Stellungnahme zum Grünbuch "Entwicklung einer gemeinsamen Strategie für die EU-Finanzierung von Forschung und Innovation"


Entschließung der 10. HRK-Mitgliederversammlung, 3.5.2011 in Heidelberg


Die deutschen Hochschulen haben die bisherigen Diskussionen um die zukünftige Forschungs- und Innovationspolitik der Europäischen Union stets aktiv begleitet. Das Präsidium der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat in diesem Zusammenhang zuletzt am 6. Januar 2011 eine ausführliche Position zur Gestaltung des kommenden Forschungsrahmenprogramms vorgelegt.

Mit der vorliegenden Stellungnahme nimmt die HRK im Namen ihrer 264 deutschen Mitgliedshochschulen teil am Konsultationsverfahren zum Grünbuch der Kommission »Entwicklung einer gemeinsamen Strategie für die EU-Finanzierung von Forschung und Innovation«.


1. Wie sollte die gemeinsame Strategie EU-Mittel für Forschung und Innovation für Teilnehmer attraktiver und leichter zugänglich machen? Was ist zusätzlich zu einem einheitlichen Zugangspunkt mit gemeinsamen IT-Instrumenten, einer einzigen Kontaktstelle für Unterstützung, einem gestrafften Satz von Finanzierungsinstrumenten, die die gesamte Innovationskette abdecken, und weiteren Schritten zur Vereinfachung der Verwaltung erforderlich?


Die Attraktivität und Zugänglichkeit des kommenden Rahmenprogramms hängt in erster Linie von einer signifikanten Vereinfachung der administrativen Verfahren in der europäischen Forschungsfinanzierung ab. Der Rat für "Wettbewerbsfähigkeit" der EU als politisches Gremium der für Forschungsfragen zuständigen nationalen Minister hat am 12. Oktober 2010 umfassende Forderungen zur Vereinfachung der administrativen Verfahren mit Blick auf das laufende wie auch auf kommende Rahmenprogramme erhoben. Diese sollten schnellstmöglich umgesetzt werden, so dass noch vor dem Start des neuen Rahmenprogramms im Jahr 2014 für alle Antragsteller weitestgehende Rechtssicherheit besteht.

Ein für Hochschulen bedeutsamer Schritt hin zu mehr Verständlichkeit, Transparenz und zur Stärkung ihrer Stellung in gemeinsamen Programmen ließe sich dadurch realisieren, dass in Zukunft die Beteiligungsregeln des Rahmenprogramms auf ausnahmslos alle Förderinstrumente Anwendung finden, die aus den hier bereitgestellten Mitteln finanziert werden. Die Überlegungen zu einem gemeinsamen strategischen Rahmen der EU für Forschung und Innovation ("Common Strategic Framework") sind generell zu begrüßen. Das Hauptaugenmerk sollte hier auf der Komplementarität der verschiedenen Finanzierungsinstrumente (Forschungsrahmenprogramm, Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation, Strukturfonds etc.) liegen.

Dies gilt insbesondere dort, wo Mischfinanzierungen aus EU-Fördermitteln sinnvoll wären, bisher aber rechtlich ausgeschlossen oder aufgrund widersprüchlicher Regulierungen nur schwer realisierbar sind. Dies betrifft beispielsweise die Kombination von Strukturfondsmitteln untereinander (Europäischer Sozialfonds ESF und Europäischer Fonds für Regionale Entwicklung EFRE) wie auch mit Mitteln des Forschungsrahmen-programms.


2. Wie sollte erreicht werden, dass die EU-Finanzierung den vollen Innovationszyklus von der Forschung bis zur Vermarktung optimal abdeckt?


Das Prinzip der vorwettbewerblichen ("präkompetitiven") Förderung von Forschung und Entwicklung bzw. Innovation sollte erhalten bleiben. Subventionen außerhalb dieses Rahmens müssen die absolute Ausnahme bleiben und in jedem Fall im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben des Gemeinschaftsrechts (EU-Beihilferahmen) und den internationalen Verpflichtungen der EU (insbesondere aus der WTO-Mitgliedschaft) erfolgen. Die Förderung im marktnahen, "wettbewerblichen" Bereich sollte, wie zurzeit auf europäischer Ebene diskutiert, durch kreditbasierte Finanzierungsmecha-nismen oder nachfragegesteuerte Instrumente wie bspw. öffentliche Beschaffung oder Maßnahmen im Bereich der Technologie-Standardisierung erfolgen.


Eine umfassende und themenoffene Finanzierung von Grundlagenforschung legt den Grundstein für die Innovationen von morgen. Sie muss sowohl in Form von Individualförderung exzellenter Forscher (ERC) als auch im Rahmen von Verbundforschung gefördert werden, um die Potenziale des Europäischen Forschungsraums voll zur Geltung zu bringen.


3. Welche Merkmale der EU-Finanzierung bewirken einen möglichst großen Nutzen von Maßnahmen auf EU-Ebene? Sollte die Mobilisierung anderer Finanzierungsquellen einen hohen Stellenwert erhalten?


Die Exzellenz der Forschung als alleiniges Qualitätskriterium des aktuellen Forschungsrahmenprogramms hat die Wettbewerbsfähigkeit und den Profilbildungsprozess in der europäischen Wissenschaftslandschaft positiv beeinflusst. Die Instrumente der europäischen Verbundforschung und die Fördermaßnahmen im Bereich der Wissenschaftlermobilität haben sich ihrerseits als geeignete Mittel erwiesen, um die Strukturierung des Europäischen Forschungsraums schrittweise voranzubringen. An diesen Ansätzen muss daher auch im kommenden Rahmenprogramm festgehalten werden, um einen größtmöglichen europäischen Mehrwert zu garantieren.Kofinanzierungsverpflichtungen würden die Hochschulen als öffentliche, häufig unterfinanzierte Forschungseinrichtungen unangemessen benachteiligen und sollten daher im Bereich der Forschungsfinanzierung (über die COFUND-Maßnahme im spezifischen Programm "Menschen" hinaus) nicht mehr angewandt werden.


4. Wie sollte die EU-Finanzierung von Forschung und Innovation am besten eingesetzt werden, um die Ressourcen der Mitgliedstaaten zu bündeln? Wie sollten gemeinsame Programmplanungsinitiativen zwischen Gruppen von Mitgliedstaaten unterstützt werden?


Ob der Ansatz der gemeinsamen Programmplanung ("Joint Programming" - JP) geeignet ist, eine konstruktive Rolle beim Aufbau des Europäischen Forschungsraums zu spielen, kann in diesem frühen Stadium der Umsetzung noch nicht abgesehen werden. Eine Ausweitung auf weitere Forschungs-themen sollte daher erst dann ins Auge gefasst werden, wenn sich die gemeinsame Programmplanung als Koordinierungsmechanismus praktisch bewährt hat. Gleiches gilt für den Aufbau großer europäischer Forschungsallianzen wie der European Energy Research Alliance (EERA).


Die deutschen Hochschulen weisen darauf hin, dass solche "Top-down"-geprägten Ansätze der Programmforschung mit einer Präferenz für große Projekte und stark spezialisierte Forschungseinrichtungen nicht das Instrument der europäischen Verbundforschung ersetzen können. Die hier bearbeiteten Forschungsthemen dürfen aus diesem Grund nicht aus dem Themenspektrum der Verbundforschung herausgelöst werden. Ebenso wenig sollte der Forschungsetat der EU über begrenzte Koordinierungs- und Unterstützungsmaßnahmen hinaus als Finanzierungsquelle für die gemeinsame Programmplanung oder große Forschungsallianzen dienen.


5. Wie sollte das Verhältnis zwischen kleineren gezielten Projekten und größeren strategischen Projekten gestaltet werden?


Kleine und mittelgroße europäische Forschungsprojekte haben sich in der Praxis gegenüber großen Projekten häufig als effizienter erwiesen, da sie den Koordinierungsaufwand für alle Beteiligten in einem vertretbaren Rahmen halten. Außerdem sind sie ein entscheidender Faktor dafür, dass die Angebote der europäischen Forschungsförderung für Hochschulen und für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) zugänglich bleiben. Aus diesem Grund müssen kleine und mittelgroße Verbundprojekte das Standardinstrument der europäischen Forschungsförderung bleiben. Dies ist Konsens der deutschen Wissenschafts­organisationen.


Große und stärker strategisch angelegte Projekte sind ausschließlich dort sinnvoll, wo die Notwendigkeit zur Herstellung einer kritischen Masse von Forschungskapazitäten die Möglichkeiten kleiner und mittlerer Projektgrößen übersteigt.


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7. Welche Maßstäbe sollten bei der Beurteilung des Erfolgs der EU-Finanzierung von Forschung und Innovation gelten? Welche Leistungs-indikatoren könnten verwendet werden?


Angesichts der eingeschränkten Planbarkeit von Forschungsergebnissen und der Tatsache, dass sich die sozioökonomischen Wirkungen von Forschungs-aktivitäten erst langfristig manifestieren, sollten in erster Linie erprobte Erfolgsindikatoren der Wissenschaft (bibliometrische Indikatoren, Patente, ...) angewandt werden.


8. Wie sollte die EU-Finanzierung von Forschung und Innovation in Bezug zur regionalen und nationalen Finanzierung gesetzt werden? Wie sollte diese Finanzierung die Mittel des künftigen Kohäsionsfonds ergänzen, der die weniger entwickelten Regionen in der EU und die Programme zur ländlichen Entwicklung unterstützen soll?


Die Vorschläge seitens des European Research Advisory Board (ERAB), 30% der Strukturfondsmittel und 10% aus dem Budget der Gemeinsamen Agrarpolitik für Forschungs- und Innovationsziele einzusetzen, werden von der HRK im Sinne einer Minimalforderung nachdrücklich unterstützt.


Die Hochschulen als Einrichtungen, die das Wissensdreieck aus Innovation, Forschung und Bildung institutionell abbilden, sind sehr daran interessiert, Projekte zu realisieren, die Innovation und Forschung in der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sowie Bildungs- und Weiterbildungsaufgaben miteinander verbinden. Dies will auch die EU, wie die nachdrückliche politische Förderung des European Institute of Innovation and Technology (EIT) verdeutlicht. Die unterschiedlichen Finanzierungsregelwerke der einzelnen Strukturfonds, wie des Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und der Sozialfonds (ESF), verhindern jedoch häufig die Kombination dieser Mittel und mithin die Konstruktion solcher fruchtbaren Wissensdreiecke. Die nahtlose Kombination der Mittel aus beiden Fonds sollte in Cluster-Projekten unter gewissen adäquaten Bedingungen möglich sein.


Die auch von der EU-Kommission offen beklagte allgemeine Unterfinanzierung der europäischen Hochschulen sollte nicht dazu führen, dass die Strukturfondsmittel nur großen Organisationen zur Verfügung gestellt werden, die eine umfangreiche Kofinanzierung anbieten können. Aufgrund ihrer öffentlichen Grundfinanzierung sowie den Vorgaben des EU-Beihilfe-rahmens (Bezuschussung von Projekten durch umgewidmete öffentliche Mittel) sind die europäischen Hochschulen nicht in der Lage, in größerem Umfang selbst Kofinanzierungen zu leisten. Sie sind deshalb auf die Bereitschaft der Programmträger auf Mitgliedsstaaten- bzw. Regionalebene angewiesen, diesen Anteil aus öffentlichen Mitteln zu übernehmen. In diesem Zusammenhang sehen die Hochschulen mit Besorgnis, dass die Strukturfonds immer häufiger von europäischen Politikern als ein zentrales Finanzierungs-mittel für künftige Großinfrastrukturen der Forschung genannt werden. Dies könnte bedeuten, dass die in der Förderung administrativ aufwändigeren kleinen und mittelgroßen F&E- und Transferprojekte, für die die Hochschulen, aber auch die für die Innovationsfähigkeit Europas wichtigen KMU stehen, eine geringere Förderung erfahren.


Die Vereinfachungsdebatte muss ebenso energisch auch im Bereich der Strukturfonds geführt werden, da sich hier aus Sicht eines Antragsstellers die Regelwerke von unterschiedlichen Generaldirektionen der EU-Kommission und denen der Mitgliedsstaaten und Regionen einschließlich ihrer Programm-träger oft gegenseitig aufaddieren und so den Bürokratieaufwand für den Nutzer enorm erhöhen. So kommt es durchaus vor, dass in einem großen Förderprojekt drei Arten der Mehrwertsteuerabrechnung gefordert sind. Die Anerkennung nationaler und regionaler Abrechnungsmethoden durch die EU, aber auch die Frage, wie die Vergabe, der Zugang und die Beratung zur Nutzung von europäischen Finanzinstrumenten organisiert wird, wirft dringenden Handlungsbedarf auf. Der "one-stop-shop" für die Beratung zu europäischen Förderinstrumenten im Bereich F&E und Innovation ist durchaus nicht der Regelfall.


Die neue Innovationsstrategie der EU legt großen Wert auf eine innovations-fördernde Beschaffungspolitik der öffentlichen Hände. Die Projektrealität zeigt jedoch, dass die EU-Wettbewerbsregeln die Beschaffungsmaßnahmen in wirklich innovativen F&E-Projekten behindern, da hier oft nur mit einem hoch spezialisierten Lieferanten gearbeitet werden kann. Auch das "Common Procurement Vocabulary (CPV)" der EU berücksichtigt nicht die Bedürfnisse innovativer Forschung an Hochschulen und Forschungseinrichtungen.


9. Inwieweit sollte sich eine stärkere Fokussierung auf gesellschaftliche Herausforderungen auf das Gleichgewicht zwischen Forschung aus Neugier und Planforschung auswirken?


Die im Bereich der anwendungsnahen Forschung vorgenommene Ausrichtung der EU-Förderung auf bestimmte große gesellschaftliche Herausforderungen ist prinzipiell zu begrüßen, da sie Effizienzgewinne bewirken und den gesellschaftlichen Nutzen mehren kann. Sie darf aber nicht zu eng gefasst werden und muss durch themenoffene ("bottom-up") Programmformate in der Verbundforschung ergänzt werden, um das Risiko falscher Entscheidungen (und der daraus entstehenden Pfadabhängigkeiten) gering zu halten. Letztere könnten sich nach Auffassung der deutschen Hochschulen und Wissenschafts­organisationen an den Instrumenten NEST (New and Emerging Science and Technology) im 6. Forschungsrahmen-programm oder an den FET-Open (Future and Emerging Technologies) im 7. Forschungsrahmenprogramm orientieren.


Die Identifizierung gesellschaftlicher Herausforderungen ist dabei legitime Aufgabe der Politik. Die Frage jedoch, mit welchen Forschungsansätzen diese Herausforderungen anzugehen sind, kann nur durch die Wissenschaft kompetent beantwortet werden. Die europäischen Hochschulen, die wie keine anderen Forschungseinrichtungen über starke gesellschaftliche Rückbindungen verfügen, sollten umfassend in den Prozess des "Über-führens" der Grand Challenges auf die Ebene konkreter Forschungsthemen und Programmaufrufe eingebunden werden.


Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen können nur auf interdisziplinärem Wege erfolgreich bearbeitet werden. Ausschließlich technologieorientierte Ansätze sind deshalb untauglich. Die Beiträge der geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Forschung müssen aus diesem Grund Eingang in die Forschungsagenden finden. Die Verankerung eines entsprechenden Unterprogramms mit eigenständigem Budget ist daher aus Sicht der deutschen Hochschulen notwendig. Das Programm sollte neben einer eigenständigen geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Forschung ("vertikale Programmdimension") auch Beiträge zu den verschiedenen Grand Challenges und anderen EU2020-Flaggschiffinitiativen ("horizontale Programmdimension") finanzieren.10. Sollte Bottom-up-Tätigkeiten mehr Raum gegeben werden?


Wissenschaftsgeleitete Forschungsaktivitäten müssen gegenüber der strategisch ausgerichteten Programmforschung in ein adäquates Gleichwicht gebracht werden. Die dem Europäischen Forschungsrat (ERC) und den Marie Curie-Maßnahmen zugrunde liegenden spezifischen Programme sind nicht zuletzt aufgrund ihres themenoffenen Profils Erfolgsbeispiele des Forschungs-rahmenprogramms und müssen dergestalt weitergeführt werden.


Gleichzeitig ist es wichtig, dass im Falle des ERC das Merkmal der "bottom-up"-Ausrichtung und das Format der Individualförderung ("investigator-driven resesarch") auch weiterhin eine Einheit bilden.


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12. Wie sollte die Rolle der gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission im Hinblick auf die Unterstützung der Politik und die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen verbessert werden?


Ein Ausbau der Kompetenzen bzw. der finanziellen Ausstattung der gemeinsamen Forschungsstelle ist aus Sicht der deutschen Hochschulen wenig sinnvoll. Die Politik sollte nicht nur auf eine wissenschaftliche Beratung durch direkt unterstellte Ressortforschungseinrichtungen setzen, sondern sich immer wieder auch der Diversität der Forschungsergebnisse der Hochschulen stellen, um nicht in die Gefahr einseitiger Meinungsbildung zu geraten.


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15. Wie sollte die Beteiligung der Industrie an den Forschungs- und Innovationsprogrammen der EU gestärkt werden? Wie sollten die gemeinsamen Technologieinitiativen (wie die im laufenden Rahmen-programm) oder verschiedene Formen öffentlich-privater Partnerschaften unterstützt werden? Welche Rolle sollten die europäischen Technologieplattformen spielen?


Das größte Potenzial für eine stärkere Industriebeteiligung steckt zweifelsohne in den Bemühungen um eine administrative Vereinfachung der Forschungsfinanzierung. Hohe bürokratische Hürden und die noch immer viel zu großen Zeitfenster zwischen Antragstellung und -bewilligung ("Time-To-Grant") schrecken viele Unternehmen von einer Beteiligung am Forschungsrahmenprogramm ab. Dies gilt umso mehr für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die in vielen Fällen nur über begrenzte administrative Kapazitäten verfügen und deutlich kürzere Planungshorizonte haben.So wie die deutschen Wissenschafts­organisationen hat auch die deutsche Industrie wiederholt deutlich gemacht, dass sich das Instrument der Verbundforschung in ihren Augen bewährt hat, in Zukunft allerdings kleineren Projekten mehr Platz eingeräumt werden sollte.


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20. Wie sollten die für die EU-Finanzierung geltenden Rechte des geistigen Eigentums gewährleisten, dass ein echtes Gleichgewicht zwischen Aspekten der Wettbewerbsfähigkeit und der Notwendigkeit des Zugangs zu wissenschaftlichen Ergebnissen und ihrer Verbreitung geschaffen wird?


Die deutschen Hochschulen begreifen Open Access als wirkungsvollen Mechanismus der Wissensverbreitung im Europäischen Forschungsraum und unterstützen vor diesem Hintergrund die Empfehlungen der Open Access-Arbeitsgruppe der Europäischen Universitätsvereinigung EUA vom 26.3.2008.


Die Regelungen zum Umgang mit geistigem Eigentum und den hiermit verbundenen Nutzungsrechten müssen für alle EU-finanzierten Instrumente und Programme einheitlich gestaltet werden. Sie sollten sich an den Leitlinien orientieren, die die europäischen Hochschulen gemeinsam mit Vertretern der europäischen Wirtschaft und anderen Forschungseinrichtungen in der Charta "Responsible Partnering" aufgestellt haben.


21. Wie sollte die Rolle des Europäischen Forschungsrates im Hinblick auf die Unterstützung globaler Exzellenz gestärkt werden?


Damit sich der ERC international als Exzellenzförderinstitution etablieren kann, ist es unerlässlich, sowohl sein Budget kontinuierlich zu erweitern als auch seine administrative und wissenschaftliche Autonomie langfristig sicherzustellen. Der wissenschaftliche Rat des ERC muss sowohl mit Blick auf die Prozesse der Entscheidungsfindung wie auch auf seine Besetzungsver-fahren völlig frei von äußerer Einflussnahme agieren können und sollte dabei höchstmögliche Transparenz herstellen. Die drei Kernprinzipien "Exzellenz als alleiniges Förderkriterium", "Themenoffenheit" und "investigator-driven research" sind Grundlage seiner bisherigen Erfolgsgeschichte und dürfen keinesfalls aufgeweicht werden.


22. Wie sollte die EU die Mitgliedstaaten beim Aufbau von Exzellenz unterstützen?


Die Kohäsionspolitik der EU muss die Förderung "kapazitätsbildender Maßnahmen" für Hochschulen und andere Einrichtungen der Forschung und Entwicklung zu einem zentralen Aufgabengebiet machen, um so die Innovationsstärke von aufstrebenden Unternehmen und Hochschulen in weniger wettbewerbsfähigen Regionen zu steigern. Damit einhergehen muss die Möglichkeit, mit allen Finanzierungsinstrumenten der EU die Entwicklung von Wissensdreiecken aus Bildung, Forschung und Innovation zu unterstützen. So wird es mehr Unternehmen wie Hochschulen in den Regionen ermöglicht werden, Anschluss an die Spitze zu gewinnen und sich als attraktiver Partner anzubieten. Kohäsionspolitik sollte Investitionen in Hochschulen, Forschung und Wissenschaft als Infrastrukturpolitik in einem weiteren Sinne interpretieren.


Für die Entscheidungsfindung für kapazitätsbildende Maßnahmen auf der Projektebene sind hier andere Regelwerke notwendig als bei der Spitzenförderung, in der allein das Exzellenzprinzip gelten kann. Dessen ungeachtet müssen auch bei forschungsnahen Projekten mit kapazitäts-bildender Zielsetzung der Wettbewerb und eine neutrale Urteilsfindung durch die bewährten Methode der Begutachtung durch erfahrene und herausragende Wissenschaftler und Experten ("Peer Review") gewährleisten, wo immer das möglich ist. Hier scheint auch eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit in vielen Fällen sinnvoll, um eine qualitätssichernde Begutachtung auf hohem Niveau zu ermöglichen.


23. Wie sollte die Rolle der Marie-Curie-Maßnahmen im Hinblick auf die Förderung der Mobilität von Forschern und die Entwicklung attraktiver Laufbahnen gestärkt werden?


Die Doktorandenförderung bei Marie Curie durch die Initial Training Networks (ITN) hat sich in den Augen der deutschen Hochschulen bewährt, bedarf allerdings dringend einer finanziellen Aufstockung. Nur auf diese Weise - und nicht durch die Einführung von Kofinanzierungsverpflichtungen - lässt sich den äußerst niedrigen Bewilligungsquoten bei der Antragstellung und der damit verbundenen Ablehnung zahlreicher exzellenter Anträge sinnvoll begegnen. Nach wie vor lassen sich starke Überlappungen zwischen den ITN und den Erasmus Mundus Joint Doctorates (EMJD) feststellen, die im Sinne der Programmkohärenz und -effizienz beseitigt werden sollten.

Die Marie Curie-Maßnahmen sollten auch weiterhin als Instrument zur Förderung der geographischen und intersektoriellen Mobilität von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern konzipiert sein. Das hier zugrundeliegende Verständnis von "intersektoraler Mobilität" darf sich allerdings nicht auf eine reine Industriebeteiligung beschränken. Fachdisziplinen, die keine oder nur schwach ausgeprägte Beziehungen zur Industrie unterhalten - wie bspw. den Geistes- und Gesellschaftswissen-schaften - würde die Teilnahme ansonsten stark erschwert bzw. unmöglich gemacht.


Das Kofinanzierungsinstrument COFUND sollte in Zukunft auch kleineren Antragstellern zugänglich gemacht werden, z.B. kleineren Hochschulen. Die deutschen Hochschulen begrüßen die geplante Pilotinitiative zur Förderung von Promotionen ausländischer Doktoranden innerhalb der Industrie ("Industrial PhD") aus EU-Mitteln, wie sie gegenwärtig mit Blick auf das Arbeitsprogramm des Jahres 2012 diskutiert wird, ab. Sie geben allerdings auch zu bedenken, dass nicht finanzielle Anreize in Form von Subventionen, sondern ein (antizipierter) beiderseitiger Nutzen für Unternehmen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Ausschlag für das Zustandekommen und den erfolgreichen Ablauf solcher Kooperationen geben. Die lange Tradition von Industriepromotionen in Deutschland zeigt dies sehr deutlich. Die Pilotinitiative muss sorgfältig geplant werden, um die Wahrscheinlichkeit ausgeprägter Mitnahmeeffekte möglichst gering zu halten.


24. Welche Maßnahmen sollten auf EU-Ebene ergriffen werden, um die Rolle von Frauen in Wissenschaft und Innovation weiter zu stärken?


Die deutschen Hochschulen sehen sich dem Ziel der (beruflichen) Chancengleichheit verpflichtet und verfolgen es hochschulintern als strategische Querschnittsaufgabe. Auf EU-Ebene haben sie die European Partnership for Researchers ("Forscherpartnerschaft") unterstützt und verweisen in diesem Zusammenhang auf die Berichte der deutschen Bundesregierung im Jahr 2009/2010, an deren Erstellung sie beteiligt waren.

Viele der hier beschriebenen Förderinstrumente, z.B. die Auflage eines Kompensationsfonds für durch Schwangerschaft bedingten Arbeitszeitausfall oder die Anerkennung von Schwangerschafts- bzw. Erziehungszeiten bei der Bewertung individueller Forschungsleistungen, könnten als Vorlage für die EU-Förderung dienen.


25. Wie sollten Forschungsinfrastrukturen (einschließlich EU-weiter e-Infrastrukturen) auf EU-Ebene unterstützt werden?


Die Förderung europäischer Infrastrukturen sollte auf der Basis eines auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene abgestimmten Finanzierungs-konzepts erfolgen. Die Kombination von Fördermitteln aus den Strukturfonds und dem Forschungsrahmenprogramm erweist sich in der Praxis oft als zu kompliziert und schließt eine kostendeckende Beteiligung von Hochschulen aus. Der von der Europäischen Kommission verfolgte Ansatz eines "Common Strategic Framework" für Forschung und Innovation böte hierfür einen viel versprechenden Rahmen für Verbesserungen.


Die synergetische Vernetzung und die wissenschaftliche Nutzung bestehender Infrastrukturen - auch durch ausländische Forscherinnen und Forscher - müssen verstärkt werden. Außerdem sollten fachspezifische und transnationale Ausbildungsaktivitäten europäischer Infrastrukturen, insbesondere in Kooperation mit Hochschulen, über EU-finanzierte Programme unterstützt werden. Im Falle einer EU-Förderung für Forschungsinfrastrukturen sollte Open Access als Grundprinzip der Veröffentlichungspraxis verankert werden.


26. Wie sollte die internationale Zusammenarbeit mit Drittstaaten unterstützt werden, z. B. im Hinblick auf vorrangige Bereiche von strategischem Interesse, Instrumente, Gegenseitigkeit (einschließlich Aspekte des Schutzes von Rechten des geistigen Eigentums) oder die Zusammenarbeit mit Mitgliedstaaten?


Die deutschen Hochschulen sehen in der weiteren Öffnung des Europäischen Forschungsraums für Kooperationen mit Drittstaaten eine Grundvoraussetzung, um dessen Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft sicherzustellen. Wissenschaft ist per definitionem international. Daher sollte die geographische Dimension in den EU-geförderten Mobilitätsmaßnahmen noch stärker "international" als "europäisch" definiert werden. Die Förderung internationaler Kooperation muss immer auch durch Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des europäischen Wissenschaftsstandorts sowie durch eine konsequente Förderung bei der Erarbeitung und Umsetzung individueller Internationalisierungsstrategien durch europäische Hochschulen und andere Forschungseinrichtungen flankiert werden.


27. Zur Überwindung welcher Hauptprobleme und -hindernisse im Hinblick auf den EFR sollten die Finanzierungsinstrumente der EU eingesetzt werden, und wo sollten andere Maßnahmen greifen (z. B. legislativer Art)?


Verbundforschung und die Marie Curie-Maßnahmen sind bei der Schaffung des Europäischen Forschungsraums die zentralen Finanzierungsinstrumente des Forschungsrahmenprogramms und müssen daher ein entsprechendes Gewicht in den Planungen für die Zeit ab 2014 spielen.