Mehr Engagement für Bildung, Wissenschaft und Forschung!


Thesenpapier des 101. HRK-Senats vom 11.10.2005

  1. Die Politik der Reformen darf nicht weiter stagnieren, sondern muss mit erhöhtem Tempo fortgesetzt werden, um Umschichtungen im Haushalt zu Gunsten von Bildung und Wissenschaft zu ermöglichen.

  2. Staatliche und private Aufwendungen für Bildung, Forschung und Entwicklung müssen erheblich gestärkt werden.

  3. Eine grundlegende Überprüfung der Forschungslandschaft in Deutschland ist überfällig, um bei begrenzten Ressourcen den wachsenden Wettbewerbsdruck weltweit, aber auch innerhalb Europas bestehen zu können.

  4. Hochschulen als Organisationszentren der Wissenschaft müssen deutlich stärker unterstützt werden.

  5. Die Erhaltung der großen Leistungsbreite der Hochschulen muss durch Stärkung des Wettbewerbs um weltweit sichtbare Spitzenleistungen ergänzt werden.

  6. Bund und Länder müssen zur verstärkten Unterstützung des Bildungs- und Wissenschaftssystems zusammenwirken.

  7. Die konsequente Entstaatlichung des Bildungs- und Wissenschaftssystems muss beschleunigt werden.

  8. Die Bildung des europäischen Bildungs- und Forschungsraums muss ein wichtiges Anliegen der deutschen Politik von Bund und Ländern sein.

  9. Die Internationalisierung des deutschen Bildungs- und Wissenschaftssystems muss vorangetrieben werden.

  10. Der Gesetzgeber muss wissenschaftsfreundliche gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen.

Die vor der Bundestags­wahl veröffentlichten Wahlprogramme der politischen Parteien waren - was Bildung und Wissenschaft anging - enttäuschend. Nun, da es um die Bildung einer handlungsfähigen Bundesregierung geht, müssen Ziele und Instrumente der Politik in der sich entwickelnden Wissensgesellschaft in ein konkretes Handlungskonzept eingebracht werden. Bildung und Wissenschaft müssen darin erste Priorität erhalten. Den Hochschulen als den wichtigsten Institutionen der Wissenserneuerung und des Wissenstransfers kommt dabei eine zentrale Rolle zu.


Wenngleich es derzeit vordergründig um die künftige Bundespolitik geht, stehen Bund und Länder für die Gestaltung von Bildung und Wissenschaft in Deutschland in gemeinsamer Verantwortung. Denn eine nationale Anstrengung ist erforderlich, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Innovationspotentials zu sichern. Deutschland tut dabei bisher zu wenig. Andere Industrieländer investieren deutlich mehr in die Wissensressourcen ihrer Gesellschaften. Von dem schon vor fünf Jahren beschlossenen Ziel der EU, bis 2010 für Forschung und Entwicklung drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu investieren, sind wir weit entfernt. Einige Schwellenländer schicken sich an, uns in technologisch wichtigen Forschungsfeldern zu überholen. Eine Fortsetzung dieser Entwicklung kann sich das Land auch angesichts einer Bevölkerungsentwicklung nicht leisten, die schon jetzt das Fehlen von Fachkräften mit hoher Qualifikation in wenigen Jahren voraussehen lässt.


Bildung und Wissenschaft sind Motoren der kulturellen, sozialen und technologischen Innovationskraft eines Landes und damit auch seiner wirtschaftlichen Entwicklung. Deutschland wird seine Chancen im globalen Wettbewerb nur dann nutzen können, wenn das Bildungs- und Wissenschaftssystem durch Investitionen und ein geändertes gesellschaftliches Klima entschlossen unterstützt wird. Staatliche Ausgaben in diesen Bereichen müssen daher als Zukunftsinvestitionen auch in Zeiten knapper öffentlicher Haushalte Vorrang erhalten und so zum Vorbild für ein größeres Engagement auch der Wirtschaft werden.


Die in der HRK zusammengeschlossenen Hochschulen mahnen erneut eine deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für Bildung und Wissenschaft an. Sie erwarten von dem neu gewählten Bundestag, der nunmehr zu bildenden Bundesregierung sowie den politisch Verantwortlichen in den Bundesländern eine gemeinsame Anstrengung, die erforderlich sein wird, um klare Prioritäten für die Belange dieser Zukunftsbereiche zu sichern.


1. Die Politik der Reformen darf nicht weiter stagnieren, sondern muss mit erhöhtem Tempo fortgesetzt werden, um Umschichtungen im Haushalt zu Gunsten von Bildung und Wissenschaft zu ermöglichen.


Deutschland muss seine Ressourcen konsequenter als bisher für Zukunftsaufgaben einsetzen. Nur dann wird eine nachhaltige, innovationsorientierte Nutzung der Entwicklungschancen des Landes möglich. Dazu bedarf es einer Politik, die sich - in einem abgestimmten Konsens zwischen Bund und Ländern - der Aufgaben annimmt, die aus dem zunehmenden globalen Wettbewerb und der demographischen Perspektive Deutschlands erwachsen; Blockaden und Stagnation können wir uns nicht mehr erlauben. Die kulturelle, soziale, technologische und ökonomische Entwicklung des Landes hängt unmittelbar von seiner Innovationsfähigkeit ab, die durch Bildung und Wissenschaft gewährleistet wird.


Für diese Zukunftsaufgaben müssen daher deutlich höhere politische Prioritäten eingeräumt und deutlich mehr Haushaltsmittel bereitgestellt werden. Angesichts rückläufiger Steuereinkünfte und leerer öffentlicher Kassen bei gleichzeitig wachsenden Verpflichtungen des Staates in einer alternden Gesellschaft ist eine bessere Finanzierung von Bildung und Wissenschaft nur durch Haushaltsentlastung in anderen Politikfeldern realisierbar. Grundlegende Reformen vor allem der Sozialsysteme, der Steuergesetzgebung und des Arbeitsmarkts sind daher die dringlichsten politischen Aufgaben des Bundes und der Länder. Eine entschlossene Reformpolitik muss daher oberstes Ziel einer entscheidungs- und handlungsfähigen Bundesregierung sein.


2. Staatliche und private Aufwendungen für Bildung, Forschung und Entwicklung müssen erheblich gestärkt werden.


Die Aufgaben der nächsten Jahre sind nicht mit den bisher zur Verfügung gestellten Finanzmitteln zu lösen. Sowohl der Staat, d.h. Bund und Länder, aber auch die private Wirtschaft müssen sich hier deutlich stärker engagieren. Die Beschlüsse von Lissabon und Barcelona müssen endlich konkret umgesetzt werden; dafür müssen die Ausgaben des Staates und der Wirtschaft für Forschung und Entwicklung schrittweise um mindestens etwa 10 Mrd. Euro jährlich erhöht werden. Dass Aufwendungen für Bildung und Wissenschaft haushaltstechnisch immer noch als konsumtive Ausgaben und die Finanzierung einiger Wissenschafts­organisationen als Subventionen behandelt werden, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass es an dem Verständnis für die Notwendigkeit solcher Zukunftsinvestitionen fehlt.


Zusätzliche Mittel für Bildung und Wissenschaft können auch durch einen wirksamen Abbau des als Folge von gesetzlichen und Verwaltungsvorgaben übermäßig gewucherten Verwaltungsaufwandes freigesetzt werden. Durch Reformen von Steuer- und Stiftungsrecht müssen ferner Anreize für die Rekrutierung privater Mittel von Mäzenen, Sponsoren und Stiftern für Bildung und Wissenschaft geschaffen werden. Denn ohne eine allgemeine öffentliche Bereitschaft zum Engagement des Einzelnen wie auch der privaten Wirtschaft werden die anstehenden Zukunftsaufgaben nicht gelöst werden können. Das dafür auch erforderliche öffentliche Klima muss konsequent gefördert, die Leistung der Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie die Leistungsbereitschaft der in ihnen Tätigen durch die Gesellschaft stärker anerkannt, unterstützt und besser honoriert werden.


3. Eine grundlegende Überprüfung der Forschungslandschaft in Deutschland ist überfällig, um bei begrenzten Ressourcen den wachsenden Wettbewerbsdruck weltweit, aber auch innerhalb Europas bestehen zu können.


Nicht allein finanzielle Aufwendungen, sondern auch Produktivität und Erfolg von Wissenschaftssystemen in anderen Ländern sind deutlich gestiegen. Trotz immer wieder diskutierter Zweifel an solchen Belegen - weltweite Rankings, die hohe Attraktivität ausländischer Forschungseinrichtungen für den in Deutschland ausgebildeten wissenschaftlichen Nachwuchs und die Vergabe weltweit anerkannter Auszeichnungen belegen, dass die Wissenschaft in Deutschland starke Konkurrenz erhalten hat. Das Wissenschaftssystem der Bundesrepublik ist - teilweise aus historischen Gründen und nicht immer aufgabengerecht - in verschiedene Forschungsorganisationen und Strukturen zersplittert, die in unterschiedlichen politisch-administrativen Zuständigkeiten von Bund und Ländern, teilweise sogar gemischt, betrieben und finanziert werden. Wie der Wissenschaftsrat bei der Evaluierung eines Teilbereichs der Ressortforschung belegt hat, ist hier stärkere Kooperation und Vernetzung, evt. Zusammenführung mehrerer oder Auflösung einzelner Einrichtungen im Interesse größerer wissenschaftlicher Leistungsstärke und insgesamt effizienteren Mitteleinsatzes denkbar. Hierzu bedarf es einer umfassenden Analyse der Strukturen und Leistungsstärken aller Institutionen des deutschen Wissenschaftssystems. Hierfür kommt dem Bund im Rahmen seiner Zuständigkeit für die Forschungsförderung eine zentrale Verantwortung zu.


4. Hochschulen als Organisationszentren der Wissenschaft müssen deutlich stärker unterstützt werden.


Hochschulen sind die wichtigsten Knotenpunkte im Wissenschaftssystem. Ohne die von ihnen gewährleistete Ausbildung junger Menschen und ohne die in ihnen stattfindende Forschung sind Innovationen weder in anderen Wissenschaftseinrichtungen noch in der Wirtschaft in ausreichendem Maße erreichbar. Aber die Leistungsgrenze des deutschen Hochschulsystems ist infolge jahrelanger Überlast und Unterfinanzierung erreicht. Die Zahl von Studierenden - auch aus dem Ausland - nimmt seit Jahren kontinuierlich zu, während die staatlich finanzierte Ausstattung der Hochschulen abnimmt. Das politische Ziel einer weiteren Steigerung der Studierendenzahl im Interesse eines größeren Anteils von akademisch Qualifizierten in der Bevölkerung ist nicht zu erreichen, ohne die Hochschulen zur Erhaltung von Ausbildungsqualität und international wettbewerbsfähiger Spitzenleistungen in der Forschung deutlich besser zu finanzieren.


Solange der Staat die gesetzliche Zuständigkeit für den Hochschulbereich hat (und die europäische Tradition legt nahe, dass dies auf lange Zeit so bleibt), kann er aus seiner finanziellen Verantwortung für eine den Aufgaben und gestiegenen Erwartungen gerecht werdende Ausstattung der Hochschulen nicht entlassen werden. Diese Ausstattung muss hinreichend sein, um nicht nur eine Minimalversorgung, sondern Qualität und Innovationsfähigkeit in Lehre und Forschung sicherzustellen. Hier liegt eine Verantwortung überwiegend der Länder, aber auch des Bundes. Die Steigerung der projektbezogenen Forschungsförderung allein ist nicht ausreichend, um die Zukunftsaufgaben zu bewältigen.


Auch die direkte Förderung der Hochschulen, insbesondere durch die Mittel für den Hochschulbau und die Großgeräteausstattung muss gesteigert, nicht - wie bisher geschehen - gekürzt werden. Wichtig ist ebenso die Einführung der Vollkostenfinanzierung für Forschungsvorhaben; damit soll der Behinderung der Drittmitteleinwerbung der Hochschulen durch ihre abnehmende Grundausstattung entgegengewirkt werden. Gesichert werden muss auch die Ausfinanzierung des bisher weitgehend aus Eigenmitteln der Hochschulen realisierten Bologna-Prozesses, der inzwischen soviel Ressourcen bindet, dass dies tendenziell zu einem Qualitätsverlust in Lehre und Forschung führt.


Angesichts der begrenzten finanziellen Möglichkeiten des Staates wird Leistungsfähigkeit und Effizienz von Hochschulen nur zu sichern sein, wenn ihnen weit größere Entscheidungsfreiräume gewährt und es ihnen z.B. erlaubt wird, private Mittel einzuwerben und nach eigener Entscheidung einzusetzen. Die Verbreiterung der Finanzierungsbasis muss durch gesetzliche Regelungen erleichtert werden und darf nicht zu einer Rückführung der staatlichen Finanzierung führen. Andernfalls wäre sie als Leistungsanreiz unbrauchbar.


5. Die Erhaltung der großen Leistungsbreite der Hochschulen muss durch Stärkung des Wettbewerbs um weltweit sichtbare Spitzenleistungen ergänzt werden.


Gemessen an den Erfordernissen an internationaler Attraktivität des Bildungs- und Wissenschaftsstandorts Deutschland sind die Bemühungen um die Förderung von Exzellenz im Vergleich zu dem, was in anderen Ländern geschieht, noch unzureichend. Wenngleich es weiterhin wichtig ist, die hohe Leistungsbreite unseres Bildungs- und Wissenschaftssystems zu erhalten - die Besten aus aller Welt müssen in Deutschland hochattraktive Studien- und Arbeitsbedingungen vorfinden. Wenn es auch ein abgegriffener Slogan ist: Aus "brain drain" muss "brain gain" werden.


Dies gilt für öffentliche Wissenschaftseinrichtungen ebenso wie für die Forschungsaktivitäten der Wirtschaft, die vielfach wegen der dort besseren Konditionen Standorte im Ausland bevorzugt. Es ist aus finanziellen und administrativen Gründen nur selten möglich, ausländische Spitzenwissenschaftler nach Deutschland zu berufen - das muss anders werden. Hier bedarf es vor allem besserer Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs: Nicht nur die Zahl von Beschäftigungspositionen im Wissenschaftssystem, sondern die Flexibilität der Beschäftigungsbedingungen und Karriereperspektiven müssen entschieden verbessert werden. Die Anwendung des bundesweiten Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (BAT) auch auf die Wissenschaft ist dabei ebenso ein massives Hindernis wie die viel zu geringen Möglichkeiten der Unterstützung der Mobilität der Familienangehörigen von Wissenschaftlern - die Betreuung von Kindern wie die beruflichen Möglichkeiten von Ehefrauen bzw. Lebenspartnern. Die Bemühung um exzellente junge Wissenschaftler aus anderen Teilen der Welt auf allen Ebenen des Wissenschaftssystems muss eine zentrale Aufgabe aller Bereiche der Politik sein. Ein massives Hindernis ist dabei z.B. die zu geringe Chance von ausländischen Wissenschaftlern, in Deutschland ein Daueraufenthaltsrecht zu erlangen. Die Anliegen von Bildung und Wissenschaft müssen endlich ein ressortübergreifendes Handlungsmotiv politischer Kabinette auf Bundes- und Landesebene werden.


6. Bund und Länder müssen zur verstärkten Unterstützung des Bildungs- und Wissenschaftssystems zusammenwirken.


Die deutsche Wissenschaft ist durch ein komplexes System von Trägerschaft und staatlichen Zuständigkeiten gekennzeichnet. Das daraus resultierende Gemenge von Entscheidungswegen muss "entflochten" werden. In einer neuen Föderalismusdebatte müssen Bund und Länder jedoch angesichts der Notwendigkeit der erforderlichen nationalen Anstrengung geradezu zur Zusammenarbeit verpflichtet werden. Eine Zuordnung des Hochschulsystems in die ausschließliche Kompetenz der Länder ist schon angesichts der Entwicklung des europäischen Bildungs- und Forschungsraums nicht vernünftig, solange Instrumente einer die Bundesländer übergreifenden Koordination mit rechtlicher Bindung nicht existieren oder - wie Staatsverträge - zu unflexibel sind.


Eine institutionelle Integration einiger außeruniversitärer Forschungseinrichtungen in das Hochschulsystem sollte nach einer kritischen Evaluation ihrer jeweiligen Leistungsstärke dringend geprüft werden; hier würde sich die unterschiedliche Zuordnung zu Bund bzw. Ländern als ein zu überwindendes Problem stellen. Wo aber diese Integration nicht erfolgt, ist eine deutlich engere Kooperation zwischen den Teilbereichen des Wissenschaftssystems erforderlich; dies würde bei noch schärferer Trennung der politischen Zuständigkeitsinstanzen nicht erleichtert.


Eine stark reduzierte, insbesondere auf die internationale Handlungsfähigkeit gerichtete Rahmenkompetenz des Bundes auch für das Hochschulsystem muss daher erhalten bleiben. Gleichzeitig müssen die Instrumente der überregionalen Koordinierung von Entscheidungsprozessen auf Seiten der Länder und bei den Hochschulen selbst gestärkt werden. Eine Politik der Entflechtung verfassungsrechtlicher Zuständigkeiten muss in erster Linie den Kriterien von Effizienz und Qualitätssteigerung in Wissenschaft und Forschung Priorität einräumen. Die künftige Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern muss daher "vom Ende her gedacht", d.h. im Interesse einer maximalen Effizienz des Engagements von Bund und Ländern für das gesamte Bildungs- und Wissenschaftssystem in Deutschland, gestaltet werden.


7. Die konsequente Entstaatlichung des Bildungs- und Wissenschaftssystem muss beschleunigt werden.


Die deutschen Hochschulen - wie auch die außeruniversitären Einrichtungen der Wissenschaft - werden die an sie gerichteten Erwartungen im internationalen Wettbewerb nur erfüllen können, wenn ihre Eigenverantwortung und ihr Entscheidungsspielraum deutlich gestärkt werden. Ein Rückzug des Staates auf Bundesebene darf aber nicht ein Anwachsen der Regelungsdichte auf Seiten der Länder zur Folge haben. Eine denkbare Stärkung der Länderkompetenzen im Hochschulbereich muss vielmehr mit einer konsequenten Politik der Verselbständigung einhergehen, die dem Qualitätswettbewerb auch zwischen den Hochschulen einen größeren Raum zuweist.


Nur diejenigen Bundesländer werden erfolgreiche Hochschulpolitik betreiben, die ihre gesetzliche Kompetenz nutzen, um den Hochschulen weitgehende Autonomie und Gestaltungsspielräume in einem Wettbewerb zu gewähren, der nach wissenschaftseigenen Kriterien erfolgt und sich daher längst nicht mehr allein national, sondern europäisch und international definiert. Dies gilt z. B. für die Schaffung der gesetzlichen Voraussetzungen für die Erhebung von Studiengebühren, die Entwicklung eigener profilorientierter Zulassungsverfahren, eine konsequent leistungsbezogene Mittelvergabe sowie die Entwicklung von Zielvereinbarungen, in denen die strategischen Vorstellungen des Landes und mit denen einzelner Hochschulen vereinbart werden können.


8. Die Bildung des europäischen Bildungs- und Forschungsraums muss ein wichtiges Anliegen der deutschen Politik von Bund und Ländern sein.


Hochschulpolitik in Deutschland muss aktiv Einfluss nehmen auf die Gestaltung von Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungspolitik in Europa. Bei der Gestaltung von Qualitätssicherungsmaßnahmen, Kompatibilität von Studienleistungen, Mobilität von Studierenden, Lehrpersonal und Wissenschaftlern, Ausgestaltung der europäischen Forschungsförderung und bei vielen anderen Themen muss Deutschland mit einer starken Stimme sprechen können. Ziel ist die Berücksichtigung der Interessen deutscher Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen bei der Intensivierung des bereits stattfindenden Integrationsprozesses, bei dem Europa im internationalen Wettbewerb ein starker Partner und Mitspieler ist.


Die deutsche Politik muss die Politik der EU daher im Sinne einer deutlichen Stärkung von Forschung und Entwicklung vorantreiben. Umschichtungen im EU-Haushalt zu Gunsten von Forschung und Innovation unter Reduktion von Programmen des Agrarsektors und der regionalen Strukturförderung sind dazu unvermeidlich und müssen auch gegen Widerstand durchgesetzt werden.


Die Steigerung des EU-Forschungs-haushalts, die vorgesehene Erweiterung des 7. Rahmenprogramms, die darin vorgesehene stärkere Förderung der Grundlagenforschung sowie die Errichtung eines nach wissenschaftsgeleiteten Kriterien arbeitenden European Research Council sollten wichtige Ziele der deutschen Europapolitik sein. Große Anstrengungen und deutliche Prioritätenentscheidungen sind insgesamt nötig, um die Beschlüsse der europäischen Staats- und Regierungschefs von Lissabon und Barcelona mit dem Zieldatum 2010 zu erreichen; dies muss von der deutschen Politik nachhaltig unterstützt, dabei aber auch im eigenen Lande umgesetzt werden.


9. Die Internationalisierung des deutschen Bildungs- und Wissenschaftssystem muss vorangetrieben werden.


Hochschulentwicklung findet im internationalen Kontext statt. Hochschulpolitische Überlegungen wie auch die Strategieentwicklung einzelner Hochschulen müssen deshalb immer auch den europäischen Hochschulraum sowie den expandierenden globalen Bildungsmarkt im Blick haben. Das deutsche Hochschulsystem muss für den rapide wachsenden internationalen Bildungsmarkt geöffnet und junge Menschen aus aller Welt zu Studium und Ausbildung geworben werden. Deutschland soll sich zu einem weltweit gesuchten Arbeitsplatz für die "besten Köpfe" entwickeln.


Dafür muss die Politik grundlegend andere Rahmenbedingungen schaffen, insbesondere auch für die Beschäftigung ausländischer Wissenschaftler in Deutschland. Der Wettbewerb zwischen Hochschulen und anderen Wissenschaftseinrichtungen um die Etablierung von Attraktoren muss durch Anreize und angemessene Finanzierung unterstützt werden: Förderung der internationalen Mobilität von Wissenschaftlern, Einrichtung von international attraktiven Studienangeboten und exzellenzorientierten Graduiertenprogrammen, Sicherung von besseren Beschäftigungschancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs, Abschaffung einer qualitätsfeindlichen Kapazitätsverordnung, Verbesserung der Studienbetreuung und Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse sind nur einige der hier relevanten Aufgaben, deren Lösung wiederum das abgestimmte Engagement von Bund und Ländern erfordern.


10. Der Gesetzgeber muss wissenschaftsfreundliche gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen.


Innovationspotenzial und weltweite Konkurrenzfähigkeit von Wissenschaft und Forschung sind stark von den rechtlichen Rahmenbedingungen bestimmt. Ob eine Regelung innovationshemmend oder -fördernd wirkt, muss bei der Gestaltung von Gesetzen und Verordnungen in allen Politikfeldern vorrangig berücksichtigt werden. Beispiele für ungenügende Rücksichtnahme auf die dringenden Belange von Wissenschaft und Innovation sind z.B. die geltenden Regelungen zur Grünen Gentechnik, zur Stammzellforschung, zum Tierschutz sowie die geplante Novellierung des Urheberrechts. Hier sind Nachbesserungen erforderlich, denn solche restriktiven Regelungen blockieren die Wissenschaft, führen zum Abwandern wichtiger Wissenschaftszweige in andere Länder und machen es unmöglich, das im Lande noch vorhandene und für innovative Zukunftsentwicklungen dringlich erforderliche Forschungspo enzial auszuschöpfen.