Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Mutterschutzgesetzes


Beschluss des 133. Senats der HRK am 15. Juni 2016

Mit Erstaunen hat der Senat der HRK den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) zur Kenntnis genommen. Entgegen der Empfehlung der HRK ist weiterhin geplant, Studentinnen in den Anwendungsbereich des MuSchG aufzunehmen.

Die deutschen Hochschulen engagieren sich in vielfältiger Weise für den Schutz von Familie und Schwangerschaft, indem sie entsprechende Audit-Verfahren durchlaufen und passende regulatorische und praktische Vorkehrungen treffen.


I. Inhalte
Gegen eine Aufnahme von Studentinnen in den Anwendungsbereich des MuSchG sprechen aus Sicht der Hochschulen zunächst die folgenden sachlich-rechtlichen Überlegungen:

Beim MuSchG handelt es sich auch in der Entwurfsfassung weiterhin um ein Arbeitsschutzgesetz; entsprechend ist die verwendete Begrifflichkeit (Arbeitgeber, Arbeits- und Ausbildungsplatz, Beschäftigung etc.). Durch eine unvermittelte Einbeziehung der Studentinnen und Hochschulen in ein Arbeitsschutzgesetz wird der Besonderheit eines Hochschulstudiums nicht Rechnung getragen. In allen Hochschulgesetzen wird diese Besonderheit festgehalten: „Lehre und Studium vermitteln wissenschaftlich-kritisches Denken und in entsprechenden Studiengängen künstlerische Fähigkeiten mit fachübergreifenden Bezügen. Sie bereiten die Studierenden auf ein berufliches Tätigkeitsfeld vor und vermitteln die entsprechenden fachlichen Kenntnisse und Methoden. Sie befähigen zu wissenschaftlicher und in entsprechenden Studiengängen zu künstlerischer Arbeit und fördern verantwortliches Handeln im freiheitlichen, demokratischen und sozialen Rechtsstaat“ (stellvertretend § 13 HE LHG).

In der Folge kann die Beziehung zwischen Studentin und Hochschule nicht als die etablierte „klassische“ Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verstanden werden. Zwar ist versucht worden, die besonderen Bedingungen an den Hochschulen durch spezifische Ausnahmereglungen abzubilden, dennoch ändert sich nichts an der Gesamteinschätzung. Es entspricht nicht der schon im Hochschulrahmengesetz fixierten Studierfreiheit, diese erst durch Ausnahmeregelungen wieder herzustellen. Vielmehr besteht durch die Regelungsvorschläge des Entwurfs sogar das Risiko der Diskriminierung schwangerer und stillender Studentinnen.

Sachnähere Regelungen zum Schutz von schwangeren Studentinnen etwa zu Prüfungsterminen und Freisemestern existieren an allen Hochschulen und werden durch die Hochschulen in der Regel in den entsprechenden Satzungen getroffen. Sofern gesetzliche Regelungen formuliert werden sollen, wären selbst Bestimmungen in den Landeshochschulgesetzen zielführender und sachlich angemessener als die geplante Neufassung des MuSchG (so z.B. in § 64 NRW LHG mit Regelungsverweis auf die Prüfungsordnungen).

Auch das in der Begründung des Entwurfs angeführte Argument der Vereinheitlichung für alle Bundesländer greift nicht: Da die gesetzliche Regelung nur auf verpflichtende vorgegebene Lehrveranstaltungen und Prüfungen anzuwenden ist, ist die Ausgangslage z.B. in NRW und Schleswig Holstein, wo die Anwesenheitspflichten hochschulrechtlich eingeschränkt wurden, gänzlich anders. Im Übrigen hängt sie in allen Bundesländern von den Hochschulordnungen ab.

II. Administration
Neben diesen problematischen sachlich-rechtlichen Aspekten würde auf die Hochschulen eine Vielzahl von Verwaltungsaufgaben zukommen, für die zusätzliches Personal benötigt würde, das bisher nicht in der Grundausstattung vorgesehen ist. So müssten nun für die schwangeren Studentinnen die Arbeitsbedingungen konkret beurteilt, die Ergebnisse der Beurteilung der Arbeitsbedingungen dokumentiert und die Studentinnen über diese Ergebnisse informiert werden. Zudem müsste eine Meldung über schwangere und stillende Studentinnen an die jeweilige Aufsichtsbehörde erfolgen. Der Mehrwert dieser Vorgaben für die schwangeren Studentinnen ist dagegen gering, da z.B. die Gefahrstoff- und Biostoffverordnung auch bisher schon auf Studentinnen Anwendung findet.

Vor diesem Hintergrund fordert der Senat der HRK die gesetzgebenden Organe auf, eine sachfremde und überregulierende Einbeziehung von Studentinnen in den Anwendungsbereich des Mutterschutzgesetzes zu verhindern.