HRK-Positionspapier zu MOOCs im Kontext der digitalen Lehre


Beschluss des 127. HRK-Senats am 24.6.2014

Die HRK befürwortet eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten einer Weiterentwicklung der digitalen Lehrformate. Im Hinblick auf „Massive Open Online Courses (MOOCs)“ geht es darum, Potenziale und Probleme zu identifizieren und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob MOOCs Mehrwerte für die einzelne Hochschule erzeugen. MOOCs eignen sich nicht als Sparmodelle. Schließlich ist zu klären, ob die Hochschulen digitale Lehrformate über kommerzielle Plattformbetreiber anbieten oder ob unabhängige Alternativen aufgebaut werden.

i. Die HRK befürwortet eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten einer Weiterentwicklung der digitalen Lehrformate. 
Zu den digitalen Lehrformaten zählen z.B. E-Learning, Web 2.0-Anwen-dungen und netzbasierte Angebote zu Open Educational Resources. Ein besonderes Format im Zusammenhang mit Open Educational Resources stellen MOOCs dar. MOOCs bilden daher nur eine von vielen Erscheinungsformen digitaler Lehre. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten haben sich die deutschen Hochschulen bislang mit allen digitalen Innovationen in der Lehre auseinandergesetzt und arbeiten dort mit digitalen Lehrformaten, wo es sinnvoll ist.

ii. MOOCs weisen Potenziale, aber auch Probleme und Risiken auf.

In spezifischen Konstellationen können MOOCs Mehrwerte erzeugen. Dazu gehören Möglichkeiten in den Bereichen Hochschulmarketing, Übergangs¬angebote, standardisierte Massenveranstaltungen, kleine Fächer, „blended“ Formate, seminarähnliche und interdisziplinäre Angebote sowie bestimmte Felder der Weiterbildung und übergreifende Kooperationen. Die Potenziale ergeben sich u.a. aus der Reichweite und kollaborativen Formaten. Sie können jedoch nur realisiert werden, wenn sie durch intensive Betreuung flankiert werden. 
Probleme und Risiken erstrecken sich u.a. auf den offenen Zugang, die Einbindung ins Studium, die meist relativ hohe Abbrecherquote sowie die rechtssichere individualisierte Identifizierung für Prüfungen. Bei einer flächendeckenden Einführung von MOOCs könnte die Vielfalt der Lehre gefährdet werden. MOOCs allein reichen nicht zu einer umfassenden Persönlichkeitsbildung. Dazu müssen weitere didaktische Komponenten hinzukommen.

iii. MOOCs sind sehr ressourcenintensiv und eignen sich deshalb nicht als Sparinstrument.
Überlegungen, angesichts der Schuldenbremse mit Hilfe von MOOCs Finanzmittel, insbesondere für Personal einzusparen, gehen an der Realität vorbei. Hochwertige MOOCs erfordern sogar noch mehr Finanzmittel, auch mehr Personal für Moderation, begleitende Tutorien und technischen Support. Sofern mehr als einzelne MOOC-Angebote erstellt werden sollen, benötigen die Hochschulen zusätzliche externe Mittel.
 
iv. Die HRK weist auf Anbieter hin, die problematische Finanzierungsmodelle für MOOCs betreiben. 
Einzelne vor allem private Anbieter bewerben MOOCs zunächst als kostenlos und verlangen später von Teilnehmenden Gebühren für Lehrmaterialien, besondere Betreuung sowie Prüfungen und Zertifikate. Viele MOOC-Angebote entsprechen einer im Internet dominanten aber fiktiven „Gratiskultur“. Dahinter verbirgt sich oft der Mechanismus, dass die Nutzer mit der Dokumentation ihrer persönlichen Daten und ihres Verhaltens zahlen, das später kommerziell verwertet werden kann.

v. Die HRK lehnt daher im Zusammenhang mit Online-Lehre, insbesondere bei der Implementierung von MOOCs, die Verwendung von Lernprofilen für kommerzielle Zwecke ausdrücklich ab.
Die Hochschulen kommen damit ihrer besonderen Verantwortung gegenüber ihren Studierenden nach. Die Erstellung und Verwendung derartiger Profile darf ausschließlich zu Zwecken der Qualitätssicherung bzw. -verbesserung oder zur wissenschaftlichen Lernforschung erfolgen. Der Datenschutz in Form einer ausdrücklichen Zustimmung der Studierenden ist in jedem Fall einzuhalten. Darüber hinaus stellt sich die ethische Frage, ob Hochschulen Studierenden direkt oder indirekt die Nutzung von bedenklichen Angeboten nahelegen wollen.

vi. MOOCs können als zusätzliche Komponente für Internationalisierungsstrategien genutzt werden.

Einerseits können durch MOOCs Wettbewerbsfähigkeit und Mobilität gefördert werden. Andererseits sind MOOCs kein Ersatz für einen Auslandsaufenthalt. MOOCs können aufgrund ihrer weltweiten Verfügbarkeit zur kulturellen Vielfalt beitragen, durch Standardisierung aber auch kulturelle Uniformität erzeugen.

vii. Innerhalb der vorgegebenen Studienangebote entscheiden die Hochschullehrenden, ob, wann und in welchem Umfang digitale Lehre eingesetzt wird.

Dies entspricht der verfassungsmäßig garantierten Freiheit der Lehre. Die Freiheit der Lehre bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die Umsetzung der vorgegebenen Studiengänge, Module und Veranstaltungsarten. Lehrende an Hochschulen, die einen besonderen Auftrag z.B. zur Fernlehre haben, sind an diesen Auftrag gebunden.

viii. Die HRK empfiehlt den Hochschulen, sich unter Berücksichtigung dieser Aspekte strategisch zur Digitalisierung der Lehre zu positionieren.

Diese Strategie sollte sich an den jeweiligen Schwerpunkten und Zielgruppen der Hochschulen orientieren. Die Hochschulen müssen prüfen, ob sie ihre digitalen Lehrformate über einen kommerziellen Plattformbetreiber anbieten. Alternativ kommen Plattformen einzelner Hochschulen oder von Hochschulverbünden sowie zentrale Plattformen in Frage.


Dieses HRK-Positionspapier ergänzt die Veröffentlichung „Potentiale und Probleme von MOOCs im Kontext der digitalen Lehre“, die einen Überblick über den derzeitigen Stand sowie mögliche Anwendungen und Anwendungsszenarien gibt.

Kurzversion des Readers "Potenziale und Probleme von MOOCs"

Vollständiger Reader: Potentiale und Probleme von MOOCs - eine Einordnung im Kontext der digitalen Lehre