vom 188. Plenum am 5. Juli 1999 zur Kenntnis genommen und zur Weiterleitung an die Hochschulen empfohlen
Das Hochschulrahmengesetz sieht für das Allgemeine Auswahlverfahren die Beteiligung der Hochschulen bei der Auswahl von Studienbewerberinnen und -bewerbern in zulassungsbeschränkten Studiengängen vor (§ 32 Abs. 3 Ziff. 2 lit. b HRG). Die Hochschulen vergeben einen Teil der Studienplätze in eigener Entscheidung gemäß Grad der Qualifikation nach § 27 HRG (Abiturdurchschnitt), aufgrund eines Auswahlgesprächs, nach Art einer Berufsausbildung oder -qualifikation vor oder nach dem Abitur oder aufgrund einer Kombination dieser Kriterien.
Für diejenigen Fakultäten und Fachbereiche, die Auswahlgespräche durchführen wollen, werden im folgenden Handreichungen zu ihrer Durchführung formuliert. Sie knüpfen in Inhalt und Form und unter Berücksichtigung aktueller Erfahrungen mit Auswahlgesprächen im Rahmen lokaler Zulassungsverfahren, z.B. in Baden-Württemberg, an den "Vorschlag für Handreichungen zur Durchführung des Auswahlgespräches an den wissenschaftlichen Hochschulen im Zulassungsverfahren zu den medizinischen Studiengängen" der 146. Plenarversammlung der WRK vom 1./2. Juli 1985 an.
1. Zielsetzung von Auswahlgesprächen
Das Auswahlgespräch stellt eine subjektiv-individuelle Ergänzung zu dem ansonsten schematischen Massenzulassungsverfahren nach Abiturdurchschnitt bzw. Wartezeit dar. Es bietet den Studienbewerberinnen und -bewerbern die Möglichkeit, ihre (studien- und berufsbezogene) Individualität zur Geltung zu bringen; d.h. sich selbst zu präsentieren, ihren Lebensweg zu beschreiben und sich über ihre Studien- und Berufsziele zu äußern.
Für die am Auswahlgespräch beteiligten Hochschullehrerinnen und -lehrern eröffnet sich die Chance, mittels Berücksichtigung individueller Lebensumstände und Einzelschicksale sowie bisheriger Aktivitäten und Leistungen, einschließlich ggf. erkennbarer kompensatorischer Fähigkeiten der Bewerberinnen und Bewerber die Schwerpunkte der Beurteilung anders als bei den übrigen Zulassungskriterien des Hauptverfahrens zu setzen.
An den Hochschulverfahren teilnehmen wird allerdings nur ein relativ homogenes Feld von Bewerberinnen und Bewerber mittleren Schulleistungsniveaus, die nicht bereits vorab aufgrund sehr guter Abiturleistungen oder langer Wartezeiten über die anderen Quoten zugelassen worden sind (vgl. Rechtsvorgaben in der Anlage, Ziff. 2).
2. Durchführung von Auswahlgesprächen
2.1. Die Einladung zum Auswahlgespräch erfolgt durch die Hochschule nach Maßgabe der Vorauswahl durch die ZVS. Sicher zu stellen ist, dass die Studienbewerberinnen und -bewerber ihre Interviewerinnen und Interviewer erst am Tage des Auswahlgesprächs kennenlernen. Werden mehrere Auswahlkommissionen für einen Studiengang eingesetzt, erfolgt die Zuteilung der Bewerberinnen und Bewerber in einem anonymisierten Verfahren.
2.2. Je nach Gesamtzahl der zu berücksichtigenden Studienbewerberinnen und -bewerber werden die Auswahlgespräche in jedem Studiengang von einer oder mehreren Auswahlkommission(en), die auf Vorschlag der betroffenen Fakultäten bzw. Fachbereiche von dem Rektor/Präsident oder der Rektorin/Präsidentin eingesetzt werden, durchgeführt.
Mitglieder der Auswahlkommission(en) sind Angehörige der Gruppe der Professorinnen und Professoren (vgl. § 18 Abs. 2 VergabeV0 ZVS Entwurf; nach gängiger Rechtssprechung zur Gruppenabgrenzung dürfen der Gruppe der Professoren die akademischen Lehrer zugerechnet werden, die aufgrund einer Habilitation oder eines sonstigen Qualifikationsnachweises mit der selbständigen Vertretung eines Faches in Forschung und Lehre betraut sind); von ihnen wird eine/einer zum/zur (Gesamt-)Vorsitzenden bestimmt. Eine Auswahlkommission besteht aus mindestens zwei Professorinnen oder Professoren, die über eine möglichst lange Lehr- und Prüfungserfahrung in dem jeweiligen Studiengang verfügen sollten. Die Hinzuziehung weiterer Personenkreise entsprechend landes- oder hochschulrechtlicher Ordnungen (z.B. Studierende, Fachstudienberatung) mit bloßem Zuhörer-Status ist - bei vorheriger Zustimmung der Bewerberin/des Bewerbers - denkbar. Für den Fall der Verhinderung eines Kommissionsmitglieds sind Vertretungsregelungen festzulegen.
2.3. Eine Auswahlkommission führt das Auswahlgespräch mit jeweils einem Bewerber/einer Bewerberin durch. Dieses Einzelgespräch sollte nicht weniger als 30 Minuten dauern. Jede Kommission sollte eine Mindestmenge von ca. 20-30 Auswahlgesprächen führen, um über die notwendigen Entscheidungsgrundlagen verfügen zu können. Über das Gespräch ist ein Protokoll zu führen, das Angaben über den Teilnehmer/die Teilnehmerin, über Zeitpunkt, Ort und Dauer des Auswahlgesprächs, über die angesprochenen Themenbereiche und einen Entscheidungsvorschlag enthält.
2.4. Bei der Bildung mehrerer Auswahlkommissionen pro Studiengang ist eine Abstimmung der Entscheidungen anzustreben. Dazu ist eine Gesamtkonferenz der Auswahlkommissionen zu bilden. In dieser abschließenden Konferenz wird entweder der gesamte Entscheidungsvorschlag erarbeitet oder werden nur die von den einzelnen Kommissionen als "Grenzfälle" bezeichneten Vorschläge erörtert.
2.5. Die endgültige Auswahlentscheidung trifft der Rektor/Präsident oder die Rektorin/Präsidentin (vgl. § 18 Abs. 2 VergabeVO ZVS Entwurf).
2.6. Die Fakultäten/Fachbereichen legen - ggf. zusammen mit dem Rektor/Präsidenten oder der Rektorin/Präsidentin - vor Beginn eines jeden Vergabeverfahrens die vorstehend angesprochenen Modalitäten der Durchführung der Auswahlgespräche verbindlich fest. Durchführungsbestimmungen bedürfen aufgrund ihres Charakters als bloße Verwaltungsvorschriften keiner formalen Veröffentlichung. Gleichwohl ist mit Rücksicht auf ihre Außenwirkung eine - zumindest hochschulinterne - Bekanntgabe geboten. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Auswahlgespräche ist auf Wunsch Einsicht in das zugehörige Gesprächsprotokoll, in die Auswahlordnung/-richtlinie sowie in die abschließende Reihung (ohne Angabe der Namen der Mitbewerber/innen) zu gestatten.
2.7. Die unterschiedliche Ausgestaltung der Auswahlverfahren an den einzelnen Hochschulen bedingt einen erhöhten Informationsbedarf der Studienbewerberinnen und -bewerber, der nicht allein durch die Angaben des "ZVS-Info" gedeckt werden kann. Es wird daher empfohlen, Informationsschriften mit ausführlichen Angaben zum eigenen Verfahren zu erstellen und diese den Bewerberinnen und Bewerbern sowohl gedruckt als auch im Internet zur Verfügung zu stellen. Eine Verknüpfung der entsprechenden Internetseiten im Rahmen des HRK-"Hochschulkompass" wird angestrebt.
3. Vorinformation über die Bewerber/innen
Insbesondere wegen der knappen Zeit, die für die Auswahlgespräche zur Verfügung steht, können den Interviewerinnen und Interviewern Vorinformationen über die Bewerberinnen und Bewerber nützlich sein, so dass die Gespräche nicht durch Informationsfragen (Faktenfragen) zusätzlich belastet werden.
Die das Auswahlgespräch führenden Professorinnen und Professoren sollten deshalb über Daten verfügen, die Auskunft über Status, Schulbildung, außerschulische Aktivitäten, berufliche Erfahrungen, konkrete Berufsziele u.ä. der Bewerberin/des Bewerbers geben. Dazu könnten die Bewerberinnen und Bewerber aufgefordert werden, definierte Unterlagen zum Gesprächstermin mitzubringen. Auch könnten die Hochschulen einen Fragebogen entwickeln, der den Bewerberinnen und Bewerbern mit der Einladung zum Auswahlgespräch zugesandt und von diesen ausgefüllt zurückgesandt oder zum Gesprächstermin mitgebracht wird.
4. Inhaltlicher Rahmen und Bewertungsrahmen des Auswahlgesprächs
Vorgaben für den inhaltlichen Rahmen eines Auswahlgesprächs verbieten sich. Von entscheidender Bedeutung ist vielmehr, dass die Hochschulen im Rahmen der von ihnen betriebenen Schwerpunktsetzung in Lehre und Forschung ein spezifisches Angebotsprofil entwickelt haben, für das ein ebenso spezifisches Nachfrager- bzw. Bewerberprofil definiert und dem Auswahlgespräch zugrunde gelegt werden kann.
Den Bewerberinnen und Bewerbern müssen im Auswahlgespräch ausreichend Chancen zur Selbstdarstellung eingeräumt und ihr Individualverhalten, ihre Eignung und Motivation für das gewählte Studium und den angestrebten Beruf bei der Bewertung berücksichtigt werden. Dabei erlaubt das Auswahlgespräch - im Gegensatz zu den anderen Zulassungsmöglichkeiten im Verfahren - ein gezieltes Nachfragen sowie eine ganzheitliche Beobachtung und Würdigung des Auftretens, Ausdrucks- und Sozialverhaltens in einer schwierigen Gesprächssituation.
Um Merkmale für die Motivation und Eignung der Bewerberinnen und Bewerber festzustellen, kommen für das Auswahlgespräch u.a. folgende Themenbereiche in Betracht: Berufsentscheidung; Studienmotivation (Vorstellungen über Studium und Beruf); schulische und außerschulische Interessen und Aktivitäten; berufliche und sonstige Tätigkeiten; Auseinandersetzung mit Anforderungssituationen.
Darüber hinaus soll im Auswahlgespräch das Verhalten der Bewerberinnen und Bewerber (z.B. Kommunikationsverhalten; Flexibilität im Eingehen auf wechselnde Gesprächsgegenstände; Fähigkeit, sich auf einen Gesprächspartner einzustellen; sprachliche Ausdrucksfähigkeit) beobachtet werden.
4.1. Die Mitglieder der Auswahlkommission(en) jedes Studiengangs stimmen - ggf. zusammen mit dem Rektor/Präsidenten oder der Rektorin/Präsidentin - die im Auswahlgespräch zu behandelnden Themenbereiche ab und legen die entsprechenden Auswahl-/Bewertungsmaßstäbe (z.B. Punkteskalen für jeden behandelten Themenbereich) fest. Ziel muss eine Strukturierung der Gesprächsführung und eine relativ hohe Einheitlichkeit der Bewertungsmaßstäbe je Studiengang sein.
4.2. Die Bewertung dient der Feststellung, welche Bewerberin oder welcher Bewerber von der Hochschule zugelassen werden soll. Die Personen, die im Rahmen der Hochschulquote nicht zugelassen werden, werden an den zentralen Nachrückverfahren der ZVS beteiligt. Dies kann dazu führen, dass Bewerberinnen oder Bewerber trotz gegenteiliger Entscheidung der Hochschule per ZVS-Nachrückverfahren dieser Hochschule dann doch zugewiesen werden.
4.3. Die Wertungen der Interviewerinnen und Interviewer müssen zusammengeführt und insbesondere im Bereich der Schnittstelle (Bewerber/in kann noch oder kann nicht mehr zugelassen werden) diskutiert werden. Der endgültige Entscheidungsvorschlag sollte nach Möglichkeit einstimmig, jedenfalls mit qualifizierter Mehrheit des vorschlagenden Gremiums erfolgen und durch Notizen begründet werden.
4.4. Die eigenverantwortlichen Entscheidungen der Universitäten können einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden. Die Erfahrungen in den medizinischen Studiengängen haben gezeigt, dass eine Studienplatzvergabe aufgrund von Auswahlgesprächen der Hochschulen von den Gerichten akzeptiert wird. Gerichtliche Prüfungen können sich daher im wesentlichen auf die Einhaltung der Formalien und auf die Empfehlung allgemein gültiger Bewertungsmaßstäbe, nicht dagegen auf die materielle Entscheidung erstrecken.
Anlage: Rechtsvorgaben für die Hochschulquote
[1] An den von den Hochschulen durchzuführenden Auswahlverfahren können nur die Studienbewerberinnen und -bewerber einmal teilnehmen, die in den anderen Quoten (Abitur, Wartezeit) keine Zulassung erhalten und erklärt haben, dass sie am Auswahlverfahren der Hochschule teilnehmen wollen (vgl. § 19 Abs. 2 VergabeVO ZVS Entwurf). Entsprechend muss das ZVS-Hauptverfahren abgeschlossen sein, bevor die Hochschulverfahren beginnen können.
[2] Die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem Hochschulverfahren ist auf das Dreifache der in der Hochschulquote verfügbaren Studienplätze an der durchführenden Hochschule begrenzt (vgl. § 19 Abs. 1 VergabeV0 ZVS Entwurf). Die Bewerberinnen und Bewerber, die am Hochschulverfahren teilnehmen sollen, werden zu jedem Zulassungstermin von der ZVS nach dem Grad der Qualifikation (Abiturdurchschnitt), bei gleichem Grad der Qualifikation durch das Los, bestimmt und nach ihren Studienortwünschen bzw. nach Maßgabe relevanter Sozialkriterien (vgl. § 19 Abs. 4 VergabeVO ZVS Entwurf) auf die Studienorte verteilt.
[3] Die ZVS teilt den Hochschulen bis zum 29. August oder 28. Februar mit, welche Bewerberinnen und Bewerber am Hochschulverfahren teilnehmen sollen. Die Hochschulen haben drei Wochen Zeit, ihre Verfahren durchzuführen. Die Hochschulen teilen der ZVS spätestens bis zum 20. September oder 21. März mit, wen sie ausgewählt haben (vgl. § 11 Abs. 5 VergabeVO ZVS Entwurf).
[4] Die Universität lässt in eigener Zuständigkeit so viele Studienbewerberinnen und -bewerber zu, wie Plätze im Rahmen der Hochschulquote vorhanden sind, und erteilt die entsprechenden Zulassungs- und Ablehnungsbescheide (vgl. § 20 VergabeVO ZVS Entwurf). In dem Fall, in dem nicht alle von der Universität zugelassenen Bewerberinnen und Bewerber den ihnen zugewiesenen Studienplatz annehmen und somit die in der Hochschulquote zur Verfügung stehenden Studienplätze nicht voll ausgeschöpft werden, werden nach Ablauf des für die Hochschulverfahren zur Verfügung stehenden Zeitraums freibleibende Studienplätze in den zentralen Nachrückverfahren der ZVS vergeben (vgl. § 12 Abs. 3 Vergabe VO ZVS Entwurf).