Überlegungen zur Zusatzfinanzierung privater Hochschulen aus öffentlichen Mitteln


Entschließung des 185. Plenums vom 6. Juli 1998



1. In den letzten Monaten werden zunehmend Initiativen zur Gründung privater Hochschulen in Deutschland vorgestellt, die, in der Regel begrenzt auf ein Fach (Wirtschafts­wissenschaften in ihren verschiedenen Ausprägungen),

  • weitgehend außerhalb des staatlichen Regelwerks für die Hochschulen,
  • bei Forderung von Studiengebühren bis zu 40.000 DM pro Jahr,
  • für eine kleine Zahl von Studierenden nach Auswahl durch die Hochschulen
  • eine staatliche Zusatzfinanzierung erwarten.

2. Von den derzeit rund 300 allgemein zugänglichen Hochschulen in Deutschland sind etwa 20 Prozent Hochschulen in privater Trägerschaft. Mehr als die Hälfte dieser privaten Hochschulen wird von Kirchen getragen. Die privaten Hochschulen nehmen knapp 3 Prozent der Studienanfänger und 2 Prozent der Studierenden in Deutschland auf. Die meisten privaten Hochschulen erhalten in unterschiedlichem Ausmaß und auf unterschiedlicher Rechtsgrundlage eine staatliche Zusatzfinanzierung.


3. Das Hochschulsystem in Deutschland ist demzufolge ganz überwiegend ein System

  • staatlich gegründeter,
  • staatlich durch Hochschulgesetze, andere Gesetze und Verordnungen organisierter und
  • staatlich betriebener und finanzierter Hochschulen.

Die Hochschulen in staatlicher Trägerschaft haben trotz weiter bestehenden Bedarfs an strukturellen Reformen in den letzten Jahren bei knapper Ausstattung erhebliche Leistungen erbracht (vgl. Anhang).


4. Die private Trägerschaft von Hochschulen ermöglicht, zum großen Teil auf (unnötige) staatliche Reglementierung (z.B. auf dem Gebiet des Zulassungs-, Kapazitäts-, Dienst- und Haushaltsrechts) zu verzichten. Dies schafft für die privaten Hochschulen rechtliche und organisatorische Freiräume und damit eine Handlungsfreiheit, die den staatlichen Hochschulen von den meisten Ländern noch verweigert wird, wie die Diskussion über die Landeshochschulgesetze zeigt. Die HRK fordert die Länder auf, den staatlichen Hochschulen die gleichen Freiheitsgrade wie privaten Hochschulen einzuräumen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.


5. Hochschulen haben ihre Hauptaufgaben in Lehre und Forschung, Universitäten zudem in der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Auch private Hochschulen, die den Namen Universitäten oder Fachhochschulen beanspruchen, müssen diese Aufgaben erfüllen. Es ist offensichtlich, daß diese Aufgaben auf qualitativ vertretbarem Standard und in angemessener fachlicher Breite nur mit einer hinreichenden Personal-, Raum- und Sachmittelausstattung erfüllt werden können. Dies gilt insbesondere für die Verleihung des Promotionsrechts.


Es ist keinesfalls ausreichend, wenn ein wesentlicher Teil der Lehre an privaten Hochschulen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler staatlicher Hochschulen in Nebentätigkeit zu ihren Hauptaufgaben an einer staatlichen Hochschule und möglicherweise zu deren Nachteil angeboten wird. Vielmehr ist die Lehre überwiegend von hauptberuflichem wissenschaftlichem Personal der privaten Hochschulen zu erbringen.


6. Private Hochschulen sollen prinzipiell privat finanziert werden. Für die Nutzung von Ressourcen staatlicher Hochschulen sind die Kosten in voller Höhe zu erstatten. Staatliche Zuschüsse dürfen - in "public-private-partnership" - nur in Betracht kommen, wenn

  • die private Hochschule über die - von den Landeshochschulgesetzen geforderte - Gleichwertigkeit mit staatlichen Universitäten und Fachhochschulen hinaus ein von diesen nicht angebotenes, neuartiges Studienangebot macht, der staatliche Zuschuß also einen zusätzlichen Nutzen für die öffentliche Hand darstellt,
  • die Unabhängigkeit der privaten Hochschule in inhaltlichen Fragen von Forschung und Lehre gegenüber den privaten Finanzierungsträger gewährleistet ist,
  • die Qualitätssicherungsverfahren für die Auswahl des wissenschaftlichen Personals denen staatlicher Hochschulen sowie der Studierenden zumindest denen staatlicher Hochschulen entsprechen,
  • die Zulassung von Studienbewerbern ausschließlich nach Eignungs- und Leistungskriterien unabhängig von Herkommen und Einkommen der Eltern erfolgt,
  • die Studiengänge im Hinblick auf Struktur, Inhalt und Realisierbarkeit akkreditiert und dadurch die Hochschulabschlüsse anerkannt werden,
  • der Zuschuß zu einem Kostenvorteil für den Steuern zahlenden Bürger führt, d.h. qualitativ mindestens gleichwertige Absolventinnen und Absolventen einen geringeren Kostenbeitrag des Staates pro Kopf erfordern als an Hochschulen in staatlicher Trägerschaft.

Diese Bedingungen werden von den neu geplanten privaten Hochschulen, soweit darüber Einzelheiten bekanntgeworden sind, nicht erfüllt.


 


Anhang: Leistungen der Hochschulen


In den alten Bundesländern sind

  • die Zahlen der Studienanfänger im Jahre 1997 gegenüber 1977 um 38 Prozent gestiegen; 1990 waren es sogar 67 Prozent;
  • die Studierendenzahlen um 78 Prozent gestiegen, 1993 waren es sogar 87 Prozent;
  • die Zahlen der Absolventen 1996 gegenüber 1977 um etwa 75 Prozent gestiegen;
  • die Zahlen der Stellen für wissenschaftliches Personal demgegenüber nur 10 Prozent (1996) und
  • die Zahl der flächenbezogenen Studienplätze nur um 19 Prozent (1995) gestiegen.

Die Ausgaben der Hochschulen in ganz Deutschland im Jahr 1995 beliefen sich brutto auf 48,7 Mrd. DM. Darin sind Einnahmen aus der Krankenversorgung in den Universitätskliniken von 14,1 Mrd. DM. enthalten. Ferner entfallen rund 15 Mrd. DM auf Forschungsausgaben darunter 4,1 Mrd. DM auf von den Hochschulen eingeworbene Drittmittel für Forschung. Auf Lehre und Infrastruktur entfallen demnach rund 20 Mrd. DM pro Jahr.


Die Grundmittel für Forschung und Lehre betrugen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Jahr 1995 umgerechnet pro Student 11.900 DM gegenüber 11.000 DM im Jahr 1980. Real, daß heißt kaufkraftbereinigt sind die Ausgaben pro Student von 1980 bis 1995 um mehr als ein Drittel zurückgegangen. Der Anteil der Ausgaben für die Hochschulen einschließlich BAFÖG und Graduiertenförderungsgesetz am Bruttoinlandsprodukt ist in den alten Ländern von 1,32 Prozent im Jahr 1975 um 37 Prozent auf 0,83 Prozent im Jahr 1995 gesunken.


Die Zahl der Hochschulabsolventinnen und -absolventen, deren Arbeitslosenquote unterhalb der Hälfte der allgemeinen Arbeitslosigkeit liegt, zeigt die Leistungsfähigkeit der staatlichen Hochschulen in der Lehre. Die in den letzten Jahren eingerichteten Sonderforschungsbereiche und Graduiertenkollegs zeigen ebenso wie die neueingerichteten Studiengänge mit dem Abschluß Bachelor und Master sowie Studiengänge mit fremdsprachigen Komponenten die Innovationskraft der staatlichen Hochschulen trotz Überlastung und Unterfinanzierung.