Stellungnahme des 190. Plenums vom 21./22. Februar 2000
Zusammenfassung
Die HRK hält eine in angemessenen Zeitabständen zu wiederholende kritisch-konstruktive Gesamtbewertung der Forschung und Forschungsförderung unter Einschluss der Ressortforschung und aller Forschungsförderprogramme in Bund und Ländern für sinnvoll.
Die HRK sieht durch die Empfehlung der Kommission ihre Forderungen an Bund und Länder bestätigt, die Hochschulen als Basis eines international konkurrenzfähigen Wissenschafts- und Forschungssytems nachhaltig zu stärken. Dem widerspricht die derzeit gängige Praxis in Bund und vielen Ländern, den Hochschulen die für ihre Forschung unverzichtbare finanzielle und apparative Grundausstattung vorzuenthalten.
Die HRK hält die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur Überwindung der strukturellen Probleme und Schwächen der Forschung und Forschungsförderung für erforderlich. Dabei handelt es sich insbesondere um
- die Perspektiven des Nachwuchses für Wissenschaft und Forschung als Beruf durch eine möglichst frühe wissenschaftliche Selbständigkeit zu verbessern,
- die starke disziplinäre Orientierung der Forschung in den Universitäten zu lockern,
- die Autonomie und Eigenverantwortung der Hochschulen zu stärken,
- wirksame Verfahren zur Qualitätssicherung anzuwenden.
Die Kooperationsmöglichkeiten von forschungsstarken Universitäten mit der Max-Planck-Gesellschaft sollen verbessert werden, insbesondere über die Einrichtung von gemeinsamen Research Schools, für die auch den Universitäten das Initiativ- und Antragsrecht einzuräumen ist.
Die HRK betont, dass Forschungsplanung - Prospektion - nur in engen Grenzen sinnvoll ist, weil Fortschritt in der Forschung überwiegend durch die Kreativität einzelner Wissenschaftler oder Wissenschaftlergruppen entsteht.
Soweit sie Mitglieder der DFG sind, werden die in der HRK zusammengeschlossenen Hochschulen in den Gremien der DFG einen noch engeren und aktiveren Dialog über die längerfristige Gestaltung der Förderpolitik führen und sich dabei vernünftigen Argumenten für mehr strukturbildende und wettbewerbsfördernde Elemente im Förderhandeln nicht verschließen. Ein einseitiger Wechsel vom bewährten "bottom-up"- zu einem "top-down"-Verfahren wäre allerdings wissenschaftlich nicht vertretbar.
Vorbemerkung
Die von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung eingesetzte Kommission hat im Mai 1999 einen Bericht zur Systemevaluation der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft vorgelegt [1]. Die Kommission hat ihren Auftrag eigenständig dahingehend erweitert, auch die Rolle der Universitäten im Forschungssystem zu untersuchen. Dies ist nicht in systematischer Weise geschehen und konnte dadurch überwiegend nur zu einer oberflächlichen Betrachtung und Bewertung führen.
Die in der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zusammengeschlossenen Hochschulen erkennen in dem Bericht "Forschungsförderung in Deutschland" der "Internationalen Kommission zur Systemevaluation der DFG und der MPG" aber dennoch wichtige und weiterführende Positionen zur Optimierung von Forschung und Forschungsförderung in Deutschland. Einschlägige Entschliessungen der HRK der letzten zehn Jahre [2] werden durch diesen Bericht in wesentlichen Teilen bestätigt.
Die HRK konzentriert sich in ihrer Stellungnahme auf die wesentlichen Analysen und Empfehlungen des Berichts zu den Universitäten. Die Stellungnahme ist wie folgt gegliedert:
- Hochschulen als Basis eines international konkurrenzfähigen Wissenschaftssystems
- Überwindung von strukturellen Problemen und Schwächen
- Strategische Forschungsplanung
und geht unter Punkt II. insbesondere auf folgendes ein:
- Verbesserung der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses
- Schwerpunktsetzung und Profilbildung
- Autonomie der Hochschulen
- Qualitätssicherung
- Kooperation und institutionelle Vernetzung.
Die HRK verweist im Übrigen und grundsätzlich zustimmend auf die Stellungnahmen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), die von DFG und MPG als den Hauptadressaten des Berichts am 14. Dezember 1999 veröffentlicht wurden.
Die Initiative der Regierungschefs von Bund und Ländern, Forschung und Forschungsförderung in Deutschland insgesamt einer kritisch-konstruktiven Bewertung zu unterziehen, wird von der HRK begrüßt. Diese darf aber nicht mit der Systemevaluation der DFG und MPG, der schon erfolgten Evaluation der Fraunhofer-Gesellschaft sowie den laufenden Evaluationsmaßnahmen zu den Helmholtz-Zentren und den Instituten der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz durch den Wissenschaftsrat enden. Sie sollte in angemessenen Abständen wiederholt werden.
Auch unterstützt die HRK die Forderung der Kommission nachdrücklich, eine grundlegende systematische Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Ressortforschung und aller Forschungsförderungsprogramme in Bund und Ländern insgesamt durchzuführen. Auch sie sollte in angemessenen Abständen wiederholt werden. Die Hochschulen sind ebenfalls bereit, sich wie die anderen Wissenschaftseinrichtungen einer auf sie selbst angelegten Systemevaluation zu unterziehen, die aber im Vergleich zu der Begutachtung der Kommission im vorliegenden Fall umfangreichere Begehungen und Möglichkeiten der Stellungnahme zu den Vorschlägen enthalten sollte.
I. Hochschulen als Basis eines international konkurrenzfähigen Wissenschaftssystems
In ihrem Abschlußbericht hat die Kommission festgestellt, dass "die nachhaltige Stärkung der Universitäten von größter Bedeutung" für eine optimale Förderung der erkenntnisorientierten Grundlagenforschung ist, dass die Universitäten "die Träger des größten und zugleich umfassendsten Potentials der öffentlich finanzierten Forschung in Deutschland" sind und "ihnen als Basis und wichtigste Knotenpunkte des Forschungssystems eine zentrale Rolle" zukommt. "Denn auch scheinbar autarke außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sind in hohem Maße auf leistungsstarke Universitäten angewiesen - als Nährboden und Rekrutierungsfeld für den Nachwuchs, als breite Plattform verschiedenster Disziplinen und Forschungsformen sowie als Kooperationspartner in ausgewählten Forschungsgebieten [3]."
Diese Essentials des deutschen Forschungssystems hat die HRK in vielen Entschließungen - nicht nur den spezifischen Empfehlungen zur Forschung - ebenfalls zu Grunde gelegt oder ausdrücklich formuliert.* Wesentlich für die Erfüllung der Aufgaben der Hochschulen ist eine adäquate Finanzierung, die sie in die Lage versetzen, nicht nur im Verbund mit anderen Einrichtungen, sondern auch eigenständig Forschungsprojekte und Forschungszentren zu betreiben. Die seit langem zu beobachtende Tendenz gerade auf seiten der Länder, die Finanzierung der außeruniversitären Einrichtungen zu stärken und den Haushalt der Hochschulen immer weiter zu kürzen, muss im Interesse der gesamten deutschen Wissenschaft gestoppt werden. Für die Forschungsförderung in den Hochschulen müssen endlich dieselben Maßstäbe gelten wie in den außeruniversitären Einrichtungen.
Nur Hochschulen, nicht die außeruniversitären Einrichtungen, haben das Recht zur Verleihung von Abschlussgraden, allein die Universitäten (und gleichgestellte Hochschulen) haben das Promotions- und Habilitationsrecht. Der wissenschaftliche Nachwuchs, der in den Universitäten ausgebildet wird, bildet die unverzichtbare Basis für die Forschung in Deutschland, sowohl in den Hochschulen als auch in den außeruniversitären Einrichtungen und in der Industrie. Die HRK unterstreicht die von ihr selbst seit langem aufgestellte Forderung der Kommission an Bund und Länder, den Hochschulen größere Eigenverantwortung und Entscheidungsmöglichkeiten zu übertragen, um ihren Aufgaben optimal gerecht werden zu können. Ohne eine deutliche Rücknahme der überflüssigen staatlichen Reglementierungen und Interventionen wird die deutsche Wissenschaft auf Dauer im internationalen Wettbewerb nicht erfolgreich sein können.
Die HRK unterstützt uneingeschränkt die Empfehlungen der Kommission und die in der gemeinsamen Stellungnahme von MPG und DFG angesprochenen Punkte zur Steigerung der Internationalität des Wissenschaftssystems. Wesentliche Punkte hat die HRK bereits in ihrer Entschließung "Internationale Beziehungen der Hochschulen" (1991) genannt. Nicht nur muss das Ausländerrecht so gehandhabt werden, dass hochqualifizierte Wissenschaftler und Studierende gerne in Deutschland sind, auch die Vergütung der Wissenschaftler muss flexibler und international konkurrenzfähiger werden. Die von der Kommission vorgeschlagenen und von der HRK seit langem geforderten Maßnahmen, das Wissenschaftssystem wettbewerbsorientierter zu gestalten, werden sich auch auf die Position Deutschlands im internationalen Wettbewerb positiv auswirken.
II. Überwindung von strukturellen Problemen und Schwächen
Probleme und Schwächen im Hinblick auf die Erfüllung des Auftrags der Universitäten sieht die Kommission in fünf Gebieten, zu denen sie die folgenden, einzeln behandelten Empfehlungen ausspricht.
Die Kommission empfiehlt, die Perspektiven des Nachwuchses für Wissenschaft und Forschung als Beruf strukturell zu verbessern durch eine möglichst frühe wissenschaftliche Selbstständigkeit von Nachwuchswissenschaftler/innen und Verzicht auf die Habilitation, und regt an,
a. flexible, leistungsorientierte und wissenschaftsgerecht gestaltbare Beschäftigungsverhältnisse für Nachwuchswissenschaftler mit Zugriff auf Ressourcen für Forschungsarbeiten zu schaffen;
b. Assistenzprofessuren mit der Option auf einen tenure-track einzuführen;
c. für eine Berufung an Stelle der Habilitation andere über eine hervorragende Promotion hinausgehende Nachweise der besonderen wissenschaftlichen Befähigung zu fordern.
Die HRK hat in ihrer Entschließung "Zur Qualifizierung der Postdoktoranden" (1999) eine besser strukturierte und für die Betroffenen verlässlichere Ausbildung mit einem höheren Grad an Selbständigkeit des wissenschaftlichen Nachwuchses für Wissenschaft als Beruf empfohlen. Grundsätzlich sollte sich in der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses an eine dreijährige Qualifikationsphase als Doktorand eine maximal sechsjährige Postdoktorandenphase für herausragende Nachwuchswissenschaftler anschließen [4].
Innerhalb eines Gesamtzeitraums von höchstens zehn Jahren nach Studienabschluss sollen alle dafür notwendigen Qualifikationen erreichbar sein; dabei darf es für besonders herausragende Nachwuchswissenschaftler keine Mindestqualifikationszeiten geben. Hierfür hat die Universität international kompatible Strukturen und Verfahren zu erarbeiten.
zu a. Die Selbständigkeit der Nachwuchswissenschaftler wird seit einigen Jahren insbesondere in den Nachwuchsgruppen in Sonderforschungsbereichen, im Nachwuchsförderprogramm der VW-Stiftung sowie seit kurzem im Emmy-Noether-Programm der DFG, für das die Universitäten die institutionelle Basis bieten, gefördert. Die HRK begrüßt die Absicht der DFG, die Möglichkeiten für Nachwuchswissenschaftler zu erweitern, die eigene Stelle zu beantragen.
Ebenfalls hält es die HRK für dringend erforderlich, die Stipendiensätze konkurrenzfähig zu gestalten, insbesondere in den Graduiertenkollegs. Diese externe Förderung bietet individuelle Anreize für Nachwuchswissenschaftler, soll aber auch institutionelle Anreize für Universitäten setzen, die traditionellen Strukturen zu überdenken und aus eigenen Mitteln neue Strukturen im Sinne der Empfehlungen der Kommission zu schaffen.
zu b. Die Einführung von Qualifikationsprofessuren, d.h. die frühe Qualifizierungsmöglichkeit im vollen Aufgabenspektrum einer Professur - das Recht, Doktoranden zu betreuen, eingeschlossen - mit Aussicht auf "tenure-track" hat die HRK in ihrer Entschließung "Zur Qualifizierung der Postdoktoranden" ausdrücklich empfohlen und begründet. Um "Hausberufungen" zu vermeiden, ist ein Ortswechsel nach der Promotion oder nach der Qualifikationsprofessur unerläßlich.
zu c. Die HRK hat nicht dafür plädiert, die Habilitation in Deutschland generell abzuschaffen. Wichtig ist, die Postdoktorandenphase nach spätestens sechs Jahren förmlich mit einer Beurteilung nach Maßgabe fachlich international akzeptierter Kriterien unter maßgeblicher Einbeziehung von externen Gutachten abzuschließen.
Die HRK empfiehlt erneut, auch in den Kultur- und Sozialwissenschaften die Qualifikationswege ohne Qualitätseinbuße zu verkürzen, indem dort das Beispiel der Naturwissenschaften übernommen wird, in stärkerem Maße als bisher habilitationsäquivalente Leistungen zu berücksichtigen und die Einrichtung der Qualifikationsprofessur ebenfalls zu nutzen. Sofern an dem herkömmlichen Habilitationsverfahren festgehalten werden soll, stärken eigenständige Veröffentlichungen in Zeitschriften mit Begutachtungssystem und ggf. "kumulative Habilitation" die Transparenz der Leistungsbewertung.
Die Kommission empfiehlt, die starke disziplinäre Orientierung der Forschung an Universitäten zu lockern, und regt an,
a. bewegliche und leistungsfähige Organisationsformen für die temporäre Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen und Gruppen in problemorientierten Forschungsfeldern zu entwickeln;
b. für die dringend erforderliche Schwerpunktbildung und Profilierung der einzelnen Universitäten in ausgewählten Gebieten größere Einheiten im Sinne matrixförmiger Forscherverbünde oder Zentren auf Zeit aufzubauen.
zu a. Bei aller Bedeutung der an Fächern orientierten Forschung in den Universitäten muss die Interdisziplinarität und die Bildung interdisziplinärer Forschungszentren (auf Zeit) intensiviert werden. Die HRK hat bereits 1993 in ihrer Plenarentschließung "Zur Forschung in den Hochschulen" Vorschläge zur flexibleren Organisation der Forschung in den Hochschulen unterbreitet, die vielerorts in den Mitgliedshochschulen realisiert werden. Profilbildung und Schwerpunktsetzung sind im globalen Wettbewerb eine ständige Herausforderung, der sich die Hochschulen in eigener Verantwortung nach Maßgabe der unterschiedlichen Fachkulturen stellen.
zu b. Die HRK appelliert an die Länder als Träger der Hochschulen, Schwerpunktbildung und Profilierung der Universitäten und den Aufbau von Zentren auf Zeit in der Forschung zu unterstützen. Hierzu hat die HRK mit dem Vorschlag, interdisziplinäre Forschungskollegs einzurichten, einen Beitrag geliefert. Wichtig ist auch, dass Forschungskapazitäten unabhängig von den Ausbildungskapazitäten auf- und ausgebaut werden können.
Dabei bleibt die Bedeutung von Fakultäten und Fachbereichen in der Lehre selbstverständlich unberührt. Andererseits bilden Forschung und Lehre eine Einheit. Restriktionen wie die Verpflichtung zu einer "erschöpfenden Nutzung der Ressourcen für die Lehre unter Verzicht auf "unzulässige Niveaupflege" (BVerfG-Urteil 1973) müssen deshalb endlich aufgehoben werden. Dazu sind die Kapazitätsverordnungen [5] endlich wissenschaftsadäquat zu gestalten und für den Einzelfall flexible Lösungen zu ermöglichen.
Die Kommission empfiehlt, die Universitäten in die Lage zu versetzen, ihre genuinen Aufgaben eigenverantwortlich und mit wesentlich größerem Entscheidungsspielraum als bisher zu gestalten, und regt an,
a. die Hochschulfinanzierung z. B. im Rahmen von Leistungsvereinbarungen stärker ergebnis- und wirkungsorientiert weiterzuentwickeln;
b. ein wissenschaftsadäquates Dienstrecht zu schaffen;
c. Leitungsstrukturen mit klar erkennbarer Verantwortungsverteilung und Stärkung der Kompetenzen der Hochschulleitung zu gestalten;
d. die institutionelle Gestaltungskraft von Hochschulen zu stärken und auf externen Sachverstand zur Wahrnehmung von Aufgaben in der strategischen Steuerung zurückzugreifen;
e. den Universitäten ein umfassendes Auswahl- und Zulassungsrecht gegenüber Studienbewerbern einzuräumen.
Auch diese Empfehlungen der Kommission decken sich weitgehend mit den Empfehlungen der HRK. Notwendig sind eine Neubestimmung des Verhältnisses von Hochschule und Staat sowie Änderungen in den Organisations-, Leitungs- und Entscheidungsstrukturen in den Hochschulen. Die Stellungnahmen und Entschließungen der HRK hierzu haben die hochschulpolitische Diskussion wesentlich mitgeprägt [6]. Viele dieser Anregungen werden derzeit in den von der VW-Stftung und vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft geförderten Universitäten und Fakultäten realisiert.
zu a. Mehrfach hat die HRK seit ihren Empfehlungen "Zur Finanzierung der Hochschulen" (1996) empfohlen, zur Sicherung der Planungsgrundlagen und der Finanzierung der Hochschulen Hochschulverträge zwischen Land und Hochschulen mit Ziel- und Leistungsvereinbarungen abzuschließen, die über ausfinanzierte und dynamisierte Globalhaushalte durch den Haushaltsgesetzgeber abgesichert sind. Dazu gehören auch hochschulspezifische Regelungen im Haushaltsrecht und ein wissenschaftsadäquates Dienstrecht.
zu b. Zu letzterem hat die HRK 1998 in ihrer Empfehlung "Zum Dienst- und Tarif-, Besoldungs- und Vergütungsrecht sowie zur Personalstruktur in den Hochschulen" Stellung genommen. Nach wie vor ist es ein dringliches Desiderat, auch aus dem Ausland herausragende Forscher durch eine mehr als bisher an der individuellen Leistung orientierte Bezahlung gewinnen zu können. Hier müssen die Hochschulen in der Lage sein, ihre 'centers of excellence' aus dem Globalhaushalt so auszustatten, dass sie auch mit außeruniversitären Einrichtungen konkurrieren können. Die von der Kommission geforderte Aufhebung des gesetzlichen Besserstellungsverbots für das Personal der außeruniversitären Forschungseinrichtungen gegenüber den Hochschulen muss auch für diese selbst gelten. Es darf nicht infolge ungenügender Mittelausstattung der Hochschulen zu einer automatischen Schlechterstellung für Hochschulforscher führen. Es kann also nur um eine generelle Aufhebung des Besserstellungsverbots gehen.
zu c. und d. In ihrer Entschließung "Zu den Organisations- und Leitungsstrukturen der Hochschulen" (1997) hat die HRK entsprechende Empfehlungen ausgesprochen. Hierbei soll auf die besonderen Bedürfnisse der jeweiligen Hochschule Rücksicht genommen werden. Zu weitgehende und auf Einheitlichkeit setzende Rechtsvorschriften der Länder sind zu vermeiden.
zu e. Das Recht der eigenen Auswahl und Zulassung von Studienbewerbern wird den Hochschulen immer noch verwehrt. Eigenverantwortliche Zulassungsentscheidungen der Hochschulen erst auf Graduiertenebene setzen zu spät ein, um Profil und Qualität der Hochschulausbildung zu stärken. Die HRK fordert Bund und Länder auf, den Hochschulen eine möglichst frühe Auswahl ihrer Studierenden zu ermöglichen und die zu bürokratische Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen abzuschaffen. Die Hochschulen sind im Gegenzug bereit, Aufnahmekapazitäten bei mehrjährig verlässlicher Finanzierung im Rahmen von Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit dem jeweiligen Bundesland festzulegen.
Die Kommission empfiehlt, wirksame Verfahren zur Qualitätssicherung unter externer Beteiligung zu entwickeln, und regt an,
a. Stärken und Schwächen, Potentiale und Fehlentwicklungen an den Hochschulen aufzudecken;
b. klare Verantwortlichkeiten zu identifizieren;
c. positive ebenso wie negative Leistungen zu sanktionieren.
Qualitätssicherung ist Aufgabe des einzelnen Wissenschaftlers, der Wissenschaft und der Hochschulen als Institutionen. Die HRK hat in ihren Empfehlungen "Zur Forschung in den Hochschulen" (1993) auf die individuelle Evaluation der Forschung durch externe Begutachtung bei Drittmittelprojekten, insbesondere bei der DFG (peer review), hingewiesen. Sie hat zugleich die Notwendigkeit hervorgehoben, bei größeren Umstrukturierungen externen Rat einzuholen.
Dies wurde und wird in einer Reihe von Hochschulen bereits realisiert. Eine flächendeckende interne und externe Evaluation der Lehre entsprechend der HRK-Empfehlung "Zur Evaluation der Lehre" (1995) wird an vielen Hochschulen bereits durchgeführt. Ebenfalls hat bereits eine Reihe von Universitäten begonnen, sich zusätzlich auch in der Forschung der internen und externen Evaluation zu stellen, wie dies z.B. in Niedersachsen oder im Verbund der Technischen Universitäten Darmstadt, Kaiserslautern und Karlsruhe unter Beteiligung der ETH Zürich geschieht.
Die zahlreichen Aufforderungen zur Qualitätssicherung durch externe Begutachtung geben jedoch Anlass zu der Mahnung, auch mit der knappen Ressource "Zeit" von Gutachtern sorgsam umzugehen.
Die Kommission empfiehlt,die Zusammenarbeit von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sowie mit der Wirtschaft zu verbessern,und regt an, in Zusammenarbeit mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen [7].
a. Anreize für institutionenübergreifende Forschungsvorhaben und neue Organisationsformen zu geben;
b. die Herausbildung institutionenübergreifender Forschungszentren zu ermöglichen;
c. die internationale Kooperation zu verbessern;
d. die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zu verstärken.
zu a. Die Kommission hat - wie bereits mehrfach die HRK - auf die "historisch angelegte Tendenz, eigens für die Wahrnehmung unterschiedlicher Forschungsaufgaben außeruniversitäre Institutionen zu schaffen" hingewiesen und betont, dass damit die Beweglichkeit des Systems und somit die Möglichkeiten für seine Verbesserung erheblich eingeschränkt werden [8]. Deshalb fordert die HRK Bund, Länder und die Max-Planck-Gesellschaft als Träger der außeruniversitären Forschung auf, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen nach den Gesichtspunkten von Qualität und ihrer Verknüpfung mit Hochschulen und Wissenschaftsstandorten (Subsidiarität und Synergie) und nicht etwa nach regionalpolitischen Gesichtspunkten zu errichten, umzustrukturieren oder zu schließen.
Bei Neueinrichtungen von Max-Planck-Instituten sollten sich auch forschungsstarke Universitäten nach wissenschaftlichen Kriterien als Standorte bewerben können. Grundsätzlich sollte verstärkt die Möglichkeiten geprüft werden, im Rahmen der Förderung außeruniversitär finanzierter Einrichtungen solche Institute etwa im Rahmen von "An-Instituten" mehr an die Hochschulen anzubinden oder eine Mitfinanzierung einzelner, herausragender Forschungsbereiche der Hochschulen zu gewähren.
In ihren Empfehlungen an die MPG konstatiert die Kommission, dass sich Arbeit und Struktur vieler Max-Planck-Institute von den Universitäten abgekoppelt hätten, worunter die Leistungsfähigkeit des gesamten deutschen Forschungssystems leide [9]. Die HRK unterstützt die Feststellung der Kommission, dass in der Forschung und vor allem in der Nachwuchsausbildung starke, leistungsfähige Universitäten für eine langfristig erfolgreiche Arbeit der MPG unverzichtbar sind, und hält es ebenfalls für außerordentlich wichtig, "MPG und Universitäten in deren beiderseitigem Interesse näher zusammenzuführen und füreinander zu öffnen [10]".
zu b. Viele Mitgliedshochschulen der HRK haben immer wieder ihre Bereitschaft und ihr Interesse signalisiert, mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen, insbesondere mit Max-Planck-Instituten, verstärkt zur Förderung der internationalen Kooperation zusammenzuarbeiten. Kooperationen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen sollten daher durch Anreizsysteme gefördert und in der konkreten Ausgestaltung dezentral organisiert werden. Keinesfalls sollten solche Initiativen dadurch behindert werden, dass bei indikatorgesteuerten Mittelzuweisungen gemeinsam eingeworbene Forschungsmittel der Universität überhaupt nicht zugerechnet werden oder bei der Anrechnung des Lehrdeputats von außeruniversitären Forschern nur die Ausbildungskapazität wächst, aber nicht die angestrebte größere Breite des Lehrangebots zur Qualitätssteigerung genutzt werden kann.
Wenn die Kooperation zwischen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen durch Beteiligung von Mitgliedern außeruniversitärer Forschungseinrichtungen an der Lehre in den Hochschulen gefördert werden soll, müssen - wie von der Kommission empfohlen - die Vorgaben der Kapazitätsverordnungen in den Ländern für die Beteiligung von Wissenschaftlern außeruniversitärer Forschungseinrichtungen an der Lehre entfallen [11].
Die "International Max Planck Research Schools at Universities" sollten als Instrument dazu benutzt werden, die Zusammenarbeit zu verstärken und in der Letztverantwortung der Universitäten gemeinsam den wissenschaftlichen Nachwuchs auszubilden. Ebenfalls bewertet die HRK den Beschluss der MPG als positiv, der Empfehlung der Kommission zu folgen und transdisziplinäre MPG-Forschungsstellen in Universitäten einzurichten. Für beides sollten auch die Universitäten ein Initiativ- und Antragsrecht haben.
zu c. und d. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Forschung und der Wirtschaft in Deutschland bedarf der Zusammenarbeit gleichberechtigter Partner. Dies schließt ein, dass die Hochschulen in allen Forschungsförderungsprogrammen des Bundes und der Länder die Möglichkeit der eigenen Antragstellung erhalten und nicht nur zusammen oder nur als Subunternehmer der Wirtschaft. Auch die eigenverantwortliche Verwertung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen liegt im öffentlichen Interesse.
Wenn in einzelnen Programmen Hochschulen nur noch als Antragsteller im Unterauftrag von Wirtschaftsunternehmen zugelassen werden, wird damit die potentielle Reichweite und die Innovationsfähigkeit der Hochschulen in nicht vertretbarer Weise eingeschränkt.
III. Strategische Forschungsplanung
Die Hochschulen haben auch die langfristig angelegte Aufgabe, Wissen als Grundlage der kulturellen Identität zu bewahren und auszuweiten. Angesichts der Differenzierung der Wissenschaften erfordert dies eine hinreichende Grundlagenorientierung und Fächerbreite, um international konkurrenzfähig zu forschen und zu lehren. Dabei entsteht ein Spannungsfeld zwischen der Freiheit des einzelnen Wissenschaftlers, selbstgewählte Projekte zu bearbeiten, und der Aufgabe der Institution, profilbildende Schwerpunkte zu setzen. Zwischen beiden Interessen muss ein Ausgleich gefunden werden, der je nach Hochschule unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Hier ist die Empfehlung der Kommission, seitens der DFG nicht nur thematische Forschungs- und Förderprioritäten zu bestimmen, sondern das Normalverfahren als Kernstück der Förderung weiter auszubauen, ein wichtiges Signal. Schwerpunktsetzung und damit zu einem Teil Forschungsplanung der Institution darf nicht die kreative Initiative des einzelnen Wissenschaftlers verhindern.
In diesem Zusammenhang sollten die Hochschulen nicht nur - wie bisher überwiegend - als Forschungsträger, sondern auch mehr als Forschungsförderungsorganisation angesehen werden, sich selbst als solche verstehen und zu entsprechendem Handeln kommen [12]. Dazu kann eine durch Wissenschaftler besetzte Entscheidungsinstanz der Hochschule zweckmäßig sein, die von gruppen- und fakultätsbestimmten Interessen losgelöst und in der Lage ist, profilbildende Stärken in eigener Verantwortung behutsam zu fördern. Hierfür kann die Nutzung externen Fachverstands vorteilhaft sein.
Da die für Entwicklungsplanung einschließlich der Berufungspolitik erforderliche Vorausschau - "Prospektion" - immer in Bezug auf konkrete Gegebenheiten vor Ort erfolgt, kann sie nicht zentralisiert werden. Sie erfordert solide Informationsgrundlagen und den konstruktiven und beständigen Dialog der Entscheidungsträger auf den jeweiligen Ebenen mit denen, die Forschung betreiben, im Interesse einer ständigen Fortentwicklung [13]. Zu beachten bleibt dabei, dass Neues in der Wissenschaft oft unerwartet und außerhalb des "main-stream", ja auch gegen ihn gefunden wird.
Die Kommission hat nicht nur den Universitäten zu profilbildender Schwerpunktsetzung geraten (vgl. II.2), sondern auch der DFG empfohlen, eine "partiell neue Grundausrichtung des Förderhandelns" vorzunehmen. "Die Kommission hält es für wünschenswert, dass die DFG ihre strukturbildende und wettbewerbsfördernde Funktion im Hochschulbereich noch stärker als bisher annimmt und ausgestaltet [14]." Die HRK schließt sich der Stellungnahme der DFG an, dass diese Empfehlung nicht dahingehend verstanden werden soll, einseitig von dem bewährten "bottom-up"- zu einem "top-down"-Verfahren überzuwechseln. Die Initiative der einzelnen Wissenschaftler muss ihr Gewicht behalten. Neue Richtungen und Schwerpunkte in der Förderung sollen weiterhin in den Gremien der DFG mit den Universitäten abgestimmt werden.
Diese sind als Mitglieder der DFG bereit, zur aktiven Mitgestaltung der DFG-Förderpolitik einen noch engeren und aktiveren Dialog [15] mit den Gremien zu führen, denn Träger und Adressaten der DFG sind vorwiegend die Universitäten selbst. Die Veranstaltung von Statusseminaren zwischen Hochschulen und DFG zu innovativen Forschungsthemen sowie strategische Intitiativen wie beispielsweise zur Genomforschung und Bioinformatik sind hier richtige Ansätze.
Die Hochschulen erwarten von der DFG eine noch größere und ständige Transparenz der Mittelverteilung. Die auch auf Anregung der HRK 1997 erstmals veröffentlichte Übersicht über die Bewilligungen an Hochschulen sollte differenziert zumindest nach Fächergruppen regelmäßig fortgeschrieben und wenigstens einmal jährlich veröffentlicht werden.
Die Kommission betont zu Recht die Rolle und Bedeutung der Universitäten für die Entwicklung und Sicherung der Leistungsfähigkeit des Forschungssystems in Deutschland. Die HRK erinnert Bund und Länder daran, dass die Universitäten ihre Funktion als Einrichtungen der Forschung in allen Disziplinen nur bei entsprechenden strukturellen und finanziellen Rahmenbedingungen erfüllen können. Die Forschungsförderung über Drittmittel kann eine unzureichende Grundausstattung nicht kompensieren. Vielmehr muss die Grundausstattung die erforderliche Forschungsinfrastruktur beinhalten. Die Universitäten müssen wieder in die Lage versetzt werden, Forschung aus eigenen Mitteln zumindest so weit zu fördern, dass mit Aussicht auf Erfolg auch Mittel von Forschungsförderungsorganisationen eingeworben werden können.
Anmerkungen:
[1] Die Vorsitzenden der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung beriefen im Oktober 1997 in Abstimmung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft eine internationale Kommission zur Systemevaluation der DFG und der MPG ein. Die Experten-Kommission unter Vorsitz von Professor Brook (GB) hat anlässlich ihrer konstituierenden Sitzung im Februar 1998 ihren ursprüngliche Auftrag eigenständig mit der Frage erweitert, "auf welche Weise MPG, DFG und Universitäten als öffentlich geförderte Einrichtungen optimal dazu beitragen können, die Zukunft der deutschen Gesellschaft und Wirtschaft durch die Produktion und Vermittlung wissenschaftlichen Wissens zu sichern". Der im Mai 1999 vorgelegte Abschlussbericht trägt daher den weiter gefassten Titel "Forschungsförderung in Deutschland - Bericht der internationalen Kommission zur Systemevaluation der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft" und ist im Netz abrufbar (http://www.blk-bonn.de/.)
[2] HRK-Entschließungen sind im Netz über die HRK-Homepage unter www.hrk.de abrufbar oder als Broschüren vom HRK-Sekretariat erhältlich.
[3] Vgl. Bericht S. 15.
[4] Wenn im folgenden die Begriffe "Wissenschaftler, Forscher" usw. verwendet werden, dann nur der Kürze wegen. Die weibliche Form ist immer mit gemeint. Die HRK tritt mit Nachdruck für die Förderung und Gleichbehandlung qualifizierter Frauen in der Wissenschaft ein.
[5] Vgl. unten Anmerkung [7].
[6] "Zehn Thesen zur künftigen Gestaltung des Hochschulrechts in Bund und Ländern", Januar 1997, Plenarentschließungen zu "Organisations- und Leitungsstrukturen der Hochschulen", November 1997, "Zum Dienst- und Tarif-, Besoldungs- und Vergütungsrecht sowie zur Personalstruktur an den Hochschulen", November 1998.
[7] Nach Auffassung der Internationalen Kommission sollten in diesem Zusammenhang ergänzend Bund und Länder den Personaltransfer zwischen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen erleichtern und die Regelung der Kapazitätsverordnung modifizieren. Vgl. S. 62 des Berichts.
[8] Vgl. l. c. S. 7. Vgl. auch einschlägige Empfehlungen des Wissenschaftsrates, außeruniversitäre Einrichtungen in Hochschulen zurück zu verlagern oder nur nach sehr sorgfältiger Prüfung zu gründen.
[9] Vgl. l. c. S. 41.
[10] Vgl. l. c. S. 42f.
[11] Vgl. oben Anmerkung [7].
[12] Vgl. HRK-Entschließung "Zur Forschung in den Hochschulen" vom Juli 1993, S. 22f.
[13] Vgl. HRK-Entschließung "Zur Problematik der Planung von Forschung" vom Juli 1999 (erscheint im HRK-Arbeitsbericht 1999 auch im Druck).
[14] S. 28 des "Berichts".
[15] Vgl. auch hierzu die HRK-Entschließung "Zur Problematik der Planung von Forschung", in der die Einrichtung verschiedenster einschlägiger Gesprächskreise empfohlen wird.