Empfehlung der 6. Mitgliederversammlung am 21.4.2009
Zur Verabschiedung der Europäischen Charta für Forscher und des Kodex für die Einstellung von Forschern in 2005 hat die HRK festgestellt: "Die deutschen Hochschulen teilen die Auffassung, dass die mangelnden Möglichkeiten zur Mitnahme von Sozialversicherungsansprüchen, insbesondere der Ruhegehaltsansprüche, die Mobilität vor allem zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor und die geographische Mobilität in Europa stark behindern. Hier sind die europäischen Regierungen dringend aufgefordert, gegen diesen Wettbewerbsnachteil der deutschen und der europäischen Forschung vorzugehen und innovative Lösungen zu schaffen."
Auf nationaler wie europäischer Ebene wird inzwischen eine intensive Diskussion über zwei personalpolitische Felder geführt.
I. Fehlende Mitnahmefähigkeit von beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaften
Die Mehrzahl der deutschen Professoren und Professorinnen und auch Teile der wissenschaftlichen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen arbeiten in den Hochschulen im Beamtenverhältnis, das im europäischen Kontext ein Sonderarbeitsverhältnis darstellt. Sie erhalten keine gesetzliche Rente, sondern eine Pension aus dem öffentlichen Haushalt ihres Dienstherrn. Ein Wechsel aus dem Beamtenstatus in den Angestelltenstatus erfordert eine förmliche Entlassung. Dies zieht eine Nachversicherung des künftigen Angestellten in der gesetzlichen Rentenversicherung nach sich, jedoch ohne eine Nachversicherung in der Zusatzaltersversorgung, wie der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Dies macht den Wechsel aus dem Beamtenstatus in den Angestelltenstatus wenig attraktiv und hindert die internationale wie intersektorale Mobilität.2008 hat der Bundestag das Innenministerium aufgefordert, ein Regelungskonzept zur "Mitnahmefähigkeit von beamten- und soldatenrechtlichen Versorgungsanwartschaften" vorzulegen, um "eine gesetzliche Regelung noch in dieser Wahlperiode" zu ermöglichen. Dieser Bericht der Bundesregierung [1] liegt mittlerweile vor. Er zeigt verschiedene Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten auf, um den Bundesbeamten den Wechsel in den Angestelltenstatus ohne gravierende finanzielle Einbußen zu ermöglichen:
- die Nachversicherung in der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL),
- die Kapitalisierung oder Abfindung,
- sowie die Mitnahmefähigkeit von Versorgungsanwartschaften als "Altersgeld" bei starker Reduzierung von Alimentationselementen der bisherigen Beamtenversorgung.
II. Mangelnde europäische Koordinierung der betrieblichen Zusatzversorgungen angestellter Wissenschaftler
In Deutschland sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Angestelltenstatus in der gesetzlichen Rentenversicherung verpflichtend versichert. Im Falle des Wechsels ins Ausland wird durch eine EU-Vorschrift der Erhalt der Ansprüche und ihre koordinierte Auszahlung durch die nationalen Rententräger innerhalb der EU geregelt [2]. Mit vielen Drittstaaten hat Deutschland außerdem Sozialversicherungsverträge geschlossen, die den Erhalt der Ansprüche regeln. Im Bereich der Betriebsrenten und der Zusatzversorgungen des Öffentlichen Dienstes besteht in der Europäischen Union kein Regelungsmechanismus, der die Zusammenrechenbarkeit von Ansprüchen oder ihre Übertragbarkeit sicherstellt. Die Europäische Kommission ist bisher mit einem solchen Versuch gescheitert. Junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen stehen in besonderer Gefahr der Anspruchsverluste und des Verfalls von Anwartschaften (z.B. in Deutschland fünf Jahre). Außerdem werden sie mit einer zeitaufwändigen und bürokratischen Anspruchssicherung konfrontiert. Der Europäische Wettbewerbsrat hat im September 2008 der Initiative der EU-Kommission für eine europäische "Forscherpartnerschaft" zugestimmt. Hier wird die Aufgabe formuliert, die Situation von angestellten Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen im Bereich der Betriebs- bzw. Zusatzrenten zu verbessern.
III. Empfehlungen
Die Informationsvermittlung über die zusätzliche Alterssicherung und z.B. über Wahlmöglichkeiten zwischen Pflichtversicherung und freiwilliger Versicherung in der VBL muss intensiviert werden. Die Betroffenen brauchen leicht abrufbare, verständliche und verbindliche Informationen über die Auswirkungen ihrer Mobilität auf die künftige Altersversorgung. Die bestehenden großen Unterschiede in den europäischen Betriebsrentensystemen bezüglich Leistungsumfang, Anspruchsvoraussetzung und Besteuerung müssen durch neue Formen der Zusammenrechenbarkeit bzw. Übertragbarkeit der Ansprüche überwunden werden.
1. An die Hochschulen
Die deutschen Hochschulen werden die Beratungskapazität ihrer personalpolitisch verantwortlichen Stellen ausbauen sowie die Informationsvermittlung an mobilitätswillige bzw. mobile deutsche und ausländische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler intensivieren und inhaltlich verbessern. Die Hochschulen werden dazu die enge Zusammenarbeit mit den Versicherungsträgern und den Versorgungsämtern suchen. Sie werden auch die Dienstleistungen von "EURAXESS Deutschland", dem deutschen Mobilitätsportal für Wissenschaftler bei der Alexander von Humboldt-Stiftung, mit einbeziehen. Die Hochschulen werden die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie für einen Europäischen Zusatzversorgungsfonds für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die von der Europäischen Kommission in Auftrag gegeben wird, sorgfältig im Hinblick auf die eigenen Aktivitäten auswerten.
2. An die Versicherungs- und Versorgungsträger und die Tarifpartner
Die Versicherungs- und Versorgungsträger [3] werden aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den Hochschulen die Informationsvermittlung an mobile Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu verstärken. Nachdrücklich werden die Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes und die für sie verantwortlichen Tarifpartner gebeten, Regelungen für die Zusammenrechenbarkeit, Anerkennung und Portabilität von Ansprüchen in Zusammenarbeit mit ihren europäischen Partnerorganisationen innerhalb der nächsten drei Jahre zu erarbeiten.
3. An die Regierungen
Die Bundesregierung wird gebeten, den Abschluss bilateraler Sozialversicherungsverträge mit weiteren für die wissenschaftliche Kooperation und Mobilität wichtigen Schwellenstaaten voranzutreiben.
Die Bundes- und die Länderregierungen werden aufgefordert, die Mobilitätsbedürfnisse von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der aktuellen Diskussion um die Reform des Beamtenrechts und insbesondere um die Mitnahmefähigkeit von Versorgungsanwartschaften zu berücksichtigen. Die Informationspflicht (Versorgungsauskunft) der entsprechenden Ämter sollte in den zurzeit in Arbeit befindlichen Landesversorgungsgesetzen deutlich erhöht werden, um in- und ausländischen, an Mobilität interessierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine schnelle und zuverlässige Einschätzung der Folgen für ihre Alterssicherung zu ermöglichen. Grundsätzlich ist in allen deutschen Alterssicherungssystemen die Kürzung der Unverfallbarkeitsfrist von 5 Jahren für Anwartschaften zu prüfen.
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[1] Der Bericht der Bundesregierung ist in seinem vollen Wortlaut unter www.bundestag.de/aktuell/hib/2009/2009_063/06.html zu finden.
[2] Wanderarbeiterverordnung 1408/71 der Europäischen Union
[3] Zu den Versicherungs- und Versorgungsträgern gehören die Deutsche Rentenversicherung (DRV), die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) bzw. die unabhängigen Länderanstalten in Hamburg und im Saarland sowie die Landesämter für die Beamtenversorgung.