Positionen der HRK zur künftigen Entwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland (vor dem Hintergrund der Empfehlungen des Wissenschaftsrates vom 7. Juli 2000)


Entschließung des 193. Plenums vom 19./20. Februar 2001


Die HRK nimmt die vom Wissenschaftsrat am 7. Juli 2000 verabschiedeten Thesen zum Anlass, nochmals folgende Positionen zur künftigen Entwicklung des deutschen Wissenschaftssystems zu betonen:


1. Internationalisierung des Wissenschaftssystems


Deutschland liegt nicht nur in der Mitte Europas und ist eines der bedeutendsten Mitglieder der Europäischen Union, es muss auch über Europa hinaus ein weltweit wirksames Zentrum der Wissenschaft bilden. Dies wurde in den vergangenen Jahrzehnten nur zum Teil erreicht; jetzt muss es darum gehen, die Institutionen für qualifizierte Studierende und herausragende Nachwuchs-Forscher aus aller Welt weiter zu öffnen.


In diesem Zusammenhang bildet die europäische Union aber einen der Schwerpunkte der Internationalisierung der deutschen Wissenschaft. Die HRK hält es deshalb für erforderlich, Europa nicht nur im Zusammenhang mit der Forschungsförderung der EU zu betrachten. Hierzu hat die HRK im Februar 2001 in ihrer Erklärung "Deutschland im europäischen Hochschulraum" grundsätzlich Stellung genommen. Die Schaffung eines europäischen Hochschulraumes im Sinne der Bologna-Erklärung ist ein wichtiger Schritt in einen transparenten und mobilitätsfördernden europäischen Bildungs- und Forschungsraum, der die Weiterentwicklung des Wissenschaftssystems in Deutschland maßgeblich prägen wird.


Einigkeit besteht darin, dass EU-Programme transparenter gestaltet und Forschungsmittel nur nach qualitätsorientierten Kriterien vergeben werden sollen. Dies ist umso dringlicher, als die Forschungsfördermittel der EU allein zwischen 1992 bis 1997 einen jährlichen Zuwachs von 8,9 Prozent zu verzeichnen hatten; von allen für die Hochschulen bedeutsamen Drittmittelgebern hat damit die EU-Forschungsförderung die höchste Zuwachsrate [1]. Konkurrenzfähigkeit auf den Weltforschungsmärkten kann nur erreicht werden, wenn Exzellenz der Forschung, nicht kompensierende Strukturförderung und Kohäsion das Förderhandeln dominieren. Die Vorstellung, die EU-Programme sollten der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der nationalen Wissenschaftssysteme Rechnung tragen, hält die HRK für zu weitgehend.


Das Subsidiaritätsprinzip, nach dem europäische Forschungsförderung auf die Bereiche beschränkt bleiben muss, die ihrer Natur nach grenzüberschreitend sind, oder die wissenschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der einzelnen Mitgliedsstaaten der EU übersteigen, muss auch weiterhin gelten. Die gegenwärtige Praxis der europäischen Forschungsförderung verträgt keine Öffnung der nationalen Programme für Zugriffe aus anderen Mitgliedsstaaten, wenn nicht eine wechselseitige und ausgewogene Förderungsbereitschaft gewährleistet wird.


In der EU-Förderung sollte bei den mittlerweile geplanten befristet finanzierten Kompetenzzentren eine Verzahnung mit den Hochschulen generell und nicht nur bei internationalen Studienangeboten auf europäischer Ebene erforderlich sein. Die Hochschulen dürfen nicht nur, was im europäischen Kontext besonders deutlich spürbar ist, als Adressaten für Bildungsprogramme angesehen werden, während die Mittel aus den Forschungsprogrammen überwiegend für außeruniversitäre Einrichtungen vorgesehen werden. In diesem Zusammenhang halten die Hochschulen ein Netzwerk von europäischen Forschungszentren, die in enger Kooperation mit hierfür geeigneten Universitäten stehen und international anerkannte Spitzenleistungen vollbringen, durchaus für sinnvoll. Ob er hierzu auch eines institutionellen "Daches" bedarf, muss in der weiteren Diskussion geklärt werden. Allerdings muss die Kooperation zwischen Forschungszentren und Hochschulen auch dazu beitragen, die bestehenden großen Differenzen zwischen der Finanzierung, insbesondere bei Universitäten einerseits und außeruniversitärer Forschung andererseits wieder zu verringern, um vor allem Nachteile bei der Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses zu verhindern.


Über Europa hinaus sieht die HRK bei der Anwerbung von ausländischen Studierenden ein Problem. Allein mit einer Erhöhung der ausländischen Studierendenzahl ist es nicht getan, wenn die Rahmenbedingungen nicht dafür verbessert werden. Der weltweite Wettbewerb der Hochschulen um die besten Studierenden darf außerdem nicht durch eine Qualitätsnivellierung nach unten behindert werden. Deshalb ist es notwendig, die flächendeckende Einführung des Diploma Supplements zu forcieren.


Die deutschen Hochschulen müssen in die Lage versetzt werden, die vorhandenen Instrumente zur Auswahl von Studienbewerbern anzuwenden und die erfolgreichen Kandidaten nach der Ankunft in Deutschland auch entsprechend zu betreuen und erfolgreich zum Studienabschluss zu bringen. Dabei kann gleichzeitig an kostenpflichtige Betreuungspakete gedacht werden. Um hier wirklich innovativ zu sein, muss die Frage nach Studiengebühren für diese Gruppe, soweit es sich nicht um Studierende aus EU-Mitgliedsstaaten handelt, gestellt werden. Diese Gebühren sollten nicht nur in offshore-Gründungen erhoben werden können, sondern auch ohne rechtliche Probleme beim Studium in Deutschland.


Auf dem internationalen Bildungsmarkt gibt es große Zahlen von Bewerbern für Aufbaustudiengänge, die bereit sind, für eine gute Ausbildung zu zahlen. Die Hochschulen sollten nicht zögern, hierfür auch Gebühren zu nehmen. Gleichzeitig müssen alle Bundesländer in ihren Mittelzuweisungssystemen Anreize für eine Erhöhung der Zahl internationaler Studierender und Wissenschaftler setzen. Eine generelle Weiterführung der Rahmenbedingungen des gegenwärtigen Systems ist für die HRK nicht akzeptabel. Nur wenn sich hier Änderungen ergeben, werden die deutschen Hochschulen in Zukunft die Chance haben, international mitzuhalten.


2. Schwerpunkte künftigen Förderhandelns


Schon seit langem sehen die Hochschulen die Herausbildung und Schärfung ihres spezifischen Leistungsprofils als ihre genuine Aufgabe an. So geht die Bewilligungsstatistik der DFG, deren zweite Auflage im Jahr 2000 erschienen ist, auch auf die Initiative der HRK zurück. Der Abschied von der Volluniversität wird bereits seit einigen Jahren diskutiert (s. HRK-Jahresversammlung 1998). Immer mehr beginnen die Hochschulen, ihre interne Mittelverteilung nach den Leistungen und Belastungen der einzelnen Fächer oder Fakultäten zu orientieren. Richtig ist, dass die Bereitschaft, leistungsschwache Teile von Einrichtungen tatsächlich zu schließen, oft ungenügend ausgeprägt ist. Dies liegt aber nicht nur am Besitzstandsdenken in den Fächern, sondern auch an der Einflussnahme der staatlichen Seite, gerade wenn mit solchen Entscheidungen die Einstellung von Studiengängen verbunden ist. Die Konsequenz kann daher nur sein, Exzellenz in Forschung und Lehre zur Grundlage der staatlichen Mittelzuweisung zu machen, beispielsweise im Rahmen von Hochschulverträgen, wie sie die HRK schon seit mehreren Jahren fordert. Dadurch werden stärker auf Qualität basierende Verfahren möglich, die nicht durch intransparente Entscheidungen auf politischer Ebene bestimmt werden.


Die Hochschulrektorenkonferenz betont den Gesichtspunkt, dass die Mittelverteilung sowohl extern zwischen den Institutionen als auch intern in den Einrichtungen leistungsbezogen erfolgen soll. Dabei ist klar, dass alle Kriterien unter wissenschaftsmethodischen Gesichtspunkten immer anfechtbar bleiben, aber dennoch angewandt werden müssen, da sie allemal besser zur Erfassung von Leistungen, auch von Qualitäten, taugen als die bloß historisch gewachsenen "Besitzstände" oder von der staatlichen Verwaltung getroffene Ermessungsentscheidungen. Basis für jede Form einer solchen leistungsbezogenen Mittelverteilung ist eine ausreichende Grundausstattung. Die Bildung von institutionellen Profilen bliebe sonst nur außerhochschulischen Instanzen vorbehalten. Die Kraft der Hochschule, auch gegen den "main-stream" in Erwartung des Unerwarteten zu arbeiten, muss gesichert bleiben.


Die HRK hat sich in ihrer Stellungnahme zur Systemevaluation der DFG und MPG im Februar 2000 für eine strukturbildende und profilschärfende Ausrichtung der Förderpolitik der Deutschen Forschungsgemeinschaft ausgesprochen, sofern der bewährte Bottom-up-Prozess gewahrt bleibt [2]. Jedoch ist die Tendenz bedenklich, dass der Anteil der den Hochschulen zur Verfügung stehenden Grundausstattung gegenüber den Drittmitteln immer weiter zurückbleibt. Inflationsbereinigt sind die Grundmittel von 1993 bis 1997 nur um 1,3 Prozent im Jahr gestiegen, während die Verwaltungseinnahmen um 2,8 Prozent und die Drittmittel sogar jährlich um 4,2 Prozent gestiegen sind. War das Verhältnis Grundmittel/Drittmittel 1993 noch 27.490 Mio. DM zu 3.755 Mio. DM, so betrug es im Jahr 1998 30.605 Mio. DM zu 4.835 Mio. DM [3]. Bezogen auf 100 DM Grundmittel liegt die Einwerbung von Drittmitteln quer über alle Hochschularten mittlerweile bei 15,80 DM, bei den Universitäten beträgt das Verhältnis bereits über 18 DM [4].


Dieses Verhältnis darf sich, wenn sich gleichzeitig auch die Neigung der Drittmittelgeber zu strukturellem Einwirken auf das Hochschulsystem verstärkt, nicht noch weiter zuspitzen. Der Spielraum für die Autonomie der Hochschulen muss gewährleisten, dass interne Finanzmittel auch einmal gleich am Anfang zur Förderung neuer, zukunftsträchtiger Forschungsgebiete zur Verfügung stehen, ohne sie einem zeitaufwendigen Prozess der Entscheidungsfindung von Förderorganisationen außerhalb der Hochschule zu unterziehen. Nachdrücklich ist erneut zu fordern, die staatlichen Mittel für die Wissenschaft insgesamt und insbesondere für die Hochschulen zu erhöhen. Dies hat vor allem durch die Länder zu geschehen. Erforderlich ist eine Steigerung des Anteils der Ausgaben für die Hochschulen von gegenwärtig 0,8 Prozent des Bruttoinlandprodukts auf deutlich über ein Prozent.


Zur Planbarkeit von Forschung hat sich die HRK bereits im Jahr 1999 grundsätzlich geäußert [5]. Sie hält fest, dass es für die Weiterentwicklung der Wissenschaft unerlässlich ist, die für die "Erwartung des Unerwarteten" unerlässliche Freiheit zu erhalten. Diese Forderung erstreckt sich nicht nur auf die Grundlagenforschung, sondern auch auf den anwendungsorientierten Bereich. Die Hochschulen unterstützen eine Stärkung der Anwendungsorientierung, jedoch entspricht eine Trennung von grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung nicht mehr der Realität.


Zur Förderung der Anwendungsorientierung wäre es zwar unter Umständen möglich, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen und die Projektträger des Bundes zu einem Netzwerk von Förderagenturen zur Erweiterung der anwendungsorientierten Förderprogramme auszubauen. Stattdessen wäre es sinnvoller, wenn eine stärker integrierte Förderung der Prozesskette von der erkenntnisorientierten, an Theoriebildung interessierten Grundlagenforschung bis hin zur angewandten Forschung und gezielter Entwicklung von Prototypen über Themen bzw. Programmverbünde stattfände, in die Dialogschleifen der unterschiedlichen Akteure eingebaut werden.


Dies würde die bei allen begrüßenswerten Steigerungen der Forschungsetats immer noch knappen Mittel direkt in die Forschungsprogramme lenken, statt damit die Verwaltungskosten neuer Agenturen zu finanzieren. Ebenfalls sollte die wissenschaftliche Exzellenz nach wie vor das Hauptkriterium bei allen Forschungsförderorganisationen sein; allerdings könnte man dieses um Anwendungsorientierung, Nachwuchsförderung, Transdisziplinarität und Schwerpunktbildung erweitern. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gegenwärtig neu aufgelegte Programm der DFG-Forschungszentren ist hierfür ein gutes Beispiel.


Nicht zuletzt wiederholt die HRK die schon in ihrer Stellungnahme zur Systemevaluation von DFG und MPG geäußerte Forderung nach einer Evaluation der Ressortforschung. Mit einem jährlichen Etat von 3 Mrd. DM und 20.000 Mitarbeitern bindet die Ressortforschung einen bedeutenden Anteil dem Gesamtsystem zur Verfügung stehenden Mittel, ohne dass sie im Hinblick auf Aufwand und Ertrag jemals einer systematischen Begutachtung unterzogen wurde.


3. Verhältnis der Hochschularten untereinander


Im Verhältnis der Hochschulen untereinander, insbesondere zwischen Universitäten und Fachhochschulen, wird sich der im gesamten Wissenschaftssystem stärker werdende Wettbewerb weiter auswirken. Grundsätzlich hält es die HRK für wünschenswert, die Zahl der Studierenden an Fachhochschulen zu erhöhen. Die Entwicklung des Wissenschaftssystems hinsichtlich der Aufteilung der Studierenden auf Universitäten und Fachhochschulen ist jedoch nicht ohne weiteres umkehrbar. Lösungswege müssen wenigstens die Chance haben, in einem längeren Diskussionsprozess akzeptiert zu werden. Projektbezogene, vertragliche Kooperationen zwischen Universitäten und Fachhochschulen, die der fachlichen Nachfrage der Studierenden in nicht auf Wissenschaft als Beruf bezogenen Ausbildungfeldern Rechnung tragen, könnten z.B. einen Beitrag leisten. Aber auch stärker auf Berufsfelder bezogene, gestufte Studienangebote der Universitäten ergeben für sich einen Sinn. "Vor allem müssen die Laufbahnvorschriften des öffentlichen Dienstes endlich so umgestaltet werden, dass die Besoldung/Vergütung im öffentlichen Dienst nicht länger nach dem formalen Status der besuchten Hochschule, sondern ausschließlich tätigkeits- und leistungsbezogen erfolgt" [6].


Die Chancen der gestuften Studiengänge sollten von allen Hochschularten genutzt werden, denn es trägt den Bedürfnissen der Forschung Rechnung, wenn aus einer großen Zahl gut ausgebildeter Bakkalaureus/Bachelor-Absolventen nach entsprechenden Eignungsfeststellungsverfahren genügend Köpfe für die forschungsorientierten Magister/Master- und Promotionsstudiengänge zur Verfügung stehen.


Gerade in den Geisteswissenschaften ist die Schaffung klarer Studienstrukturen, die auch den Weg in eine berufliche Karriere erleichtern, notwendig. Career Centers und Services, die nicht erst zum Studienabschluss, sondern zur Orientierung während der gesamten Studienzeit dienen, sind wie die gestuften Studiengänge für diesen Bereich von besonderer Wichtigkeit. Auch Brückenstudiengänge, welche Qualifikationen vermitteln, die bewusst die tradierten Fächerkulturen überschreiten (Geistes- und Wirtschafts­wissenschaften/ Geisteswissenschaften und Informationstechnik) sollten ausgebaut werden.


4. Vernetzung der Hochschulen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen


Der Staat hat in den letzten Jahrzehnten in Deutschland die finanzielle Förderung der außeruniversitären Forschung im Verhältnis zu der der Hochschulen enorm verstärkt [7]. Die Benachteiligung der Hochschulforschung hängt auch damit zusammen, dass die verantwortlichen Kräfte in Staat und Politik die Hochschulen noch immer in das nicht wissenschaftsangemessen ausgestaltete Kapazitätsrecht zwängen, bei dem jede Steigerung des Forschungspotentials durch Einstellung von Wissenschaftlern unvermeidlich eine Erhöhung der Studienplätze zur Folge hat. Die Hochschulrektorenkonferenz fordert daher erneut eine wissenschaftlich angemessene Ausgestaltung des Kapazitätsrechts.


Es muss alles getan werden, dass die Hochschulen auch künftig als Organisationszentren der Wissenschaft betrachtet werden. Die Universitäten müssen vor allem für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses besser finanziert werden. Die Nachwuchsausbildung sollte künftig verstärkt in Kooperation mit außeruniversitären Einrichtungen stattfinden, insbesondere in gemeinsamen Graduiertenkollegs oder Research Schools.


Dabei sollte die gemeinsame Verantwortung der beteiligten Einrichtungen im Vordergrund stehen; die Universitäten dürfen keinesfalls auf Beurkundungsstellen der in der außeruniversitären Einrichtung erbrachten Leistung des jeweiligen Promovenden reduziert werden. Hier die noch bestehenden Hemmnisse für eine Internationalisierung der Nachwuchsausbildung zu beseitigen, werden die Hochschulen künftig verstärkt in Angriff nehmen. Das gemeinsam von DFG und DAAD geplante Programm "Promotion an Hochschulen in Deutschland (PHD)", das den Hochschulen ermöglichen soll, die Anwerbung und Betreuung der ausländischen Doktoranden zu verbessern, ist hierfür ein richtiger Ansatz.


5. Ausbau der Informations- und Kommunikationstechnologie


Zu der Notwendigkeit, die Neuen Medien verstärkt in der Hochschule einzusetzen, hat die HRK bereits 1996 Stellung genommen8). Neben den unbestreitbaren Möglichkeiten, die die IuK-Techniken für die Wissenschaft bieten, muss deutlich festgestellt werden, dass zwar die Bedeutung der rein örtlichen Präsenz von Studierenden und Forschern an der Hochschule selbst abnimmt, es aber eines hohen finanziellen Einsatzes zur Etablierung der Hochschule als Knotenpunkt für Information und Vernetzung bedarf. Hier sind Bund und Länder in der Pflicht, die erforderlichen Mittel im Rahmen des HbFG zur Verfügung zu stellen. Unerlässlich ist es ebenfalls, dass die virtuellen Lehr- und Lernformen keine kapazitätserweiternden Auswirkungen haben, sondern dass der dafür notwendige personalintensive Aufwand auf das Lehrdeputat angerechnet wird, da das Ziel auch die Steigerung der Qualität der Lehre ist.


Die HRK fordert seit langem, den Hochschulen mehr Möglichkeiten zur Erzielung zusätzlicher eigener Einnahmen zu geben. Im Bereich von Dienstleistungen und gewerblichen Tätigkeiten sind aus steuerrechtlichen Gründen Ausgründungen zu überlegen. Ähnliches gilt bei Kooperationen mit Wirtschaftsunternehmen, die den gesetzlichen Auftrag der Hochschulen in Forschung, Lehre und Weiterbildung überschreiten. Auch muss hier aus ordnungspolitischen Gründen ein fairer Wettbewerb mit freien Anbietern ohne Dumping-Preise gesichert bleiben. Dies gilt auch auf dem rasch expandierenden Weiterbildungsmarkt.


Neue Anforderungen kommen insbesondere auf die Hochschulbibliotheken zu. Diese müssen zusammen mit den Rechenzentren zu eng mit der Wissenschaft vernetzten Informationszentren umgebaut werden, was nicht nur Anforderungen an die finanzielle Ausstattung, sondern auch an den organisatorischen Umbau der Bibliotheken und Rechenzentren und an die Kompetenzen des dort tätigen Personals stellt. Allein mit der Allokation von zusätzlichen Ressourcen in diesem Bereich ist es nicht getan; dringend erforderlich ist auch eine Neuorientierung der Strukturen und der Ausbildung für das Bibliothekswesen.


6. Profilbildung, Autonomie und Wettbewerb der Wissenschaftseinrichtungen


Eine innnovationsfreundliche Förderkultur an den Hochschulen bedingt ein professionelles Management, das sich durch die Verlagerung von Kompetenzen auf die Ebene der Fakultäten, Fachbereiche und Institute mit Steuerungs- und Controllingaufgaben befasst. Dies ist den Hochschulen schon lange bewusst und hat sich bereits in einer Reihe von Hochschulgesetzen der Länder niedergeschlagen [9]. Für eine adäquate Weiterbildung auf dem Gebiet des Managements von Wissenschafts­organisationen müssen und werden die Hochschulen evtl. gemeinsam mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen selber sorgen.


Im Verhältnis von Hochschulen und Staat bedeutet die Stärkung der Eigenverantwortung gleichzeitig die Entwicklung von transparenten Erfolgsparametern, wenn auf die Einzelsteuerung über Erlasse und das kameralistische Haushaltswesen verzichtet wird. In diesem Bereich haben die Hochschulen in den letzten Jahren weitreichende Erfolge erzielt, unter anderem im Aufbau eines Systems von Evaluation und Qualitätssicherung, das bundesweit von der HRK unterstützt wird. Auf Initiative der Hochschulen wurde im Jahr 1999 gemeinsam von Kultusministerkonferenz und HRK der Akkreditierungsrat gegründet, der inzwischen die ersten Agenturen zertifiziert hat, die ihrerseits mit der Akkreditierung der neuen, gestuften Studiengänge begonnen haben. Der Ausbau dieser Systeme ist zentral für Wissenschaft und Wirtschaft, national wie international. Der Rückzug des Staates aus der Detailsteuerung muss einhergehen mit durch Akkreditierung, Zertifizierung und Evaluation gesicherten Mindeststandards der Leistungen unseres Wissenschaftssystems. Ihre Einhaltung erlaubt erst die Identifizierung von Spitzenleistungen. Nur mit diesen aber können die Hochschulen in Forschung und Lehre den globalen Herausforderungen erfolgreich begegnen.






Anmerkungen


[1] Wissenschaftsrat, "Drittmittel und Grundmittel der Hochschulen 1993 bis 1998", Dezember 2000, S. 10.


[2] Stellungnahme der HRK zum Bericht "Forschungsförderung in Deutschland" der internationalen Kommission zur Systemevaluation der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft, Februar 2000.


[3] Wissenschaftsrat, "Drittmittel", a.a.O., S. 12f.


[4] Ebenda, Anhang, Tabelle 6-7.


[5] Plenarentschließung der HRK "Zur Problematik der Planung von Forschung", Juli 1999.


[6] "Thesen", a. a. O.S. 21.


[7] Zuletzt in "Systemevaluation der Blauen Liste - Stellungnahme des Wissenschaftsrates zum Abschluss der Bewertung der Einrichtungen der Blauen Liste", November 2000, S. 49; u. a. auch "Forschungsförderung in Deutschland - Bericht der internationalen Kommission zur Systemevaluation der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft", Mai 1999, S.7.


[8] Empfehlung der HRK "Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien ("Neue Medien") in der Hochschullehre", Juli 1996.


[9] S. insbesondere die Plenarentschließung der HRK "Organisations- und Leitungsstrukturen der Hochschulen", Februar 1997.