweiten Studie Stu.diCo., Universitätsverlag Hildesheim, 2020, S. 36, hildok.bsz-bw.de/frontdoor/index/index/docId/1157.
[9] Jürgen Handke: Asynchrone Wissensvermittlung – nicht nur in Corona-Zeiten, in: Ullrich Dittler, Christian Kreidl (Hrsg.): Wie Corona die Hochschullehre verändert, 2021, S. 398.
[10] Michael Mair: Lehren aus dem Sommersemester 2020 der FHWien der KKW, in: Ebenda, S. 217.
[11] Gerhard Schneider: Von 0 auf 10 in 25 Jahren und von 10 auf 100 in zwei Wochen: E-Learning an der Universität Freiburg, in: Ebenda, S. 153.
[12] Siehe etwa Götz Fabry: Die Lehre im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit. Wozu brauchen wir Präsenz? In: Stanisavlejic, Marija, Tremp, Petert (Hrsg.): (Digitale) Präsenz – Ein Rundumblick auf das soziale Phänomen Lehre, 2020,. Luzern: Pädagogische Hochschule Luzern, doi.org/10.5281/ zenodo.4291793, S. 37-40, sowie Alexa Maria Kurz: (Online-)Präsenz als Schlüsselkompetenz, Ebenda, S. 61-63.
[13] Sönke Knutzen: Hochschullehre in einer digitalen Welt – eine Skizze, in: Antje Mansbrügge (Hrsg.): Lernen im Hochschulzusammenhang, Hamburg 2020, S. 95-105.
[14] Makerspaces sind offen zugängliche High-Tech-Werkstätten mit Zugang zu aktuellen Maschinen, Werkzeugen und Software, www.unternehmertum.de/angebot/makerspace.
[15] Reallabore sind eine neue Form der Kooperation zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft, bei der das gegenseitige Lernen in einem experimentellen Umfeld im Vordergrund steht, de.wikipedia.org/wiki/Reallabor, www.uni-ulm.de/mawi/reallabor/.
[16] Senatsbeschluss zu Open Educational Resources (OER), Beschluss des 132. Senates der HRK am 15. März 2016 in Berlin, www.hrk.de/fileadmin/_migrated/content_uploads/Beschluss_HRK-Senat_zu_OER_15032016.pdf.
[17] Micro-Degrees und Badges als Formate digitaler Zusatzqualifikation, Empfehlung der 29. Mitgliederversammlung der HRK am 24. November 2020, www.hrk.de/fileadmin/redaktion/hrk/02-Dokumente/02-01-Beschluesse /Empfehlung_Micro Degrees_und_Badges_HRK_MV_24112020.pdf.
[18] Potenziale und Probleme von MOOCs. Eine Einordnung im Kontext der digitalen Lehre, Beiträge zur Hochschulpolitik 2/2014, Hrsg. HRK, Bonn, Juni 2014,
www.hrk.de/uploads/media/2014-07-17_Endversion_MOOCs.pdf.
[19] Vorstehendes bezieht sich nur auf die rein innerhochschulischen Verwaltungsprozesse. Zudem besteht ein Bedarf von Standardisierung beim Austausch mit Landesprüfungsämtern (Staatsexamen), bei der BAföG-Beantragung oder bei hochschulübergreifenden Verwaltungsprozessen (etwa, wenn ein Lehramtsstudent ein Fach an einer Kunst-/Musikhochschule und ein weiteres an einer Volluniversität studiert).
[20] Für die Verwaltungen sind z.B. digitale Dokumentenmanagementsysteme und eine elektronische Rechnungsverarbeitung relevant. Besonderer Handlungsbedarf besteht aufgrund der Anforderungen des Onlinezugangsgesetzes (OZG).
[21] RfII – Rat für Informationsinfrastrukturen: Digitale Kompetenzen, S. 19, 27.
[22] Konrad, Uwe; Förstner, Konrad; Reetz, Johannes; Wannemacher, Klaus; Kett, Jürgen; Mannseicher, Florian (2020): Positionspapier Digitale Dienste für die Wissenschaft, S. 7, doi.org/10.5281/zenodo.4301924.
[23] Ebenda, S. 12.
[24] So der Dienst „DFN-AAI“, dessen Anwendungen Videokonferenz Service, Zugriffe auf Nationallizenzen der DFG und andere Plattformen sind. Vgl. ebenda, S. 11.
[25] Dies bezieht sich u.a. auf Dienste für kollaboratives Arbeiten und domänenspezifische Wissenschaftsdienste. Vgl. Ebenda, S. 12f.
[26] Ebenda, S. 7.
[27] Vgl. Informationssicherheit als strategische Aufgabe der Hochschulleitung, Empfehlung der 25. HRK-Mitgliederversammlung vom 6. November 2018, www.hrk.de/positionen/beschluss/detail/informationssicherheit-als-strategische-aufgabe-der-hochschulleitung/.