Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien ("Neue Medien") in der Hochschullehre


Empfehlung des 179. Plenums vom 9. Juli 1996



Vorbemerkung

1. Begriffsbestimmung

2. Ausgangslage


2.1 Bisherige Entwicklung2.2 Gegenwärtige Nutzung Neuer Medien3. Erwartungen an Neue Medien in der Hochschule


4. Künftige Entwicklungen
4.1 Unmittelbarer Handlungsbedarf
4.2 Längerfristige Perspektiven

5. Empfehlungen

Anhang


 


Vorbemerkung


Alle entwickelten Gesellschaften erleben gegenwärtig den Beginn einer Revolution der Informations- und Kommunikationstechnologie. In der "Informationsgesellschaft" werden sich Methoden und Techniken der Erzeugung, Verbreitung und Vermittlung von Wissen grundlegend verändern. Obwohl das Medienzeitalter erst beginnt, zeichnen sich bereits damit einhergehende gesellschaftliche Auswirkungen ab. Sie reichen von der privaten Lebens- und Konsumsphäre über die Anforderungen im Beruf und am Arbeitsplatz bis hin zu neuen Lehr- und Lernformen auf allen Ebenen des Bildungssystems. Diese Entwicklung ist von so grundlegender Bedeutung für Lehre und Lernen, daß moderne Bildungsinstitutionen sie nicht ignorieren können.


Das "Medienzeitalter" berührt nicht nur allgemein die Funktion und das Selbstverständnis der Hochschulen in einer mobilen und raschem Wandel unterworfenen Gesellschaft, sondern auch die curricularen Konzepte und damit die Formen der Wissensvermittlung. Neue Gruppen von Studierenden mit differenzierteren Lebenslagen, das wachsende Bedürfnis nach berufsbegleitenden Teilzeit-Studienmöglichkeiten, der teilweise rasant anwachsende Umfang des verfügbaren Wissens und seine immer kürzere Halbwertszeit werfen gleichermaßen die Frage nach effizienteren und individuell besser angepaßten (flexibleren) Lehr-Lern-Formen der Hochschulen auf.


Die modernen Informations- und Kommunikationstechnologien werden dabei vielfach als geeignetes Instrument angesehen, um diesen Herausforderungen zu begegnen und neue Lösungen für Lehren und Lernen bereitzustellen.


Die Europäische Gemeinschaft hat gemeinsame Anstrengungen von Mitgliedstaaten, Unternehmen und Wissenschaft u.a. bei der Entwicklung multimedialer Bildungssoftware angeregt und Fördermittel in Aussicht gestellt [1]. In Deutschland hat der Technologierat auf die langfristige Bedeut-samkeit dieser Technologien in der "Informationsgesellschaft" hingewiesen und u.a. Modellversuche für den Einsatz neuer Lehr-Lernmedien sowie eine Verbesserung der Infrastruktur (Datennetze, Ausstattung mit Hard- und Software) vorgeschlagen [2]. Der Wissenschaftsrat zählt zu den Anwendungsfeldern eines künftigen Hochgeschwindigkeits-Rechnernetzes u.a. Fernlehre und Fernlernen [3].


Das Präsidium der HRK hat eine Arbeitsgruppe mit dem Auftrag eingesetzt, die Bedingungen für den Einsatz medial gestützter Lehr-Lern-Systeme in der Hochschullehre und die damit gegebenen Chancen und Möglichkeiten zu prüfen und Vorschläge für erfolgversprechende Konzepte und Modelle zu erarbeiten. Den Mitgliedern dieser Arbeitsgruppe aus verschiedenen Hochschulen in Deutschland ist die HRK für die Vorbereitung der vorliegenden Stellungnahme zu Dank verpflichtet.


Gleichzeitig hat die HRK eine Umfrage unter ihren Mitgliedshochschulen durchgeführt, deren Ergebnisse in die vorliegende Stellungnahme eingeflossen sind [4].


1. Begriffsbestimmung


Als Neue Medien werden im folgenden im Unterschied zu den "klassischen" Medien (Buch, Tafel, Film, Dia, Overheadprojektor) solche Lehr- und Lernmittel bezeichnet, die sich auf moderne Informations- und Kommunikationstechnologien stützen. Dies können z.B. intelligente Problemlösungs- oder Simulationssysteme, Computer based training-Anwendungen, Tele- bzw. Computerconferencing zwischen zwei oder mehreren Partnern sein.


Verschiedene Funktionen von Neuen Medien zu Lehr-Lern-Zwecken können unterschieden werden:

  • rasche Verfügbarkeit umfassender Wissensbestände (Kursmaterialien, Literatur, Grafiken, Datenbanken, Vorlesungen, Studieninformationen etc.),
  • Telekooperation (mehrere Partner arbeiten gleichzeitig oder zeitlich versetzt an einer Aufgabe),
  • computerunterstützte Lernumgebungen (interaktive Lehr-Lernprogramme, Computer Assisted Teaching/-Learning, intelligente Tutorensysteme etc.).

Von besonderem Interesse sind Anwendungen, die aus selbstinstruierenden, insbesondere dialogfähigen medialen Lehreinheiten bestehen, der Simulation bzw. Demonstration von Lehrinhalten sowie der lernrelevanten Daten- und Textrecherche dienen und somit als Instrumente zur Verbesserung der Qualität der Lehre genutzt werden können.


2. Ausgangslage


2.1 Bisherige Entwicklung


Obwohl die Anfänge des "computerunterstützten Lernens" bereits bis in die späten 60er Jahre zurückreichen, haben Informations- und Kommunikationstechnologien in der Lehre im Vergleich zum Einsatz in Forschung und Verwaltung bisher eine weitaus geringere Beachtung gefunden. Unter den vielfältigen Gründen sind vor allem die für inhaltlich anspruchsvolle Aufgaben in der Lehre bislang zumeist wenig geeignete Software und die teilweise nicht ausgereiften didaktischen Konzeptionen, mangelnde Anpassbarkeit der Software seitens der Nutzer (Studierende) und Anbieter (Lehrpersonal), daneben aber auch ein sich erst allmählich verbessernder breiter Zugang zu Computersystemen, hoher Kostenaufwand und entsprechende Investitionsrisiken zu nennen.


Infolge der Entwicklung auf dem Hardware- und z.T. auch auf dem Software-Sektor in den letzten Jahren sowie des Ausbaus von Datennetzen zeichnet sich in technischer Hinsicht eine grundsätzlich neue Situation ab. Sowohl die technische Kapazität der auch für Privatpersonen erschwinglichen PC-Systeme als auch die Bedienerfreundlichkeit der Programme verbessern wesentlich die Einsatzmöglichkeiten Neuer Medien in der Hochschullehre.


In den Hochschulen selbst wurde durch Ausbau der Rechnerkapazität, durch interne und externe Vernetzung und andere bauliche Investitionen sowie durch zunehmende Anstrengungen bei der Erstellung neuer Lehrmedien zumindest in einer Reihe von Fächern ein erhebliches Potential aufgebaut. Hiervon zeugen nicht nur die Erfahrungen mit dem jährlich verliehenen europäischen akademischen Softwarepreis, sondern auch ein vielfältiges Engagement zur Entwicklung medialer Lehr-Lern-Systeme in einer wachsenden Zahl von Hochschulen.


2.2 Gegenwärtige Nutzung Neuer Medien


Nach der Umfrage der HRK, an der sich nahezu alle Hochschulen beteiligt haben, werden Neue Medien in der Lehre bereits in überraschend vielen Fächern verwendet, wobei gleichzeitig ein hohes Maß an Diversifizierung zwischen Hochschulen und Fachbereichen, aber auch innerhalb einzelner Fachbereiche und Fächer festzustellen ist. Allem Anschein nach hängt die Entwicklung gegenwärtig davon ab, daß im Lehrkörper einzelne Personen Interesse und Initiative aufbringen, sich neuen Formen der medialen Vermittlung zuzuwenden und die damit gegebenen Möglichkeiten und Entwicklungen aufzugreifen.


Ferner ist zu berücksichtigen, daß einerseits eine Reihe interessanter Medienprojekte im Bereich der Lehre existiert, die zum Ausgangspunkt wichtiger künftiger Entwicklungen werden können. Andererseits wird in zahlreichen Fällen lediglich Standard-Software für Demonstration und Recherche verwendet und zumeist nur geringfügig dem Zweck entsprechend angepaßt.


Die Auswertung der fast 3.400 zurückgelaufenen Fragebogen ergibt, daß an Universitäten in 51 Prozent aller Fächer(-gruppen), an Fachhochschulen zu 64 Prozent Informations- und Kommunikationstechnologien (Neue Medien) in irgendeiner Weise eingesetzt werden. Bezogen auf das wissenschaftliche Personal pro Fach, d.h. für die "Dichte" des Medieneinsatzes, liegt der Wert wesentlich niedriger und beträgt an Universitäten zwischen 0,2 Prozent (Zahnmedizin) und 7,6 Prozent (Vermessungswesen), an Fachhochschulen zwischen 0,3 Prozent (Verfahrenstechnik) und 11,4 Prozent (Mathematik).


Über alle Fächer gerechnet beträgt die Quote etwa 2-3 Prozent an Universitäten und 3-5 Prozent an Fachhochschulen. Überwiegende Verwendung finden Neue Medien in Übungen und Vorlesungen, weniger in Praktika und Seminaren. Die vorwiegenden Zwecke sind Simulation/Demonstration, gefolgt von Vertiefung und Ergänzung von Lehrstoff und, mit einigem Abstand, Effizienzsteigerung in der Wissensvermittlung; Lehrentlastung und Motivationssteigerung der Studierenden spielen eine untergeordnete Rolle.


Der hohe Anteil von Simulations- und Demonstrationsprogrammen läßt vermuten, daß unter den verwendeten neuen Lehrmedien auch solche enthalten sind, die ursprünglich nicht speziell für Lehrzwecke erstellt wurden.


Gut 31 Prozent der Universitäten und fast 48 Prozent der Fachhochschulen planen, ihre Aktivitäten beim Einsatz Neuer Medien auszuweiten, darunter im Bereich der Vernetzung ca. 7 Prozent aller Hochschulen und im Bereich der Softwareentwicklung 3 Prozent aller Fachhochschulen und gut 7 Prozent aller Universitäten.


In der Vergangenheit war die unterschiedliche Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien in fachspezifischen Besonderheiten sowie z.T. in der technischen Entwicklung selbst begründet. So lag die Nutzung von Computern vor allem in Fächern nahe, in denen quantifizierbare Sachverhalte mit rechenintensiven Darstellungen von großer Bedeutung sind, wie z.B. den Natur-, Technik- und empirischen Sozial­wissenschaften. Mit der Integration von Text-, Bild- und Tondaten (Multimedia), dem Einlesen großer Literaturbestände auf Speichermedien mit hoher Kapazität und schnellen Recherchemöglichkeiten, sowie durch verbesserte Softwarelösungen bei gleichzeitig nutzerfreundlicheren Programmoberflächen werden diese Beschränkungen zunehmend überwunden.


Bezogen auf die o.g. drei wesentlichen Funktionen der Informations- und Kommunikationstechnologien inder Lehre gilt heute prinzipiell für alle Disziplinen und Hochschularten:

  • Informationen in Form umfangreicher Datenbestände können auf Datenträgern oder über Netze in digitalisierter Form bereitgestellt werden. Datenbestände dieser Art können auf Speichermedien wie z.B. CD-ROM oder in Datennetzen zur Verfügung stehen. Sie können Literatur, Quellen, Forschungsdaten, Nachschlagewerke, Schaubilder u.a. Daten jeder Art umfassen. Hierzu gehören auch elektronische Studieninformationssysteme von der örtlichen (z.B. Fachbereich Wirtschaft der FH Dortmund) bis zur internationalen Ebene (z.B. ORTELIUS).

  • Die Telekooperation über Datennetze kann z.B. für die Zusammenarbeit über große räumliche Entfernungen eingesetzt werden, um gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten (Wissenschaftler-Wissenschaftler, Studierender-Studierender) oder der Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden dienen. Dies kann sowohl die Bereitstellung von Lehreinheiten wie z.B. im Projekt "Tele-Teaching" der Universitäten Heidelberg und Mannheim einschließen, als auch Betreuung und Korrektur von Hausarbeiten sowie fachbezogene Beratung umfassen. Ein weiteres Beispiel ist das im Aufbau befindliche "Virtual College" Berlin-Brandenburg.

  • Computerunterstützte Lernumgebungen erschließen neue Formen der Wissensvermittlung, die von der zeitlichen Präsenz an einem traditionellen Lernort und der ständigen Anwesenheit einer Lehrperson unabhängig sind. Möglich sind sowohl eigenständige Lernprogramme, als auch solche elektronischen Materialien, die herkömmliche Lehrveranstaltungen ergänzen oder unterstützen.

Unter den zahlreichen Projekten sind beispielhaft zu nennen: ein Vorlesungszyklus "Wirtschaftsinformatik" auf CD-ROM (U Würzburg), ein im Aufbau befindliches komplexes juristisches Lehr- und Informationssystem für die Nutzung für Studierende am häuslichen Arbeitsplatz (HU Berlin) und neue Modelle des Computer Assisted Learning/Computer Assisted Teaching (U Münster). Von Bedeutung ist ferner, daß mit Hilfe sog. Autorensysteme die Erstellung von Lehr-Lern-Software auch ohne tiefere Programmierkenntnisse möglich geworden ist.


Für den bislang insgesamt geringen Nutzungsgrad neuer Medien sind über die bereits genannten Gründe hinaus die mangelnde akademische Institutionalisierung der Entwicklung neuer Lehr-Lern-Systeme, unzureichende Fördermöglichkeiten und systematisch kaum eingesetzte Methoden der Evaluation der Lehre verantwortlich.


In der HRK-Umfrage werden von den Hochschulen insbesondere folgende Hindernisse genannt, die einem grundsätzlich gewünschten Ausbau medialer Lehrangebote bislang entgegenstehen:

  • Geringe Anreize für die Entwicklung von medialen Lehrmitteln, weil die fachlich-wissenschaftliche Anerkennung im Vergleich zu klassischen wissenschaftlichen Veröffentlichungen gering ist und Qualifikationsmöglichkeiten für Nachwuchswissenschaftler daher im allgemeinen nicht gegeben sind;

  • komplizierte und schwer überschaubare Regelungen im internationalen Urheberrecht, die eine Verbreitung und Vermarktung behindern [5];

  • hoher Ressourceneinsatz bei der Herstellung und Pflege von computergestützten Lehr-Lern-Programmen;

  • mangelnde Bedienerfreundlichkeit, geringe Standardisierung und Modularisierung von Programmen;

  • Schwellenängste gegenüber dem Einsatz Neuer Medien in der Lehre;

  • Infrastrukturelle, planerische und administrative Probleme, insbesondere mangelnde Koordination von Bau-, Sach- und Personalmitteln im Hinblick auf den Einsatz von Neuen Medien,

  • unzureichende räumliche Bedingungen,

  • nicht ausreichende Zahl von PC-Arbeitsplätzen, unklare Rolle der Medienzentren, Rechenzentren und Bibliotheken (Beratung, Beschaffung von Programmen, infrastrukturelle Hilfe),

  • Mehrfachentwicklungen, geringe Verbreitung hochschuleigener Entwicklungen, geringe Zusammenarbeit zwischen Fachwissenschaftlern, Didaktikern, Pädagogen, Informatikern usw. als Folge unzureichender Information und Kommunikation.

Zwar wird bereits in einer größeren Zahl von Fachbereichen Software für spezielle Anwendungen entwickelt, diese ist aber zumeist im Hinblick auf einen breiteren Einsatz in der Lehre nur als "Halbfertigprodukt" anzusehen. Für eine über den betreffenden Fachbereich hinausgehende Nutzung, die eine zusätzliche Bearbeitung erfordern würde, fehlen zumeist Mittel und Personal oder auch das entsprechende Know-how.


3. Erwartungen an Neue Medien in der Hochschullehre


Neue Medien sind in erster Linie im Hinblick auf ihren Beitrag zur Verbesserung der Qualität und zur Steigerung der Effektivität der Lehre zu betrachten. Die diesbezüglichen Erwartungen richten sich vor allem darauf, mit Hilfe entsprechender Lehr-Lern-Verfahren eine bessere Anpassung an individuelle Lernbedürfnisse, Lerngeschwindigkeiten und Zeitbudgets der Studierenden zu erreichen. Neue Medien sollen das Selbstlernen unterstützen und damit zugleich Freiräume für das Lehrpersonal zur Betreuung der Studierenden schaffen.


Sie eröffnen darüber hinaus neue Kombinationsmöglichkeiten des Lernens in herkömmlichen Lehrveranstaltungen mit selbstgesteuerten Formen der Vermittlung und des Wissenserwerbs. Ferner wird erwartet, daß optisch-akustische Präsentationsverfahren und Simulationsprozesse die Anschaulichkeit komplexer Sachverhalte erhöhen und damit die Lernergebnisse verbessern. Die Variabilität und beliebige Wiederholbarkeit der Darbietung von Lernstoff durch Neue Medien, die durch die zunehmende Rechnerausstattung der Studierenden im privaten Bereich gefördert wird, soll auch der Einübung und der Festigung von Wissen zugute kommen können. Schließlich werden auf diese Weise Inhalte des Hochschulstudiums auch für Personengruppen zugänglich, deren Mobilität aus verschiedenen Gründen eingeschränkt ist.


Sachverständige gehen davon aus, daß Neue Medien nicht in erster Linie zu einer Entlastung des Lehrpersonals, sondern langfristig zu einer veränderten Rollenverteilung im Lehr-Lern-Prozeß führen werden. Größtenteils noch ungeklärt sind in diesem Zusamenhang die kapazitätsrechtlichen Auswirkungen. Hinsichtlich der Kapazitätsberechnungen und der Anrechnung auf Lehrdeputate ist beim Einsatz Neuer Medien in Rechnung zu stellen, daß deren Entwicklung im Vergleich zu herkömmlichen Lehreinheiten nach gegenwärtigem Stand einen um den Faktor 50-100 höheren Aufwand erfordert.


Bei der Anrechnung auf Lehrdeputate ist ferner zu berücksichtigen, daß neue und teilweise intensivere Betreuungsleistungen erforderlich sind, um den viel stärker individualisierten Lernprozessen gerecht werden zu können.


Bei der Entwicklung und dem Einsatz Neuer Lehr-Lern-Medien darf jedoch nicht übersehen werden, daß die Standardisierung von Lehrinhalten auch die Gefahr einer fachlichen Verengung enthält. Für die Wissensvermittlung nach wissenschaftlichen Standards ist es jedoch entscheidend, die inhaltliche Pluralität von Lehrmeinungen und Fragestellungen zu berücksichtigen und darzustellen.


Generell wird davon ausgegangen, daß durch Zugriffsmöglichkeiten auf Wissensbestände und Lehrangebote über Informations- und Kommunikationstechnologien eine räumliche und zeitliche Flexibilisierung von Lehren und Lernen und eine Veränderung herkömmlicher Vorstellungen von "Lernorten" erfolgen wird.


4. Künftige Entwicklungen


4.1 Unmittelbarer Handlungsbedarf


a. Information, Transparenz, Verfügbarkeit


Wesentlich für die breitere Verwendung medialer Lehrprogramme in den Hochschulen sind Transparenz über die verfügbare Software und über vorhandene elektronische Lehr-Lern-Systeme sowie Kenntnisse über technische Bedingungen ihres Einsatzes. Angesichts der sich rasch vollziehenden Entwicklungen entsteht ein erheblicher Bedarf nach aktuellen Informationen über abgeschlossene und ggf. auch laufende mediale Lehr-Lern-Projekte, um ihre hochschul-übergreifende Nutzung zu ermöglichen und unnötige Mehrfachentwicklungen zu vermeiden.


Gegenwärtig wird das Informationsangebot über verfügbare Lehr-Lern-Software im nationalen Rahmen von der Akademischen Software Kooperation (ASK), Universität Karlsruhe, erbracht. Die ASK, die damit faktisch die Funktion einer nationalen Software-Agentur wahrnimmt, hält einen Pool von über 4.000 Softwareangeboten einschließlich eines großen Teils der Lizenzen . Freilich müssen die Zugriffsmöglichkeiten auf diese Informationen und Angebote für interessierte Lehrende wesentlich verbessert werden. Es ist zu prüfen, welche Anforderungen an Information und Dokumentation künftig zu stellen sind und ob die ASK diese Rolle verstärkt übernehmen könnte.


b. Zentrale Einrichtungen in der Hochschule


Innerhalb der Hochschulen sollten Rechenzentren, Medienzentren und Bibliotheken verstärkt Dienstleistungsfunktionen für die Fachbereiche übernehmen. Die notwendig werdende neue Aufgabenverteilung sollte nach den örtlichen Gegebenheiten und Erfahrungen vorgenommen werden. Dabei könnte sich z.B. das Rechenzentrum und/oder die Bibliothek auf die Beschaffung von Software-Lizenzen und die Bereitstellung von Rechenkapazität und Netzzugängen konzentrieren, das Medienzentrum die erforderliche Peripherieausstattung verwalten und zugänglich machen. Die zentralen Einrichtungen sollten darüber hinaus Hochschulleitung und Fachbereiche in Fragen des Ausbaus multimedialer Lehr-Lern-Technologien beraten.


c. Verantwortung der Fächer


Hinsichtlich der elektronischen Lehr-Lern-Medien ist noch eine erhebliche Diskrepanz zwischen einer "Expertenkultur" und den alltäglichen Lehrerfahrungen von Hochschullehrerinnen und -lehrern festzustellen. Großem Engagement und enthusiastischen Erwartungen auf der einen Seite stehen Skepsis und Zurückhaltung, teilweise auch Unkenntnis, auf der anderen Seite gegenüber.


Obwohl davon auszugehen ist, daß dies zum Teil ein "Generationsproblem" darstellt, wäre es wünschenswert, diese Kommunikationsbarriere zu überwinden und innerhalb der Fachbereiche auch im Hinblick auf die Verwendung Neuer Medien die Verantwortung für die Lehre sowie für die Sicherung der Qualität neuer Lehr-Lern-Medien und ihrer Anerkennung als Bestandteil des prüfungsrelevanten Lehrangebots stärker wahrzunehmen. Eine höhere Akzeptanz und größeres Interesse werden jedoch nur dann entstehen, wenn sich die Vorteile neuer Informations- und Kommunikationstechnologien im Alltag von Lehre und Studium erweisen. Neue Lehr-Lern-Medien und ihr Einsatz entbinden die Fächer und die Hochschulen nicht von ihrer Verantwortung für die persönliche Betreuung der Studierenden.


d. Einstieg und Einsatzfelder


Im gegenwärtigen Stadium wird es naheliegen, sich bei der Entwicklung neuer Lehr-Lern-Medien zuerst auf Grundlagenwissen und Methoden eines Faches zu konzentrieren. Für dieses Vorgehen sprechen nicht nur die größere Zahl potentieller Nutzer und die längere Einsatzdauer eines Programms (Kosten-Nutzen-Aspekt), sondern auch, daß unterschiedliche Lehrmeinungen bei Grundlagen und Methoden eines Faches im allgemeinen eine geringere Rolle spielen. Dies erleichtert eine hochschulübergreifende Nutzung von Lehrmedien.


Andererseits bieten sich unter bestimmten Bedingungen (Schwerpunktbildung in der Forschung an einzelnen Hochschulen) auch speziellere mediengestützte Lehrprogramme an, um ggf. das fachliche Spektrum in der Lehre zu komplettieren. Darüber hinaus wird es sich empfehlen, auch in den sogenannten "Hilfswissenschaften", die in einigen Fällen auch fächerübergreifend Verwendung finden können (z.B. statistische Methodenlehre), zu koordinierter Entwicklung und Verwendung von Lehr-Lern-Programmen zu kommen. Im allgemeinen wird die Erstellung von Programm-Modulen, die sich mit anderen Lehrangeboten kombinieren lassen, sinnvoll sein. Angesichts der hohen Entwicklungskosten für anspruchsvolle Lehr-Lern-Software gilt, daß die Zahl der Nutzer und die Einsatzdauer wichtige Entscheidungskriterien für die Entwicklung derartiger Programme darstellen.


In der Praxis wird sog. hybrid-Systemen, bei denen die elektronischen Lehr-Lern-Programme und die Masse der Daten auf CD-ROM zur Verfügung stehen und nur Aktualisierungen bzw. spezielle Dienste (Beratung/Anleitung u.ä.) online bereitgestellt werden, als effiziente und kostengünstige Alternative zu reinen online-Lehrsystemen der Vorzug gegeben werden.


e. Kooperation und Wettbewerb


Die Kooperation zwischen verschiedenen Hochschulen und Fachbereichen bei der Entwicklung und Verwendung fachspezifischer Lernsoftware oder gemeinsamer Lehrangebote über Datennetze erscheint aus verschiedenen Gründen dringend erforderlich.


Sie ist nicht nur aus Kostengründen sinnvoll, sondern würde auch dazu beitragen, verschiedene Sichtweisen und Lehrmeinungen in den betreffenden Lehrangeboten zur Geltung zu bringen und damit allzu idiosynkratischen Schwerpunktsetzungen vorbeugen helfen. Es ist davon auszugehen, daß dies die Bereitschaft unter Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern erhöhen würde, medienunterstützte Lehr-Lern-Systeme zu verwenden. Dies würde dazu beitragen, die bisher vorherrschenden "Insellösungen" zu überwinden.


Unter der Voraussetzung, daß sich allmählich ein Markt für mediale Lehr-Lern-Programme für den Hochschulbereich herausbildet, ist zu erwarten, daß sich konkurrierende Produkte etablieren werden. Diese Entwicklung ist zu begrüßen, weil damit der inhaltlichen Vielfalt wissenschaftlicher Ansätze Rechnung getragen würde, besondere Profile in der Lehre ausgebildet und Qualitätsstandards offengelegt würden. Einzelne Hochschulen hätten die Möglichkeit, durch überregional angebotene Lehrprogramme ein besonderes Renommee zu erwerben.


f. Rahmenbedingungen


Ungeachtet der Tatsache, daß die Hochschulen generell mehr Entscheidungs- und Handlungsautonomie benötigen, erfordern Entwicklung und Einsatz Neuer Medien in der Hochschullehre in besonderem Maße Finanzautonomie. Angesichts der hohen Investitions- und Betriebskosten für mediale Lehr-Lern-Systeme bei gleichzeitig stagnierender öffentlicher Finanzausstattung der Hochschulen werden vermehrte Akquisition von Drittmitteln sowie interne Ressourcenumschichtungen nicht zu vermeiden sein.


Eingeworbene Drittmittel, insbesondere aber aus der Vermarktung von Lehrmaterialien erzielte Erlöse, müssen den Hochschulen für Refinanzierungen verbleiben, zumal wirksame Rationalisierungseffekte und damit Kostenersparnis sich allenfalls langfristig realisieren lassen. Finanzautonomie und damit Haushaltssouveränität und -flexibilität sind ferner unverzichtbar, wenn intern für diesen Zweck Mittel freigemacht und umgeschichtet werden sollen. Wenn die Entwicklung im Bereich der elektronischen Lehr-Lern-Medien so dynamisch voranschreitet wie bisher, bedarf es eines Handlungsrahmens, der flexibles Entscheiden erlaubt.


Im Hinblick auf den verstärkten Einsatz Neuer Medien in der Lehre ist die an Haushaltstitel gebundene Mittelverwendung daher mehr denn je kontraproduktiv.


Wie bei den traditionellen Lehrmitteln (Lehrbuch o.ä.) üblich, wird sich in vielen Fällen auch bei Neuen Medien eine Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Verlagen zum Zweck der Verbreitung und Vermarktung empfehlen. Auf diesem Wege könnte ein Teil der aufgewandten Mittel in die Hochschulen zurückfließen. Für die absehbare Zukunft ist allerdings davon auszugehen, daß sich angesichts hoher Investitions- und Entwicklungskosten ein finanzieller Gewinn nur für solche Lehreinheiten realisieren lassen wird, die eine größere Verbreitung finden.


Ferner ist zu beachten, daß bei Lehrmedien für wissenschaftliche Zwecke die Verantwortung bei den Fachwissenschaftlern bleiben muß. Die Kooperation mit Verlagen schließt im übrigen nicht aus, daß die Fachbereiche für spezifische Zwecke (z.B. lehrbegleitende Materialsammlungen, auf einzelne Lehrveranstaltungen bezogene Anwendungen o.ä.) - wie beim Verkauf von Skripten schon jetzt üblich - den Studierenden Software- bzw. Informationsmaterialien auf Datenträgern oder über Netzwerke anbieten. Dies gilt auch für den Einsatz Neuer Medien in den Lehrveranstaltungen selbst, z.B. Demonstration von Verfahren mittels Großprojektion in Vorlesungen etc. Die Hochschulen müssen daher technisch in der Lage sein, bei Bedarf die im Rahmen ihrer Lehraufgaben erforderlichen Lehr-Lern-Mittel bereitzustellen.


Zu den unverzichtbaren technischen Rahmenbedingungen eines medialen Lehrprogramms gehören die interne und externe Vernetzung sowie die Ausstattung mit der für multimediale Lehre erforderlichen Rechnerkapazität, Peripheriegeräten und Software. Für die Netzanschlüsse müssen die jeweils höchstmöglichen Übertragungsleistungen vorgesehen werden, um Zugriff auf und Übermittlung von großen Datenmengen bei akzeptablem Zeitaufwand zu gewährleisten.


Der Technologierat hat daher vorgeschlagen, Hochgeschwindigkeits-Datennetze mit einer Kapazität von 155 Mbit/s (als sog. Backbone-Netz), die als Weitverkehrsnetz für den Produktionsbetrieb derzeit realisierbarer technischer Standard in Europa ist [6] und 34 Mbit/s im Anschlußbereich der Hochschulen aufzubauen [7]. Gegenwärtig (Mai 1996) beträgt die Standardkapazität im Anschlußbereich deutscher Hochschulen 2 Mbit/s. Bis Ende 1996 ist geplant, den Kern des 155 Mbit/s-Netzes (mit insgesamt 8 Anschlüssen für den Hochschulbereich) aufzubauen, Ende 1997 sollen 15 Anschlüsse, Ende 1998 insgesamt 20 Anschlüsse verfügbar sein. Auch danach wird ein weiterer Ausbau gemäß dem rasch wachsenden Bedarf erforderlich sein.


g. Finanzierung und Förderprogramm


Wesentlich ist, daß mit einem Ausbau der erforderlichen hochschulinternen Infrastruktur Entwicklung und Erprobung medialer Lehr- und Lernformen möglichst rasch zu einem breiteren Angebot an Programmen und zu praktischen Erfahrungen führen, aufgrund derer die vorhandenen Ansätze ihre Isolation überwinden und eine "kritische Masse" an erprobten elektronischen Lehr-Lern-Modulen entsteht. Um diesen Prozeß in Gang zu setzen, bedarf es nicht nur struktureller Voraussetzungen, sondern auch wirksamer Anreize.


Obwohl auf längere Sicht anzustreben ist, einen Teil der Entwicklungs- und Herstellungskosten durch Vermarktung zu refinanzieren, erscheint in der gegenwärtigen Situation ein gemeinsames Förderprogramm von Bund und Ländern zur Entwicklung von medialen Lehr-Lernsystemen erforderlich. Die HRK begrüßt daher, daß Bund und Länder sich im Hochschulsonderprogramm III auf die Förderung von Multimedia in der Lehre verständigt haben. Ziel eines entsprechenden Förderprogramms sollte es sein, die bereits vorhandenen Ansätze medialer Lehr-Lern-Systeme zu unterstützen, neue Entwicklungen auf diesem Gebiet zu initiieren und Qualitätsstandards zu sichern.


Die Trägerschaft für ein solches Programm könnte im Rahmen der Schwerpunktförderung in gemeinsamer Bund-Länder-Verantwortung unter Beteiligung der Hochschulen, aber auch nach dem Grundsatz einer private-public-partnership organisiert und einer bestehenden Wissenschaftsorganisation mit engem Kontakt zur Hochschullehre übertragen werden. Die HRK ist bereit, im Rahmen einer solchen Förderstruktur verantwortlich mitzuwirken.


4.2 Längerfristige Perspektiven


Auf längere Sicht sind folgende Szenarien denkbar, die sich gegenseitig ergänzen können:

  • Interessierte Fachbereiche einer Hochschule bieten dialogfähige mediale Lehreinheiten (z.B. strukturierte Material- und Textsammlungen, strukturierte Übungen, Simulationen u.ä.) auf Datenträgern bzw. in Datennetzen an. Daneben treten elektronische Studienhilfen oder andere lehrunterstützende Programme, die herkömmliche Tutorien ergänzen oder ersetzen. Einzelne Hochschullehrer machen ihre Vorlesungen als Texte über Datennetze oder Datenträger für Studierende zugänglich.

    Diese relativ einfache Lösung ist ein erster Schritt, Lehrinhalte zeitlich unabhängig abrufbar zu halten. Die betreffende Hochschule verfügt über die erforderliche Infrastruktur (interne und externe Vernetzung, Arbeitsplatzrechner, Rechner-Pools für studentische Nutzung etc.). Die Software wird primär für die eigene Lehre entwickelt, ggf. aber auch in Verbindung mit Verlagen zum Kauf angeboten.

  • Fachbereiche mehrerer Hochschulen nutzen gemeinsam erstellte Lehrprogramme im Verbund (sowohl auf Datenträgern als auch in Netzen) für die Grundausbildung (Grundstudium). Der Verbund bietet gleichzeitig die Möglichkeit, durch gegenseitige Nutzung der Präsenzlehrveranstaltungen (insbes. Vorlesungen) über online-Verbindungen das jeweils eigene Lehrangebot zu verbessern und zu erweitern. Für gemeinsam angebotene und genutzte mediale Lehrveranstaltungen bestehen Vereinbarungen bezüglich Prüfungsmodalitäten und gegenseitiger Anerkennung.

  • Eine breite Palette von Standardprogrammen ("elektronische Lehr- und Handbücher") auf dem Markt wird durch spezielle Lehrmedien (oder Präsenzlehre) in den einzelnen Hochschulen ergänzt oder für die jeweils eigene Lehre modifiziert entsprechend der heute üblichen Unterscheidung zwischen Grundlagen-/Einführungsveranstaltungen bzw. Standardliteratur und themenspezifischen Seminaren/Vorlesungen bzw. speziellen Monographien.

Ferner unterscheiden sich Lehr-Lern-Programme danach, ob sie entweder eher auf Vermittlung von Wissen oder von Methoden orientiert sind.


Unter diesen Bedingungen setzt ein Studium seitens der Studierenden wie der Lehrenden die Verfügung über oder hinreichenden Zugang zu multimediafähigen Rechnern sowie die Befähigung des Umgangs damit voraus.


Innerhalb der einzelnen Hochschule wirken als zentrale Service-Einrichtungen Rechenzentrum, Medienzentrum und Bibliothek zusammen. Überregionale Software-Pools unterstützen sowohl die Fachbereiche, die Neue Medien einsetzen wollen, als auch Studierende bei der Recherche über bereits vorhandene Programme durch Dokumentation und Beschreibung.


5. Empfehlungen


Für die breitere Entwicklung und den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (Neue Medien) in der Lehre bedarf es insbesondere in der gegenwärtigen Phase einer Reihe fördernder und flankierender Maßnahmen. Die HRK empfiehlt daher ihren Mitgliedshochschulen:

  • Im Rahmen ihrer Verantwortung für die Lehre sollten die Fachbereiche die von einzelnen Hochschullehrern entwickelten Initiativen und z.T. bereits fortgeschrittenen Erfahrungen aufgreifen und auf ihre Ausbaufähigkeit mit dem Ziel eines breiteren medial unterstützten Lehrangebots überprüfen.

  • Informationen über in der Hochschule verfügbare Lehr-Lern-Software sollte an einer Stelle (z.B. Rechenzentrum, Bibliothek o.ä.) bereitgestellt und laufend aktualisiert werden. Die Rechenzentren erhalten zugleich eine neue Aufgabe, indem sie Expertise für die technische -/infrastrukturelle Entwicklung vorhalten.

  • Die Hochschulen sollten bei baulichen Planungen die künftige Nutzung Neuer Medien in Lehrveranstaltungen berücksichtigen. Dies schließt ein, bei der Errichtung Netzanschlüsse vorzusehen und in bestehenden Lehrgebäuden entsprechende Vernetzung und Infrastruktur nachzurüsten. Entsprechende Mittel sollten in den Bauhaushalten und bei den HBFG-Anmeldungen eingeplant, ggf. auch durch Umwidmung bereitgestellt werden.

Da mediengestützte Lehr-Lern-Systeme mit hohen Investitionen und kostenintensiver Entwicklungsarbeit verbunden sind, ist bei der Planung darauf zu achten, daß Investitionsmittel in erster Linie dorthin fließen, wo ihre Nutzung gewährleistet ist. Im allgemeinen wird nicht eine in jeder Hinsicht flächendeckende Planung sinnvoll sein, um das Entstehen von "Investitionsruinen" zu vermeiden. Es empfiehlt sich daher, zunächst an bereits vorhandenen Entwicklungen in einzelnen Fachbereichen anzusetzen und diese schwerpunktmäßig zu fördern.


Bei der Entwicklung computergestützter Lehrprogramme sind über den fachlichen Sachverstand hinaus Kenntnisse in der Mediengestaltung und der Programmierung sowie spezielle lernpsychologische Kenntnisse erforderlich. In vielen Fällen wird sich daher empfehlen, für entsprechende Entwicklungsprojekte Teams zu bilden, an denen neben Fachwissenschaftlern z.B. Informatiker, Psychologen, Mediendesigner u.a. Vertreter einschlägiger Disziplinen von vornherein beteiligt werden.


Solche Entwicklungsteams können sowohl innerhalb einer Hochschule, aber auch überregional zwischen mehreren Hochschulen kooperativ gebildet werden. Für eine überregionale Zusammenarbeit mehrerer Fachbereiche spricht im übrigen, daß auf diese Weise mit einer hohen Nutzungsrate und geringem Anpassungsbedarf der Lehr-Lern-Medien an örtliche Anforderungen zu rechnen ist.


Die Hochschulen sollten für die von ihnen entwickelten Lehr-Lern-Module im Rahmen von Kooperationen mit Verlagen eine Vermarktung dieser Produkte und damit den Rückfluß zumindest eines Teils der für die Entwicklungsarbeit eingesetzten Mittel anstreben.


Bei der Entwicklung umfangreicherer Lehreinheiten sollte darauf geachtet werden, daß diese modular aufgebaut sind, um flexibel kombinierbar eingesetzt werden zu können.


Darüber hinaus empfiehlt die HRK Ländern und Bund, die angesichts der überregionalen Bedeutung dieser Frage gemeinsam angesprochen sind:


Dringend erforderlich ist der weitere Ausbau von Hochgeschwindigkeits-Rechennetzen. Alle Hochschulen benötigen den Zugang zu Hochleistungsnetzen, um auch künftig ihre Aufgaben in Forschung, Lehre und öffentlichen Dienstleistungen erfüllen zu können. Die HRK unterstützt die diesbezüglichen Empfehlungen des Wissenschaftsrates und des Technologierates. Sie fordert Länder und Bund auf, auch innerhalb der Hochschulen bereits bestehende Vernetzungen in ihrer Leistung den Anschlußkapazitäten entsprechend auszubauen oder für eine leistungsgerechte Vernetzung Sorge zu tragen. Hochgeschwindigkeits-Rechennetze in den Hochschulen sind angesichts der raschen Entwicklung unerläßlicher Bestandteil der technischen Versorgungsinfrastruktur der Hochschulen.


Transparenz über die vorhandene Lehr-Software ist eine wichtige Voraussetzung für die Entscheidung von Fachbereichen über deren Einsatz und Anerkennung. Die Akademische Software Kooperation (ASK) an der Universität Karlsruhe, die bereits jetzt faktisch die Funktion eines nationalen Software-Pools wahrnimmt, könnte diese Aufgabe übernehmen. Die ASK wird zur Zeit vom Bund und dem Sitzland gefördert. Diese Finanzierung sollte verstetigt werden.


Im Hinblick auf die Sicherung und Verwertung von Urheber- und sonstigen Rechten für eine weitere Verwendung ist zu klären, ob dies z.B. im Rahmen eines Rechte-Pools geschehen sollte und wie dieser institutionell auszugestalten wäre. Dies könnte eine von Bund und Ländern gemeinsam finanzierte, aber auch eine privatrechtlich verfaßte Einrichtung sein, die sich aus Gebühren für Verwertungsrechte trägt. Hierzu erscheint eine Klärung und institutionelle Absicherung durch die Politik erforderlich.


Die bereits vorhandenen Initiativen zur Förderung der Lehre im allgemeinen (Lehrpreis des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft) wie von Hochschulsoftware im besonderen (European Academic Software Award) sollten noch stärker als bisher genutzt werden, um die Entwicklung von medialen Lehr-Lern-Programmen in den Hochschulen zu unterstützen. Dazu empfehlen sich gesonderte Ausschreibungen oder erhöhte Dotationen der ausgelobten Preise.


In der gegenwärtigen Startphase ist ein zeitlich befristetes, aber ausreichend ausgestattetes Förderprogramm aufzulegen. Die HRK schlägt ein Programm "Neue Medien in der Hochschullehre" mit dem Ziel vor, Maßnahmen zum Einsatz Neuer Medien in der Lehre an Hochschulen zu unterstützen, die vorhandenen Ansätze auszubauen und Anreize zu geben, um zukunftsträchtige Entwicklungen zu fördern.


Die Mittel dieses Programms sollten unter Qualitätsgesichtspunkten unter Beteiligung der Hochschulen vergeben werden. Gefördert werden sollten Lehr-Lern-Konzepte, die mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien (Neuen Medien) arbeiten. In diesem Rahmen sollten auch Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur förderungsfähig sein.



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Anhang


siehe unten Schaubild 1-9 (PDF)


Anmerkungen


[1] European Commission, Task Force "Multimedia and Educational Software": Educational Multimedia. Intermediate report (1996). Kommission der europäischen Gemeinschaften: Lehren und Lernen. Auf dem Weg zur kognitiven Gesellschaft. (Weißbuch zur allgemeinen und beruflichen Bildung. Brüssel, 29.11.1995.)


[2] Der Rat für Forschung, Technologie und Innovation: Informationsgesellschaft. Chancen, Innovationen und Herausforderungen. Bonn, Dezember 1995, bes. S. 42- 45.


[3] Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Bereitstellung leistungsfähiger Kommunikationsnetze für die Wissenschaft (Mai 1995), in: Ders.: Empfehlungen zur Ausstellung der Wissenschaft mit moderner Rechner- und Kommunikationstechnologie. Köln 1996, S. 33-50.


[4] Die Umfrageergebnisse sind, grafisch aufbereitet, im Anhang der HRK-Publikation "Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (Neue Medien) in der Hochschullehre", Dokumente zur Hochschulreform 111/1996, Bonn 1996, publiziert.


[5] Ulrich Loewenheim: Rechtsgutachten zu urheberrechtlichen Fragen bei Fernstudienmate-rial. (Gutachten erstellt im Auftrag des BMBF für die Arbeit der Fachkommission Fernstudium der BLK.) Maschschr. Ms., August 1995.


[6] In einzelnen Pilotprojekten (sog. Testbeds) wird z. Zt. mit Kapazitäten im Giga- und Tera-bit/s-Bereich experimentiert.


[7] Der Rat für Forschung, Technologie und Innovation: Informationsgesellschaft. Chancen, Innovationen und Herausforderungen. Bonn, Dezember 1995, bes. S. 18, S. 42 ff.