Zum Patentwesen an den Hochschulen


Entschließung des 183. Plenums vom 10. November 1997



Zum Patentwesen an den Hochschulen



Inhalt


Zusammenfassung


Einleitung


I. Grundsätze

  1. Patente als Beitrag zur Wissenschaft
  2. Schutzrechtspolitik der Hochschulen

II. Steigerung des Patentbewußtseins

  1. Patentwesen in der Ausbildung
  2. Patente als Leistungsindikatoren
  3. Patentbeauftragte und Patentbüro

III. Anmeldung und Verwertung

  1. Patentanmeldung
  2. Sicherung der Verwertungskette
  3. Verwertungseinrichtung an der Hochschule

IV. Rahmenbedingungen

  1. Studie zum Hochschullehrerprivileg
  2. Kosten- und Finanzierungsaspekte
  3. Internationale Abkommen: Gemeinschaftspatent und Neuheitsschonfrist

V. Anmerkungen



Zusammenfassung


Geistiges Eigentum ist in der wissensbasierten Gesellschaft zu einem wichtigen Produktionsfaktor geworden. Unter den Schutzrechten für geistiges Eigentum ist das Patentrecht als gewerbliches Schutzrecht wegen seiner innovationspolitischen Bedeutung in den Vordergrund des Interesses beim Wissenstransfer und der Zusammenarbeit Hochschule-Wirtschaft gerückt.


Die HRK empfiehlt ihren Mitgliedshochschulen, unter dem Aspekt der Profilbildung eine aktive Schutzrechtspolitik zu betreiben und dabei dem Patentschutz in Zusammenarbeit untereinander und mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Patentbeauftragte, die unmittelbar der Hochschulleitung oder dem Senat berichten, sollten möglichst in jeder Hochschule eingerichtet werden.


Patente sollten als Beitrag zur Förderung nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der Wissenschaft verstanden werden. Die Grundlagen des Patentwesens sind daher dem wissenschaftlichen Nachwuchs, vor allem in den ingenieur- und naturwissenschaftlichen Fächern, zu vermitteln. Patente bzw. Patentbilanzen können mit Augenmaß als individuelle bzw. institutionelle Leistungsindikatoren eingesetzt werden. Die Zahl der Patentanmeldungen aus den Hochschulen ist zu steigern, auch um im Einzelfall eine bessere Ausgangsposition bei Verhandlungen mit der gewerblichen Wirtschaft zu erreichen.


Die Hochschulen sollten auf eine Sicherung der Verwertungskette achten und deshalb Verwertungseinrichtungen an bzw. zwischen Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen schaffen oder vorhandene Einrichtungen optimieren. Verwertungseinrichtungen können ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie marktnah operieren und von den Unternehmen als Partner respektiert werden.


Patentaktivitäten in und an den Hochschulen dürften sich in absehbarer Zukunft zwar nicht betriebswirtschaftlich, aber doch volkswirtschaftlich rentieren. Deshalb sind die eigenen Aktivitäten der Hochschulen (und Wissenschaftseinrichtungen) durch entsprechende staatliche Rahmenbedingungen zu begleiten (z.B. Anschubfinanzierung für Verwertungseinrichtungen, Finanzierung der Verteidigung von Schutzrechten, Wiedereinführung der Neuheitsschonfrist).


Einleitung


Eine moderne Industriegesellschaft wird u.a. durch immer kürzere Innovationszyklen und eine zunehmende Abhängigkeit von wissensbasierten Technologien charakterisiert. Die wissensbasierte Gesellschaft ist auf die intensive Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft angewiesen. Zur Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen einerseits und der Wirtschaft andererseits haben Hochschulrektorenkonferenz, Wissenschaftsrat, Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren u.a. Empfehlungen vorgelegt, die für die Förderung der Kooperation vor allem auf folgende Grundsätze verweisen:

  • Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft muß sehr früh im Entstehungsprozeß wissenschaftlich und wirtschaftlich relevanter Projekte einsetzen. Der traditionelle Technologietransfer von Forschungsergebnissen zur Wirtschaft muß umfassend in einen symbiotischen Wissenstransfer umstrukturiert werden.

  • Erkenntnisorientierte, anwendungsorientierte und produktorientierte Forschung dürfen nicht als Hierarchie, sondern müssen als gleichwertige, sich gegenseitig anregende Teilbereiche der Wissenschaft verstanden werden [1].

  • Die Hochschulen bilden über die Breite der Fächer den wissenschaftlichen Nachwuchs für alle Bereiche der Gesellschaft aus. Daher muß dieser auch mit ökonomischen, rechtlichen und sozialen Aspekten wissenschaftlicher Arbeit vertraut gemacht werden.

Die Erfüllung dieser Grundsätze ist von verschiedenen Faktoren abhängig, vor allem von den Organisationsformen innerhalb der Hochschulen, von den rechtlichen Rahmenbedingungen und der finanziellen Wissenschaftsförderung auf Seiten des Staates sowie von der Bereitschaft auf Seiten der Wirtschaft, Forschungskapazitäten auf hohem Niveau vorzuhalten.


In der Wissensgesellschaft ist das Wissen neben Kapital und Arbeit zu einem entscheidenden Produktionsfaktor geworden, der im Sinne "geistigen Eigentums" zu schützen ist. Schöpfungen des menschlichen Intellekts werden in Deutschland durch Schutzrechte [2] geschützt, von denen für die Hochschule zwei von besonderer Bedeutung sind.


Das Urheberrecht schützt Werke der Wissenschaft, Literatur und Kunst, einschließlich Software bei der Datenverarbeitung. Es entsteht mit der Schöpfung des Werkes, stellt die persönliche geistige Schöpfung unter Schutz und bietet dem Schöpfer eines Werkes Schutz gegen die Übernahme dessen individueller Züge und deren Vermarktung. Technisch geprägte Neuerungen bzw. Erfindungen lassen sich als Patent oder als Gebrauchsmuster [3] schützen.


Das Patent sucht den technischen Fortschritt dadurch zu fördern, daß es den Einsatz neuer technischer Lehren ihrem Inhalt nach erfaßt und den Einsatz (die Verwertung) derselben demjenigen ausschließlich vorbehält, der sie erstmals der Allgemeinheit gegenüber durch Anmeldung und Offenbarung beim Patentamt als seine Erfindung beansprucht [4].


In der Diskussion um die Sicherung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland und damit um die Schaffung neuer Arbeitsplätze ist im Dialog zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik das Patentwesen wegen seiner hohen innovationspolitischen Bedeutung in jüngster Zeit in den Vordergrund gerückt [5]. Einschlägige Entschließungen und Studien, die z.T. ausführliche Bestandsaufnahmen enthalten, sind bereits veröffentlicht oder als "graue Literatur" bekannt [6].


Zur Förderung des Patentwesens in den Hochschulen hat das Präsidium der HRK 1996 eine Präsidialarbeitsgruppe, der auch Vertreter außeruniversitärer Forschungseinrichtungen angehörten, eingesetzt, um Empfehlungen zum Patentwesen im Hochschulbereich vorzubereiten. Das Plenum der HRK hat die Vorlage der Arbeitsgruppe nach Erörterung im Präsidium der HRK beraten und am 10. November 1997 die folgenden Empfehlungen verabschiedet.


I. Grundsätze


1. Patente als Beitrag zur Wissenschaft


Patente werden für Erfindungen im Sinne technischer Lehren erteilt, die neu und gewerblich anwendbar sind und auf erfinderischer Tätigkeit beruhen. Der Staat macht die Einräumung eines Ausschließlichkeitsrechts für die Erfindung von der Offenlegung [7] des gesamten neuen Wissens abhängig. Die Erfindung muß vollständig und deutlich beschrieben sein, so daß sie von einem (fiktiven) Durchschnittsfachmann danach ausgeführt werden kann [8]. Das Patentwesen trägt somit zur Veröffentlichung von Forschungsergebnissen mit (potentiellem) wirtschaftlichem Wert und zum Transfer von Wissen unter gleichzeitiger Sicherung der Rechte des geistigen Eigentums bei, vor allem solchen Wissens, das jeweils mit hohen Investitionen in Forschung und Entwicklung verbunden war oder sein wird.


Ein Großteil der industriellen Forschungsergebnisse wird erstmals oder ausschließlich in der Patentliteratur veröffentlicht. Da in den großen Industrienationen die Gesamtforschungsausgaben mindestens zur Hälfte von Wirtschaftsunternehmen aufgebracht werden, bildet die Patentliteratur einen sehr umfangreichen und inhaltlich wesentlichen Teil der Veröffentlichungen zum Stand der Technik.


Patente werden nach einer international geltenden, fein gegliederten Klassifikation gekennzeichnet. Die Patentämter halten umfangreiche Sammlungen von Patentdokumenten bereit, zu denen allein in Deutschland jährlich mehr als 500.000 neue Dokumente hinzukommen. Das in den Patentdokumenten enthaltene Wissen ist somit international immer auf dem aktuellen Stand. In Deutschland sind bereits 27 Patentinformationszentren, davon der Großteil in Universitätsbibliotheken, aufgebaut worden. Allerdings wird derzeit in den Hochschulen die Patentliteratur von den Wissenschaftlern noch nicht hinreichend rezipiert und werden Patente noch nicht im angemessenen Maße als Nachweis wissenschaftlicher Qualifikation gewertet.


Die HRK empfiehlt daher, eine Offenlegungsschrift grundsätzlich als wissenschaftsnahe Publikation und ein Patent als Beitrag zur Wissenschaft aufzufassen.


2. Schutzrechtspolitik der Hochschulen


Hochschulen und öffentlich finanzierte, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen sind verpflichtet, über die Verwendung öffentlicher Mittel und die Erfüllung ihrer Aufgaben Rechenschaft abzulegen. Sie sollten ihre Forschungsergebnisse herausstellen und schützen. Der Umgang mit Schutzrechten und die Verwertung geistigen Eigentums werden für die Profilbildung der einzelnen Hochschulen in Zukunft größere Bedeutung erlangen, wie Erfahrungen der US-Hochschulen belegen.


Jede Hochschule sollte daher eine aktive Schutzrechtspolitik betreiben und dabei dem Patentschutz wegen dessen hoher wirtschaftlicher Bedeutung und zur Sicherung des Ertrags von FuE-Investitionen besondere Aufmerksamkeit widmen. Die Patentpolitik einer Hochschule muß die Aufgabe der Hochschule zur Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses für die Berufspraxis der nächsten Jahrzehnte im Auge behalten. Sie muß den allgemeinen Zielen der Hochschulforschung, insbesondere der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen und dem ungehinderten Austausch von Informationen mit in- und ausländischen Kollegen förderlich sein. Diese Aufgaben sind im Einzelfall von jeder Hochschule nach Maßgabe der jeweiligen Rahmenbedingungen zu lösen.


Den US-Hochschulen wurde mit dem Bayh-Dole Act 1980 zugestanden, die Rechte auch an Arbeitsergebnissen, die aufgrund öffentlicher Finanzierung zustande kamen, auf eigenen Namen zu verfolgen und sie auf eigene Rechnung ohne Rückzahlungsverpflichtungen zu verwerten. Seit 1984 darf die Verwertung auch exklusiv erfolgen, nachdem festgestellt wurde, daß die nichtexklusive Vergabe von schützenswerten Erfindungen auf dem Markt erfolglos geblieben war.


Besonders forschungsstarke US-Universitäten unterhalten mit Lizenzeinnahmen Patentbüros und Verwertungsgesellschaften und sie erzielen damit nicht nur volkswirtschaftlichen Nutzen, sondern in Einzelfällen - nach meist vieljähriger Anlaufzeit - auch betriebswirtschaftliche Überschüsse. In 1993 wurden von Hochschulen in den USA 3.835 Patentanmeldungen eingereicht. Aus deutschen Hochschulen stammten im selben Jahr 1.070 Patentanmeldungen, wovon allerdings 55 % von kooperierenden Unternehmen beim Patentamt eingereicht wurden.


Im Bezugsjahr wurden Hochschulen in den USA 1.603, in Deutschland 335 Patente erteilt. Den US-Hochschulen (ohne Kliniken) gelang es im Jahr 1995, aus 4.272 laufenden Lizenzverträgen Einnahmen in Höhe von 299 Mio. Dollar zu erzielen und 169 neue Unternehmen auf der Grundlage von Hochschulpatenten zu schaffen [9]. Ein analoges Verwertungsergebnis in Deutschland ist bislang nicht feststellbar.


Mit Blick auf die wachsende wirtschaftliche Bedeutung geistigen Eigentums und dessen Verwertung empfiehlt die Hochschulrektorenkonferenz ihren Mitgliedshochschulen, regional oder überregional Netzwerke zu bilden und/oder Allianzen einzugehen, um die für die Einrichtung von Patentbüros und Verwertungsgesellschaften (s.u. III.3.) nötige kritische Masse an Ressourcen und Erfahrung zu erreichen. Dabei sollte auch die Zusammenarbeit mit außeruniversitären, öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen gesucht und angeboten werden.


II. Steigerung des Patentbewußtseins


1. Patentwesen in der Ausbildung


Für die Aufrechterhaltung gesellschaftlichen Wohlstands dürfte es künftig erforderlich sein, daß mehr Menschen als bisher unternehmerisch handeln. Bei der Ausgestaltung von Studium und Lehre ist daher auf eine Sensibilisierung für entsprechende curriculare Bestandteile sowie für die wirtschaftlichen Anwendungsbezüge von Forschungs- und Entwicklungstätigkeit der Hochschule hinzuwirken.


Speziell das Patentwesen, dem im Berufsleben von Ingenieuren und Naturwissenschaftlern, aber auch von Juristen und Wirtschaftswissenschaftlern eine vergleichsweise große Bedeutung zukommt, nimmt in Lehre und Nachwuchsausbildung einen noch zu geringen Stellenwert ein. Allerdings gibt es in mehreren Hochschulen, vor allem in solchen mit ingenieurwissenschaftlichen Fakultäten/Fachbereichen, schon lange das entsprechende Ausbildungsangebot, das jetzt noch verstärkt wird. Dort ist die Initiative des BMBF "Verstärkte Integration des Patentwesens in die ingenieurwissenschaftliche Hochschulausbildung" (INPAT)10) auf gute Resonanz gestoßen.


In allen Hochschulen jedoch sollten Lehrveranstaltungen - ggf. im Aufbaustudium oder in der Weiterbildung - angeboten werden, in denen

  • der wissenschaftliche Charakter der Patentliteratur und

  • die Nutzung von Patentliteratur und einschlägigen Datenbanken vermittelt,

  • die Patentierungsvoraussetzungen im einzelnen erörtert,

  • die konkreten Verfahren der Schutzrechtssicherung vorgestellt und

  • Anleitungen zum neuheitsunschädlichen Publikationsverhalten für den Fall einer möglichen Patentanmeldung gegeben werden.

Zu letzterem ist zu beachten, daß der Fortschritt in der Kommunikationstechnologie dazu führt, daß sich die Rechtsprechung zur Frage, was unter "Publikation" zu verstehen sei, ändert. Da die Zugänglichkeit von Informationen als Kriterium zur Bewertung der Neuheit einer Erfindung herangezogen wird, ist auch und gerade bei on-line-Arbeiten der Aspekt neuheitsschädlichen "Publizierens" abzuklären [11]. Jeder Wissenschaftler sollte im Zweifelsfalle dem Motto "erst patentieren, dann publizieren" folgen. Dabei reicht regelmäßig die Anmeldung zum Patent aus (Prüfungsantrag muß nicht sofort gestellt werden).


Die Hochschulrektorenkonferenz empfiehlt den einzelnen Fachbereichen oder Fakultäten darauf hinzuwirken, daß für Diplomarbeiten oder Dissertationen in einschlägigen Fällen die Patentliteratur herangezogen wird [12].


2. Patente als Leistungsindikatoren


Technische Neuerungen, die sich als Erfindungen patentieren lassen und somit wissenschaftlichen Fortschritt mit wirtschaftlichen Chancen verbinden, müssen verstärkt als Leistungsindikatoren auf individueller und institutioneller Ebene Berücksichtigung finden. Bei der Einstellung von wissenschaftlichem (ggf. auch nicht-wissenschaftlichem) Personal, speziell bei der Berufung von Professoren, müssen Patente und Patentanmeldungen sehr viel stärker als bisher als Beiträge zur Wissenschaft gewertet werden.


Die HRK hat verschiedentlich betont, daß Hochschulen sich selbst auch als Forschungsförderungsorganisationen insoweit verstehen sollten, als zentrale Mittel leistungsorientiert, schwerpunktsetzend und profilbildend einzusetzen sind. Leistungsorientierte Mittelvergabe sollte selbstverständlich auch Erfindungen als Indikatoren für Leistungsfähigkeit und Leistungen einbeziehen.


Die Hochschulen sollten in ihren Jahresberichten auch eine Patentbilanz ausweisen. Bei der Bewertung der Patentbilanzen verschiedener Hochschulen sind Vergleiche aufgrund der unterschiedlichen Ausgangs- und Rahmenbedingungen allerdings nur schwer vorzunehmen. Gleichwohl darf eine positive Patentbilanz als Bestätigung der Personalpolitik und Schwerpunktbildung von Hochschulen interpretiert werden.


3. Patentbeauftragte und Patentbüro


Unbeschadet der Verantwortung der Hochschulleitung sollte in jeder Hochschule ein in Forschung und Lehre hochangesehener und mit dem Patentwesen vertrauter Professor damit beauftragt sein, für eine aktive Schutzrechtspolitik im Sinne der o.g. Grundsatzempfehlungen (I.2.) Sorge zu tragen und für die Möglichkeiten des Patentwesens unter den Wissenschaftlern, Nachwuchswissenschaftlern und Studierenden zu werben. Der Patentbeauftragte sollte der Hochschulleitung bzw. dem Senat unmittelbar berichten.


Zur Unterstützung des Patentbeauftragten sind jeweils angemessene organisatorische Vorkehrungen zu treffen. Ggf. ist ein Patentbüro einzurichten, dessen Mitarbeiter unter anderem Patentrecherchen durchführen. Ein Patentbüro ist vor allem dann empfehlenswert, wenn der persönliche Kontakt der Wissenschaftler und Studierenden zu den Experten einer Verwertungseinrichtung (s.u. III.3.) nur mit größerem Aufwand herzustellen ist.


III. Anmeldung und Verwertung


1. Patentanmeldung


Während geistiges Eigentum gemäß Urheberrecht mit dem Entstehen des Werkes geschützt ist, erfordert der Schutz einer technischen Neuerung als Erfindung eine Anmeldung zum Patent (oder Gebrauchsmuster). Wissenschaftliche Ergebnisse werden weltweit immer häufiger patentiert, um sie wirtschaftlich zu verwerten.


Je höher der potentielle Nutzen einer Verwertung im Sinne kommerziell erfolgreicher Vermarktung ist, desto größer ist die Bedeutung des mit dem Patent verbundenen Schutzrechts gegen das Eindringen von Konkurrenten in das geschützte Gebiet. Liegt für die Industrie kein entsprechendes Monopolrecht vor, dürften einschlägige Investitionen im Regelfall unterbleiben. Wissenschaftsnahe Investitionen der gewerblichen Wirtschaft aber stärken direkt und indirekt auch die Hochschulen und eröffnen Arbeitsmöglichkeiten für die Hochschulabsolventen. Ohne aktive Anmeldepolitik auf Patente und Schutzrechte steigt die Tendenz zur Geheimforschung, vor allem in Bereichen der Hochtechnologie.


Die Hochschulrektorenkonferenz empfiehlt ihren Mitgliedshochschulen aus diesen übergeordneten Gründen nachdrücklich, sich im Rahmen ihrer Schutzrechtspolitik darum zu bemühen, marktrelevante Forschungsergebnisse bei Diensterfindungen zum Patent anzumelden oder bei freien oder freigegebenen Erfindungen anmelden zu lassen (vgl. unten III.2. und 3.).


Während die von der Industrie angemeldeten Patente im Regelfalle Ergebnisse von Forschungs- und Entwicklungsarbeiten der letzten ein oder zwei Jahre darstellen und auf die in den nächsten ein bis fünf Jahren zu erwartenden Marktgegebenheiten abzielen, liegen die Ergebnisse der Hochschulforschung regelmäßig weiter im Vorfeld industrieller Verwertung. Dies hat erhebliche Konsequenzen für die spezifische Patent- und Schutzrechtspolitik einer Hochschule.


Ohne Gewißheit, ob sich jemals eine Firma zur Verwertung des Patents bereitfinden wird, sind besondere Sorgfalt, Weitsicht und Risikobereitschaft erforderlich angesichts der hohen Kosten für Anmeldung, Erwirkung, Aufrechterhaltung und Verteidigung des Patents, zumal wenn das Schutzrecht auch in anderen Staaten gelten soll. Hinzu kommen als hemmende Faktoren eine noch mangelhafte Infrastruktur und für institutionelle Patentmaßnahmen immer noch ungeeignete Förderbestimmungen einzelner Drittmittelgeber [13].


Die Hochschulen haben bislang dazu tendiert, Diensterfindungen freizugeben und freie Erfindungen gemäß § 42 Arbeitnehmererfindungsgesetz - Verwertungsprivileg der Hochschullehrer [14] - nicht in eine institutionell verantwortete Schutzrechtspolitik einzubinden. Stattdessen wurde darauf vertraut, über die (nichthoheitliche) Nebentätigkeit von Hochschulpersonal oder über die (hoheitliche) Auftragsforschung [15] in der Hochschule das Ziel zu erreichen, Hochschulerfindungen wirtschaftlich zu verwerten.


Häufig aber fließt bei der Zusammenarbeit mit Unternehmen substanzielles, in der Hochschule über viele Jahre mit staatlichen Mitteln erarbeitetes Wissen an ein einziges Unternehmen, das vertraglich die Nutzungsrechte erwirbt (und die Erfindervergütung übernimmt), ggf. jedoch gemäß seinem spezifischen Firmeninteresse die Erfindung nicht umsetzt (sog. Schubladenpatent), so daß der wirtschaftliche Wert des geistigen Eigentums der Hochschule abnimmt.


In amerikanischen und britischen Universitäten ist es deshalb üblich geworden, daß Schutzrechte aus Forschungskooperationen mit der Industrie grundsätzlich durch die Hochschulen angemeldet werden, die mit dem gewerblichen Kooperationspartner auf gleichberechtigter Basis verhandeln und einem Firmenpartner (nur) das vorrangige Nutzungsrecht einräumen.


Dieser Praxis folgend können auch deutsche Hochschulen über den Weg von Patentanmeldungen und andere geeignete Schutzrechtsaktivitäten eine bessere Ausgangsposition bei Verhandlungen mit der gewerblichen Wirtschaft erreichen und ihrem Auftrag als Körperschaften öffentlichen Rechts mit staatlicher Finanzierung nachkommen, auch bei der Vergabe exklusiver Verwertungsrechte eine Offenlegung der Forschungsergebnisse zu bewirken.


2. Sicherung der Verwertungskette


Der Patentanmeldung muß, soll sie wirtschaftliche Wirkung entfalten, die Patentverwertung folgen. Die Hochschulrektorenkonferenz empfiehlt ihren Mitgliedshochschulen, institutionelle Entscheidungswege und Organisationsformen zu entwickeln, um dem Zweck gewerblicher Schutzrechte entsprechend geistiges Eigentum über Dritte, nicht aber innerhalb der Hochschule, einer Verwertung zugänglich zu machen.


Die hochschulpolitische Sicherung der Verwertungskette bedeutet im wesentlichen eine Lizenzstrategie, im Gegensatz zu Unternehmen, die vor allem an einer möglichst exklusiven Beherrschung von Technologiegebieten und an einem Technologiezugewinn (über Kreuzlizenzen) interessiert sind. Der Wert eines Schutzrechtes bzw. die Höhe einer Lizenzgebühr sind nur im Einzelfall (zum jeweiligen Zeitpunkt) feststellbar. Der Marktwert einer Lizenz bemißt sich nicht zuletzt auch nach der Marktstrategie von am Lizenzvertrag unbeteiligten Firmen [16]. Somit kommt Musterverträgen nur eine Hilfsfunktion in der Anfangsphase der Entwicklung einer institutionellen Schutzrechtspolitik zu.


Da wissenschaftsbasierte Erfindungen vielfach ein Spezialwissen voraussetzen, das in bestehenden Unternehmen nicht gegeben ist, bieten geeignete Organisationsformen und ausgewiesenes Fachpersonal in den Hochschulen oder in deren Umfeld wichtige Voraussetzungen für (hochtechnologie-orientierte) Unternehmensgründungen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können Hochschulen mit einer eigenen Schutzrechtspolitik auch und gerade Existenzgründungen erleichtern.


3. Verwertungseinrichtung an der Hochschule


Die Verwertung von Erfindungen als unternehmerische Tätigkeit gehört nicht mehr in den hoheitlichen Aufgabenbereich der Hochschule. Die Hochschulen sollten sich daher darum bemühen, in ihrem Umfeld eine geeignete, ggf. rechtlich angegliederte Einrichtung aufzubauen oder zu stärken, die die kommerzielle Verwertung des in der Hochschule gewonnenen geistigen Eigentums betreibt. Diese Einrichtung muß ihre Arbeitsweise mit der Hochschule abstimmen.


Um die kritische Masse an Erfindungen und Ressourcen als Voraussetzung für den Aufbau einer Schutzrechtsverwertungseinrichtung der Hochschule(n) zu erhalten, empfiehlt es sich in aller Regel, Verbünde mehrerer Hochschulen zu bilden. Diese können regional ausgerichtet sein und Universitäten und Fachhochschulen umfassen.


Sie können auch überregional ausgerichtet sein, vor allem wenn fachliche Schwerpunkte im Vordergrund des Interesses stehen. Die Zusammenarbeit mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen sollte regelmäßig gesucht und angeboten werden. In diesem Sinne sind in den letzten Jahren bereits funktionierende Netzwerke und Allianzen entstanden. Diese sollten auch für alle anderen qualifizierten Stellen geöffnet sein.


Zu den Aufgaben dieser Einrichtungen, deren Zuschnitt und Organisationsform zu den Einrichtungen innerhalb der Hochschule(n) - z.B. Patentbüros - komplementär ist, empfiehlt die Hochschulrektorenkonferenz:


a. Eine Verwertungseinrichtung (VE) muß auf die Erzielung von Gewinn ausgerichtet sein. Sie sollte nach Erfahrungen von US-Hochschulen so konzipiert sein, daß sie alle Erfindungen aus einer Hochschule bzw. eines Hochschul- oder Forschungsverbundes angeboten erhält. Die Verwertungseinrichtung sollte die Hochschule bei der Bearbeitung von Erfindungsmeldungen (nach dem Gesetz über Arbeitnehmererfindungen) unterstützen, vor allem hinsichtlich der Frage einer Inanspruchnahme oder Freigabe der Erfindung vor dem Hintergrund der Patentfähigkeit und Verwertbarkeit derselben.


Auf Empfehlung der Verwertungseinrichtung in Anspruch genommene Erfindungen verwertet die Verwertungseinrichtung federführend. Die von der Verwertungseinrichtung nicht als erfolgversprechend eingestuften Erfindungen müssen an den einzelnen Erfinder (auch an den "Diensterfinder" unter Freigabe der Erfindung) zurückgehen.


Die Verwertungseinrichtung muß daher für die Hochschulerfinder, insbesondere für Wissenschaftler mit Hochschullehrerprivileg nach § 42 Arbeitnehmererfindungsgesetz attraktiv sein. Die Wissenschaftler müssen darauf vertrauen können, daß sie mit einer Abtretung ihrer Verwertungsrechte an die Verwertungseinrichtung individuell erfolgreicher, insbesondere unbelasteter durch das Patentierungs- und Verwertungsverfahren, agieren können, als sie es ohne diese Unterstützung könnten.


Auf der Grundlage der derzeitigen Regelungen des Arbeitnehmererfindungsgesetzes sollte die VE Verträge mit der Hochschule bezüglich der Sicherung und Verwertung von Arbeitnehmererfindungen und privatrechtliche Verträge mit Professoren, Dozenten und Assistenten für die gemeinsame Verwertung von Erfindungen abschließen. Als Schlüssel für die Erlöse scheint es angebracht, nach dem Vorbild der Regelungen der Max-Planck-Gesellschaft nach Abzug der Kosten je ein Drittel für den Wissenschaftler, die Hochschule und die Verwertungseinrichtung vorzusehen, wobei die Hochschule je nach Finanzlage der Verwertungseinrichtung und je nach Art ihrer rechtlichen Verbindung mit der Verwertungseinrichtung ihren Anteil reduzieren könnte.


Die Aufteilung der Erlöse ist im Fall der freien Erfindungen abhängig von der Bereitstellung finanzieller Förderung für die "freien Erfinder", die auch gemeinschaftlich mit bereits existierenden Förderorganisationen erfolgen kann.


b. Entscheidend für den Erfolg einer Verwertungseinrichtung ist die Kenntnis des Marktes. Die Verwertungseinrichtung muß das Vertrauen der gewerblichen Einrichtungen haben und ihnen von Nutzen bei der Suche nach innovativen Produkten, Dienstleistungen und Verfahren sein. Eine Allianz von Verwertungseinrichtungen kann dazu beitragen, auch überregional Nachfrage und Angebot wissenschaftlicher Leistungen zusammenzubringen. Das Personal in Verwertungseinrichtungen muß daher zumindest zum großen Teil Markterfahrung (z.B. als Vertriebsexperte) besitzen. Im Regelfalle dürften die Aufgaben einer Verwertungseinrichtung einer bestehenden Technologietransferstelle nur nach umfassender Weiterbildung des jetzigen Personals übertragen werden können.


c. Die Verwertungseinrichtung sollte gehalten sein, in Vertragsverhandlungen mit Unternehmen die Rechte der Wissenschaftler und Wissenschaftseinrichtungen im gesamten Umfange gesetzlicher Bestimmungen zu schützen. Insbesondere sollte die Verwertungseinrichtung jeden Drittmittelvertrag (Auftragsforschung) der Hochschule bzw. der Hochschullehrer im Hauptamt auf die Wahrung von Schutzrechten zu Gunsten der Hochschulseite vor Unterzeichnung prüfen.


Wie in den USA und Großbritannien üblich, sollten dem Vertragsunternehmen zwar Exklusivrechte, aber nur zur vorrangigen Nutzung angeboten werden. Wird das Nutzungsrecht binnen eines definierten Zeitraums nicht wirtschaftlich genutzt, sollte es wieder an die Verwertungseinrichtung zurückfallen, die es dann anderen Interessenten anbieten kann. Einschlägige Verträge der Verwertungseinrichtung sollten u.a. die folgenden Forderungen enthalten:

  • auch unabhängig von einer Verwertung der Lizenz ist eine Einstandszahlung (Mindestlizenz) an die Verwertungseinrichtung zu entrichten;

oder

  • der Lizenznehmer verpflichtet sich zur Umsetzung der Lizenz.

d. Die Verwertungseinrichtung bedarf einer erheblichen Anschubfinanzierung

  • für ihre eigene Infrastruktur,
  • für die weltweite Anmeldung von Patenten und
  • für die Verteidigung der Schutzrechte.

Zumindest in den ersten zehn Jahren dürfen weder die Anschubfinanzierung noch die ggf. erforderlichen jährlichen Zuschüsse mit den Erträgen gegengerechnet werden, weil sonst kein Anreiz besteht, eine entsprechende Einrichtung aufzubauen. Der Erfolg einer Verwertungseinrichtung hängt nicht nur von den angebotenen Erfindungen ab, sondern auch und nicht zuletzt von Unwägbarkeiten des Marktes, d.h. insbesondere den Marktstrategien einzelner Unternehmen oder Unternehmensverbände.


Einnahmen aus der Verwertung von Schutzrechten sollten den Hochschulen wie den Verwertungseinrichtungen in jedem Falle zur eigenen Verfügung belassen und nicht zuwendungsmindernd angerechnet werden. Die Hochschulen sollten im Gegenzug Erlöse aus Schutzrechtsverwertungen innovationsstimulierend verwenden. Hierzu gehören auch Investitionen zur Umsetzung dieser Empfehlungen.


e. Als Rechtsform für die den Hochschulen anzugliedernden Verwertungseinrichtungen empfiehlt die Hochschulrektorenkonferenz grundsätzlich die Gesellschaft mit beschränkter Haftung.


Aufgrund der positiven Erfahrungen der Hochschulen mit angegliederten, privat getragenen Einrichtungen empfiehlt sich vor Ort (auch unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten) die Prüfung, ob eine genossenschaftlich organisierte Verwertungseinrichtung oder auch eine gemischt öffentlich/privat getragene Verwertungseinrichtung das Instrument der Wahl sein kann [17].


f. Die Evaluation einer Verwertungseinrichtung kann erst nach angemessener Frist und nur im konkreten Einzelfall nach Maßgabe der spezifischen Ausgangs- und Rahmenbedingungen (speziell des Marktes) erfolgen. Die Kriterien für eine Evaluation sind im Laufe der Zeit zu entwickeln oder zu verfeinern. Die Hochschulen sollten auch hierüber ihre Erfahrungen austauschen.


IV. Rahmenbedingungen


1. Studie zum Hochschullehrerprivileg


Die HRK unterstützt die Empfehlung der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung vom 2.6.1997, Bedeutung und Tragweite des Hochschullehrerprivilegs nach § 42 Arbeitnehmererfindungsgesetz für eine erfolgreiche Patentierung und Verwertung von Hochschulerfindungen durch Rechtsgutachten vertiefend zu untersuchen, um zu Empfehlungen für Beibehaltung oder Abschaffung des Hochschullehrerprivilegs zu gelangen [18]. Die HRK ist allerdings der Auffassung, daß eine Umsetzung der hier vorgeschlagenen Verwertungsempfehlungen zu einer Relativierung des Hochschullehrerprivilegs beitragen wird.


2. Kosten- und Finanzierungsaspekte


Schutz und Nutzung geistigen Eigentums aus den Hochschulen betreffen gleichermaßen wissenschaftliche und wirtschaftliche Aspekte. Das Bestreben der Hochschulen, die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zu intensivieren, sollte von den Wissenschaftsministerien und den Wirtschaftsministerien der Länder und des Bundes bei gegenseitiger Abstimmung der Maßnahmen gefördert werden. Die Aktivitäten in den Hochschulen sollten von den Wissenschaftsministerien gefördert werden. Die Unterstützung der Wirtschaftsministerien ist insbesondere bei der Verwertung von Forschungsergebnissen der Hochschulen erforderlich.


Angesichts der hohen Kosten internationaler Patentanmeldungen und deren Aufrechterhaltung ist nachdrücklich auf eine Reduktion der Gesamtkosten (einschließlich Übersetzungskosten) hinzuwirken. Bei der Diskussion um die Kosten von Patentaktivitäten werden staatlicherseits die Kosten für die Aufrechterhaltung von Schutzrechten tendenziell unterschätzt. Schutzrechte, die nicht aktiv verteidigt und durchgesetzt werden, sind grundsätzlich ohne Wert. Unter Beteiligung der Wirtschaftsministerien des Bundes und der Länder sollte daher ein Fonds zur Finanzierung der Verteidigung von Schutzrechten eingerichtet werden.


3. Internationale Abkommen


a. Gemeinschaftspatent der EU


Mit dem "Grünbuch zur Innovation" vom Dezember 1995 und dem "Grünbuch über das Gemeinschaftspatent und das Patentschutzsystem in Europa" vom Juni 1997 der EU-Kommission sind die Bestrebungen verstärkt worden, neben dem "Bündelpatent" nach dem Europäischen Patentübereinkommen, wie es vom Europäischen Patentamt derzeit erteilt wird und das ein Bündel rechtlich selbständiger Patente für die jeweils benannten Staaten darstellt, ein Gemeinschaftspatentübereinkommen in Kraft zu setzen, das ein einheitliches Schutzrecht mit Wirkung für alle Mitgliedsstaaten beinhaltet [19]. Das Gemeinschaftspatentübereinkommen vom 15.12.1989 wurde bisher von sieben Unterzeichnerstaaten ratifiziert, darunter auch Deutschland.


Die Hochschulrektorenkonferenz appelliert an die Bundesregierung, sich weiterhin für das Gemeinschaftspatent einzusetzen, sofern dieses im Erteilungsverfahren kostengünstiger ausfällt als das Bündelpatent (das ggf. in jedem Staat gesondert, d.h. kostenaufwendig anzugreifen ist). Somit könnten die Patentaktivitäten der Hochschulen erleichtert werden.


b. Neuheitsschonfrist


In der Folge des Europäischen Patentübereinkommens von 1973 wurden im deutschen Patentgesetz die bis dahin geltenden und für Publikations- und Patentwesen förderlichen Neuheitsschonfristen abgeschafft. Eine Schonfrist (grace period) erlaubt es dem Wissenschaftler, auch nach Veröffentlichung eines Arbeitsergebnisses für die Dauer der Schonfrist einen Patentantrag zu stellen. Nach geltender Rechtslage kann sich ein Wissenschaftler bis zur Anmeldung seiner Erfindung zum Patent nicht am üblichen wissenschaftlichen Diskurs beteiligen oder Verwertungsverhandlungen konkret führen.


Die bisweilen praktizierte "provisorische Patentanmeldung", für die innerhalb eines Jahres die sog. innere Priorität für eine zweite, fachgerechte Anmeldung in Anspruch genommen werden kann, löst das Problem nur unzureichend. Sie birgt insbesondere für einen Patentunerfahrenen das Risiko in sich, durch unvollständige Beschreibung seiner Erfindung einen nur unzureichenden Schutzumfang im Rahmen der endgültigen Patentanmeldung zu erhalten [20].


Die Neuheitsschonfrist ist im US-Patentgesetz vorgesehen und bietet US-Wissenschaftlern große Vorteile, die derzeit vor allem im Bereich der Biotechnologie für die USA positiv zu Buche schlagen [21]. Die Biotechnologie (Gentechnologie) wurde über viele Jahre intensiv gefördert; die nunmehr sich einstellenden Marktchancen basieren auf rasch fortschreitenden wissenschaftlichen Forschungsergebnissen; die Innovationszyklen sind relativ kurz; die Investitionskosten können somit i.d.R. nur über Schutzrechte erwirtschaftet werden, soll Geheimforschung vermieden werden. Die HRK unterstützt in diesem Zusammenhang die Stellungnahme der DFG "Genforschung und Patentierung" vom September 1996 [22].


Die HRK unterstützt die Bemühungen der Bundesregierung zur Wiedereinführung einer europaweiten (EU-weiten) Neuheitsschonfrist für Wissenschaftler von einem Jahr. Die HRK wird bei ihren Partnerorganisationen in den EU-Mitgliedsstaaten auf dieses Ziel hinwirken. Die laufenden Beratungen in den Organen der Europäischen Union zur Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen geben hierzu einen positiven Ansatzpunkt [23].


V. Anmerkungen


[1] Vgl. hierzu "Zur Forschung in den Hochschulen", Stellungnahme des 170. Plenums der HRK, 12. Juli 1993, in: Dokumente zur Hochschulreform, 85/1993. Vgl. auch HRK, "Zur Forschung der Fachhochschulen", Plenarstellungnahme vom 7. Juli 1997.


In diesem Sinne ist auch das neue DFG-Förderinstrument "Transferbereich" als Sonderform des Sonderforschungsbereichs konzipiert [2]. Neben dem Urheberrecht als Schutzrecht gehören zu den gewerblichen Schutzrechten:


[1] Patent: schützt die Rechte an einer technischen Erfindung.


[2] Gebrauchsmuster: schützt die Rechte an einer technischen Erfindung.


[3] Geschmacksmuster: sichert dem Urheber den wirtschaftlichen Wert der ästhetischen Gestaltung.


[4] Topographie: schützt Strukturen von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen.


[5] Sortenschutz: schützt Pflanzenzüchtungen.


[6] Marke: schützt die Kennzeichnung eines Produkts oder einer Dienstleistung.


Zur Erlangung der Schutzrechte [1] bis [6] sind entsprechende Anträge beim Patenamt bzw. Bundessortenamt erforderlich [3]. Der Gebrauchsmusterschutz deckt Verfahrenserfindungen nicht ab und ist auf höchstens zehn Jahre beschränkt (Patentschutz auf 20 Jahre) [4]. "First to file-Pinzip" im Gegensatz zum "First to invent-Prinzip" in USA [5]. So hat der Bundespräsident im März 1997 einen mit 500.000 DM dotierten Förderpreis für Technik und Innovation ausgelobt, mit dem eine Leistung ausgezeichnet werden soll, die anwendungsbezogen, marktorientiert und patentfähig ist.


[6] Hervorzuheben sind hier:


a. Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, "Förderung von Erfindungen und Patenten im Forschungsbereich", Materialien, Heft 56, Bonn, Juni 1997.


b. Becher/Gering/Lang/Schmoch, "Patentwesen an Hochschulen - Eine Studie zum Stellenwert gewerblicher Schutzrechte im Technologietransfer Hochschule-Wirtschaft", Hrsg. Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, Bonn 1996.


c. Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie, "Patente schützen Ideen - Ideen schaffen Arbeit", Bonn 1996.


d. Deutsche Forschungsgemeinschaft, "Genforschung - Therapie, Technik, Patentierung - Mitteilung 1", Hrsg. Senatskommission für Grundsatzfragen der Genforschung, Weinheim 1997.


e. Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., "Bessere Patentpolitik - mehr Innovationen - Aufgaben für Politik, Wissenschaft und Wirtschaft", Köln 1996.


f. Universität Hannover u.a., "Patente in den Biowissenschaften", Tagungsbericht zum 4.11.1996, Hannover 1996.


g. Thomas Gering, "Förderung des Technologietransfers durch universitäre Patent- und Lizenzpolitik - Vergleichende internationale Bestandsaufnahme und Folgerungen für die Europäische Union, Technology Innovation Information (TII), Industry Research Interest Section (IRIS), Luxemburg (3, rue des Capucins) und Karlsruhe, 1995.


[7] Eine Patentanmeldung wird nach 18 Monaten und nach lediglich formaler Prüfung vom Deutschen Patentamt offengelegt. Die "verschobene" oder "aufgeschobene" Prüfung kann innerhalb von sieben Jahren vom Anmelder oder von jedem Dritten beantragt werden. Die Offenlegungsschrift ist somit zwar vertretbar zeitnah zur wissenschaftlichen Arbeit bzw. zur Erfindung, bedarf aber sorgfältiger Prüfung durch den Leser, da ihr Inhalt vom Patentamt noch nicht geprüft ist.


Vor allem weil in vielen Fällen ein Prüfungsantrag nicht gestellt wird, führen durchschnittlich etwa zwei von drei Patentanmeldungen nicht zum Patent; bei Stellung eines Prüfungsantrags beim DPA führen ca. 70 Prozent der Anmeldungen zum Patent. In den USA wird die einstufige Prüfung praktiziert.


[8] Wenn eine Beschreibung (z.B. im Falle von Mikroorganismen) technisch nicht möglich ist, kommt auch eine Hinterlegung in Frage.


[9] Zahlangaben von TLB, Karlsruhe. Vgl. auch Anmerkung 6b).


Die Stanford-University hat 1992 ca. 1,8 Mio. Dollar für Rechtsgebühren im Zusammenhang mit dem Schutz und der Verwertung von Forschungsergebnissen ausgegeben und ca. 25,5 Mio. Dollar eingenommen. Zusätzlich wurde ca. eine halbe Million Dollar an Rechtsgebühren erstattet. Vgl. hierzu und für andere Beispiele: Joseph Straus, "Currrent Issues in Patenting Research Results Close to Industrial Application", in: European Research Structures - Changes and Challenges, The Role and Function of Intellectual Property Rights", Ringberg Castle, Tegernsee, January 1994, MPG-Veröffentlichung E2/94.


[10] INPAT ist Teil der vom BMBF geförderten "Innovationsstimulierung der deutschen Wirtschaft durch technisch-wissenschaftliche Informationen" (INSTI). Beide Programme werden von der HRK unterstützt. Der mit diesen Programmen auch angestrebten verstärkten Nutzung von Patentinformationszentren und allgemein von Informationsdatenbanken steht jedoch entgegen, daß auch für Hochschulmitglieder (steigende) Gebühren zu entrichten sind, welche die ohnehin sehr knappen Hochschulhaushalte (Länderhaushalte) weiter belasten.


[11] Vgl. W. Feiler und D. Auth, "Publish and Perish", Nature Biotechnology, November 1996, S. 1602 bis 1603. "Publish or perish" müsse unter dem Gesichtspunkt der Neuheitsschädlichkeit im Patentwesen ersetzt werden durch "publish and perish". "... "patent or perish" is becoming an additional requirement for career advancement in basic research. Patenting and publishing are by no means mutually exclusive. Many of the best researcher"s CVs exhibit a mastery of both paths." (S. 1602).


[12] Diesbezüglich hat der Präsident des Deutschen Patentamts eine angemessene Änderung der Diplom- und Promotionsordnungen vorgeschlagen. Dieser Vorschlag sollte vor Ort geprüft werden. Vgl. Interview "Von wegen patentmüde" mit Norbert Haugg in "bild der wissenschaft", 3/1996, S. 94/95: "Es wäre ein Leichtes, in die Bestimmungen für das Verfassen einer Diplomarbeit oder Dissertation hineinzuschreiben: Patentliteratur ist zu berücksichtigen. Auf diese Weise würde es uns in Deutschland sehr rasch gelingen, beim akademischen Nachwuchs das Gespür für die Wichtigkeit von Patentinformationen zu wecken." (S. 95).


[13] Die DFG bezuschußt nicht die Patentierung und verzichtet nicht auf die Partizipation an eventuellen Verwertungserlösen. Dies gilt auch für die Volkswagenstiftung.Gemäß den Zuwendungsbestimmungen des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie sollen die Hochschulen (unabhängig von der Frage freier oder gebundener Erfindungen) eine Erfindung unbeschränkt in Anspruch nehmen, was ihnen gesetzlich die Verpflichtung zur Anmeldung und die Vergütungspflicht gegenüber den Erfindern einträgt.


Der Bund sichert sich Benutzungs- und Nutzungsrechte, die übertragbar sind, und verlangt im Erfolgsfall die Beteiligung an den Erlösen bis zur Höhe der Fördersumme. Jeder Dritte kann die Einräumung von Benutzungs- und Nutzungsrechten zu Vorzugskonditionen verlangen. Eine formale Verpflichtung zur Verwertung der Ergebnisse besteht indes nicht.Diese Regelungen des Bundes wurden vielfach von den Ländern in dieser oder nur marginal geänderter Form auch in regionalen Förderprogrammen implementiert.


Der "Mustervertrag für Aktivitäten im Rahmen des 4. Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung der EU 1994-98" sieht zwar keine Rückzahlungsverpflichtung aus Verwertungserlösen vor, doch enthält auch er (in der Praxis kompliziert anzuwendende) Verpflichtungen zur nichtausschließlichen Nutzungseinräumung an Dritte zu Vorzugskonditionen.Die vorgeschriebene Nichtexklusivität bei der Übertragung von Nutzungsrechten auf Dritte resultiert aus dem Bestreben, mit öffentlichen Forschungsförderungsmitteln erlangte Ergebnisse grundsätzlich einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.


In der Regel erwirbt jedoch keine Firma eine größere Investitionen erfordernde Technologie aus der Grundlagenforschung, wenn die Lizenz nicht zumindest in einem definierten Anwendungsbereich exklusiven Charakter hat.Alle Drittmittelgeber sind gebeten, ggf. ihre einschlägigen Förderbestimmungen den hier vorliegenden Empfehlungen anzupassen.


[14] Gemäß § 42 (1) Arbeitnehmererfindungsgesetz sind "... Erfindungen von Professoren, Dozenten und wissenschaftlichen Assistenten bei den wissenschaftlichen Hochschulen, die von ihnen in dieser Eigenschaft gemacht werden, freie Erfindungen."Diese Formulierung gilt inzwischen de facto auch für die Professoren bei den Fachhochschulen. Vgl. Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht, Kultus, Wissenschaft und Kunst vom 15.3.1993 an die staatlichen Universitäten und staatlichen Fachhochschulen.


Demzufolge hat auf Anfrage der KMK der Bundesminister der Justiz folgende Auffassung vertreten: Wegen der außerhalb des Arbeitnehmererfindungsgesetzes eingetretenden Strukturänderungen ist für eine abweichende Behandlung der Fachhochschullehrer kein Raum mehr; die im Wortlaut des § 42 noch enthaltene Begrenzung auf Professoren an wissenschaftlichen Hochschulen ist daher hochschulrechtlich überholt und die Vorschrift den heutigen Gegebenheiten entsprechend anzuwenden; eine Änderung des Wortlauts der Vorschrift hätte nur noch klarstellende, nachvollziehende Bedeutung.


[15] Auftragsforschung (bzw. produktorientierte Anwendungsforschung) trägt dazu bei, den hoheitlichen Bildungsauftrag praxisnaher Ausbildung zu gewährleisten. Dies hat der Gesetzgeber bei der auch auf Betreiben der HRK zurückgehenden Änderung des Umsatzsteuergesetzes 1997 anerkannt. Demzufolge sind die Umsätze aller staatlichen Hochschulen aus Forschungstätigkeit - auch aus Auftragsforschung - mit wenigen Ausnahmen von der Umsatzsteuer befreit.


[16] Der Wert eines Patentes bestimmt sich auch danach, in welchem Maße auf der Basis gesellschaftlicher Wertvorstellungen und der Gesetze außerhalb des Patentrechts Beschränkungen der Nutzung vorgegeben sind. Einschränkungen des Monopolanspruchs ergeben sich in der Praxis vor allem durch ältere Patentrechte, die u.U. geplante FuE-Aktivitäten versperren. Auch aus diesem Grunde empfehlen sich frühzeitige Patentrecherchen zur Vermeidung teurer Doppelforschung.


[17] Ggf. kommt aufgrund positiver Erfahrungen in den USA das "outsourcing" über private Firmen in Frage.


[18] Vgl. Anmerkung 6a), S. 11ff und 35.


[19] Vgl. auch: European Commission, "The present state of the patent system in the European Union - as compared with the situation in the United States of America and Japan", by Prof. Dr. Joseph Straus, EUR 17014 EN, Luxembourg, 1997.


[20] Damit schließt sich die HRK der Auffassung der BLK (vgl. Anmerkung 6a), S. 4) an.


[21] Die großen öffentlich geförderten Sequenzierzentren sind aufgefordert, ihre generierten genomischen DNA-Sequenzen im Internet verfügbar zu machen. Entsprechende Sequenzen können somit in aller Regel später nicht mehr in Europa, aber in USA patentiert werden. Europäische Wissenschaftserfinder können publizierte Erfindungen im Rahmen der Neuheitsschonfrist in den USA noch zum Patent anmelden.


Die Industrie wird daher vermehrt in den USA in die Weiterentwicklung entsprechender Erfindungen investieren. Da europäische Staaten der Wiedereinführung der Neuheitsschonfrist wohl zustimmen würden, wenn die USA im Gegenzug vom Ersterfinderprinzip zum Erstanmelderprinzip überginge, wird die HRK bei ihren Partnern in den USA für einen Übergang zum Erstanmelderprinzip werben.


[22] Vgl. Anmerkung 6d), S. 21-42.23) Zum neuesten Stand vgl. KOM(97)446 endg. vom 29.8.1997, Erwägung 35 (neu).