Entschließung des 197. Plenums vom 9. Juli 2002
Die Zukunftsfähigkeit Deutschlands ist die beherrschende gesellschaftspolitische Frage unserer Zeit. Sie bezieht sich auf den Standort Deutschland in einem globalisierten Wettbewerb, auf die nachhaltige Sicherung unserer Zukunft durch Bildung und Wissenschaft und sie bezieht sich vor allem auf die Gewinnung von Wissen als dem überragenden Rohstoff. Damit bilden die Hochschulen den Motor für den Erfolg unserer Gesellschaft.
Den deutschen Hochschulen kommt bei der Schaffung einer kompetitiven Wissensgesellschaft eine herausragende Rolle zu. Sie nehmen diese zukunftssichernde Verpflichtung seit langem wahr, was die Erfolge deutscher Absolventen im In- und Ausland zeigen. Allerdings sind die Rahmenbedingungen unter denen diese Leistungen bisher erbracht wurden nicht mehr zukunftsfähig. Weder die Finanzausstattung noch die Entscheidungsspielräume der Hochschulen halten einem internationalen Vergleich stand. So werden in den USA pro Studierendem bei 60% Studierquote (Tertiärer Bildungsbereich) mehr als $ 19.000, in Deutschland bei einer Studierquote von 30% nur $ 9.500 investiert. Hier müssen endlich neue Prioritäten gesetzt werden. Ist der Bildungspartner Staat, so fragen und fordern die Hochschulen, zu einer Offensive "Wissen schaffen für die Zukunft" bereit?
Zu einer solchen von Bund, Ländern und Hochschulen getragenen Offensive gehören eine nachhaltige Verbesserung der finanziellen Grundausstattung der Hochschulen durch die Länder, die rahmengesetzliche Verankerung des Rechts der Hochschulen, die Studiereignung ihrer Studierenden schon zu Anfang festzustellen sowie darüber hinaus beispielhaft auch folgende zwei Handlungsfelder:
Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau stärken und modernisieren
Tropfende Dächer und Laborgebäude mit mangelnder Arbeitssicherheit und veraltetes Laborgerät behindern ein effizientes Studium und hochtechnologisches Forschen. Der Wissenschaftsrat, Beratungsorgan des Bundes und der Länder in allen wichtigen hochschulpolitischen Fragen, hat selbst einen Stau an dringend erforderlichen aber bislang unerledigten Bau- und Sanierungsmaßnahmen in Milliardenhöhe festgestellt.
Deshalb bleibt die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau unerlässlich. Erstens, weil erst sie einen fairen Wettbewerb ermöglicht. Finanzstarke Länder sehen in ihr zwar oft eine unliebsame Einmischung des Bundes in originäre Zuständigkeiten der Länder und einen Hemmschuh für ambitionierte Projekte. Demgegenüber darf aber nicht verkannt werden, dass die finanzschwächeren Länder ohne die Gemeinschaftsaufgabe auch nicht annähernd mit den starken Ländern Schritt halten könnten. Die HRK fordert deshalb nachdrücklich eine Fortführung der Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau und finanzielle Zuwächse gemäß den Empfehlungen des Wissenschaftsrates, die den Abbau des unübersehbaren Investitionsstaus erlauben.
Zweitens bleibt die Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau wichtig, auch wegen ihrer länderübergreifenden Komponente, die angesichts des europäischen Hochschul- und Forschungsraumes in einem System des Bildungsföderalismus notwendig ist. Dabei spielt die Qualitätssicherung über die Begutachtung von Projekten durch den Wissenschaftsrat eine entscheidende Rolle. Die HRK fordert allerdings, dass das Vergabeverfahren einfacher und schneller wird.
Bildungsinvestitionen als umgekehrter Generationenvertrag
Hochqualifizierte Ausbildung ist eine Investition in die Zukunft des Einzelnen ebenso wie in die Zukunft der gesamten Gesellschaft. Für den Zugang zum Hochschulstudium darf nur die Studierfähigkeit maßgeblich sein, die eigene wirtschaftliche Situation bzw. die der Eltern darf bei dem Lebensentwurf einer Studienbewerberin/eines Studienbewerbers keine Rolle spielen. Dem trägt die gegenwärtige Studienförderung (BAföG) nicht in ausreichendem Maße Rechnung.
Die HRK fordert deshalb Bund und Länder auf, den bereits einmal aufgenommenen und dann wieder abgebrochenen Weg in eine elternunabhängige Ausbildungsförderung zu ebnen.
Die Zukunftsinvestitionen junger Erwachsener als Studierende sollte nicht an den familien-rechtlichen Unterhaltsanspruch geknüpft werden. Die richtige Konzeption ist ein umgekehrter Generationenvertrag, bei dem der steuerzahlende Teil der Gesellschaft durch ein staatliches Finanzierungssystem in Vorleistung tritt, und die auf diese Weise geförderten Studierenden diese Vorleistung später zum Teil aus ihrem Einkommen zurückbezahlen, wobei sich der Umfang der Rückzahlung nach der Höhe der Einkommen richten kann. Der Grundstock eines solchen Systems kann durch die Zusammenführung der bereits vorhandenen staatlichen Leistungen (BAföG, Kindergeld, Ausbildungs-Freibeträge) gelegt werden.
Die zusätzlich vom Bund zu erbringende Leistung bestünde darin, die Finanzierung der Anschubphase (bis ausreichend Rückflüsse kommen) zu gewährleisten und das (angesichts der Erfahrungen bei BAföG) sehr geringe Ausfallrisiko bei dem Darlehnsteil infolge ausbleibender Rückzahlung zu übernehmen.
Ein solches Studienfinanzierungssystem ist kein Wohlfahrtsgeschenk, sondern ein Instrument zur Sicherung der Wissenspotenziale der jungen Generation für unsere Zukunft und zur Sicherung von Wettbewerbschancen durch eine möglichst hohe Beteiligung aller Geeigneten an Bildung und Ausbildung.