Stellungnahme des 184. Plenums der HRK vom 16./17. Februar 1998
I.
Der HRG-Regierungsentwurf sieht im Allgemeinen Auswahlverfahren die Beteiligung der Hochschulen bei der Auswahl von Studienbewerberinnen und -bewerbern in zulassungsbeschränkten Studiengängen durch Einführung einer sog. Hochschulquote vor. Zur Durchführung eines Auswahlverfahrens sind die Hochschulen nach dem HRG-Regierungsentwurf verpflichtet. Sie vergeben die Studienplätze in eigener Entscheidung gemäß Grad der Qualifikation nach § 27 HRG (Abiturdurchschnitt), aufgrund eines Auswahlgesprächs, nach Art einer Berufsausbildung oder -qualifikation vor oder nach dem Abitur oder aufgrund einer Kombination dieser Kriterien.
Eine ggf. notwendige Begrenzung der Zahl der Teilnehmer an den hochschuleigenen Auswahlverfahren soll nach dem Grad der Qualifikation, d.h. nach der Abiturdurchschnittsnote, erfolgen.Die Umsetzung dieser Rahmengesetzgebung in Landesrecht erfolgt durch den Staatsvertrag über die Vergabe von Studienplätzen durch die ZVS. Die Länder beabsichtigen, die Formulierung des HRG-Entwurfs zur sog. Hochschulquote unverändert in den Artikel 13 StV über das Allgemeine Auswahlverfahren zu übernehmen. Der Artikel wird durch weitere Regelungen des Staatsvertrags ergänzt; Einzelheiten des Vergabeverfahrens regelt die ZVS-Vergabeverordnung.
II.
Die HRK begrüßt grundsätzlich, daß der Staatsvertrag infolge dieser Neufassung eine Beteiligung der Hochschulen an der Auswahl von Studienbewerberinnen und -bewerbern im Allgemeinen Auswahlverfahren der ZVS vorsieht, wie es auch einer Forderung der HRK aus früheren Stellungnahmen entspricht (vgl. z.B. "Grundsatzerklärung zur zukünftigen Studienplatzvergabe" der HRK-Plenarversammlung vom 15./16. Februar 1993).
Die HRK weist darauf hin, daß die Regelungen im Staatsvertrag und in der Vergabeverordnung sachgerecht entsprechend den Intentionen des HRG-Entwurfs sein müssen. Einige der dem Verwaltungsausschuß der ZVS zur Beschlußfassung unterbreiteten Vorschläge sind für die Hochschulen nicht akzeptabel. Insbesondere handelt es sich um:
- die Durchführung eines Verteilungsverfahrens, wenn in einem Studiengang, für den zwar ein Allgemeines Auswahlverfahren festgelegt wurde, die Zahl der Bewerber die Zahl der Studienplätze nicht wesentlich übersteigt; dabei soll die Verpflichtung der Länder nach Art. 10 Abs. 4 StV entfallen, die erforderlichen kapazitätserweiternden oder sonstigen Maßnahmen zu treffen, soweit als Folge eines Verteilungsverfahrens bei einzelnen Hochschulen ein Kapazitätsausgleich erforderlich wird (Art. 8 Abs. 5 StV), sowie
- die Festlegung eines Zeitrahmens von 3 Wochen für die Durchführung der Hochschulverfahren (§ 11 Abs. 6 VO);
- die Zuweisung der Studienbewerberinnen und -bewerber an die Hochschulen zur Durchführung der Auswahlverfahren nach sozialen Kriterien, d.h. insbesondere nach Wohnortnähe (§ 19 VO);
- die Durchführung von ZVS-Nachrückverfahren nach Abschluß der Auswahlverfahren an den Hochschulen mit der Konsequenz, daß Bewerberinnen oder Bewerber, die bereits von einer Hochschule im Auswahlverfahren abgelehnt wurden, dieser Hochschule dann doch zugewiesen werden könnten (§ 11 Abs. 5 VO).
III.
Die HRK betont, daß diese Verfahrensvorschläge das Instrument der Hochschulquote, wie es vom HRG vorgesehen ist, wirkungslos machen würden. Die Durchführung eigener Auswahlverfahren, d.h. vor allem von Auswahlgesprächen, wäre für die Hochschulen nicht sinnvoll.
Der Intention des HRG-Enwurfs, Studienbewerberinnen und -bewerbern mit hoher Studienfacheignung, die von der rein durchschnittsnotenorientierten Betrachtung der ZVS nicht erfaßt werden, durch Einführung der Hochschulquote zusätzliche Chancen auf eine Zulassung zu eröffnen, würde so nicht entsprochen. In der Konsequenz bliebe den Hochschulen nur die Möglichkeit, von eigenen Auswahlgesprächen Abstand zu nehmen und eine - durch die Vorauswahl der ZVS bereits verfügbare - Zulassungsentscheidung nach Abiturdurchschnitt vorzunehmen.
- Die HRK erwartet, daß die Länder ihrer Verpflichtung zum Kapazitätsausgleich auch in den Fällen, in denen die Durchführung eines Verteilungsverfahrens statt eines Allgemeinen Auswahlverfahrens während des laufenden Vergabeverfahrens beschlossen wird, folgen.
- Die HRK appelliert an die Länder, die Auswahl eines Teils der Studierenden durch die Hochschulen nicht durch Verfahrensregelungen einzuschränken, die eine Durchführung unmöglich oder sinnlos machen. Die HRK erwartet deshalb, daß
- ein Zeitraum von 6 Wochen für die Durchführung der Hochschulverfahren eröffnet wird, wie er sich bei den Auswahlgesprächen für die medizinischen Studiengänge in den vergangenen Jahren bewährt und als nicht zu unterschreitender Zeitraum erwiesen hat;
- die Zuweisung der Studienbewerberinnen und -bewerber an die Hochschulen zur Duchführung der Auswahlverfahren entsprechend den Ortswünschen der Bewerberinnen und Bewerber erfolgt, um der Zielsetzung des HRG-Entwurfs gerecht zu werden, eine höhere Mobilität unter den Studierenden zu erreichen und ihnen ein Studium an der Hochschule ihrer Wahl und nicht nur an der ihrem Wohnort nächstgelegenen Hochschule zu ermöglichen;
- Verfahrenswege gefunden werden, die den Auswahl- und insbesondere Ablehnungsentscheidungen der Hochschulen Bestand geben und sie nicht durch anschließende Nachrückverfahren der ZVS ins Gegenteil verkehren.
- ein Zeitraum von 6 Wochen für die Durchführung der Hochschulverfahren eröffnet wird, wie er sich bei den Auswahlgesprächen für die medizinischen Studiengänge in den vergangenen Jahren bewährt und als nicht zu unterschreitender Zeitraum erwiesen hat;
Die HRK schlägt daher vor, daß die ZVS ein Hauptverfahren und ein Nachrückverfahren durchführt. Mit Abschluß dieses ersten Nachrückverfahrens werden die Bewerber, die für die Auswahlverfahren an den Hochschulen zur Verfügung stehen, bestimmt und benachrichtigt. Die Hochschulen führen dann ihre Auswahlverfahren und - entsprechend der in ihrem Auswahlverfahren festgelegten Rangfolge - weitere Nachrückverfahren durch, bis alle Studienplätze im jeweiligen Studiengang belegt sind.
IV.
§ 19 HRG-Entwurf sieht die probeweise Einrichtung von Bachelor- und Masterstudiengängen an deutschen Hochschulen vor.
Innerhalb der ZVS wird von den Ländervertretern davon ausgegangen, daß Bachelor-Studiengänge nach § 19 Abs. 2 HRG-Entwurf einen ersten berufsqualifizierenden Abschluß vermitteln und deshalb vergaberechtlich ohne weiteres in das zentrale Vergabeverfahren einbezogen werden können. Darüber hinaus soll dem Art. 11 des Staatsvertrags ein neuer Absatz 4 angefügt werden, der vorsieht, daß Studienplätze in Masterstudiengängen gem. § 19 Abs. 3 HRG-Entwurf in einem besonderen Verfahren vergeben werden können. Dieses besondere Verfahren wird im Staatsvertrag nicht näher bezeichnet. Die Auswahl soll in erster Linie nach dem Ergebnis der Abschlußprüfung des vorangegangen Bachelorstudiums erfolgen.
Die HRK lehnt diese Vorschläge ab:
§ 19 HRG-Entwurf regelt zunächst nur die Erprobung von Bachelor- und Masterstudiengängen, so daß kein Handlungsbedarf für Änderungen des Staatsvertrags oder der Vergabeverordnung im Hinblick auf bundesweite Regelungen besteht.
Mit der Neufassung des HRG sollen Profilbildung und Wettbewerb im deutschen Hochschulwesen gestärkt werden. Die Hochschulen werden deshalb Bachelor- und Masterstudiengänge mit unterschiedlichsten Leistungs- und Anforderungsprofilen entwickeln und anbieten. Mit einem zentralen Studienplatzvergabeverfahren, das sich vornehmlich an dem Kriterium Abschlußprüfung orientiert, kann diesen unterschiedlichen Anforderungsprofilen nicht entsprochen werden.
Ziel der HRG-Regelung ist auch, die Internationalität der deutschen Hochschulen zu stärken. Dies setzt voraus, daß sich ausländische Studienbewerberinnen und -bewerber einem bewerberfreundlichen und akzeptanzfördernden Bewerbungs- und Zulassungsverfahren gegenübersehen, wie es mittels Direktbewerbungen bei den Hochschulen garantiert werden kann.
Die Zuständigkeit der ZVS erstreckt sich nur auf die Vergabe von Studienplätzen des ersten Fachsemesters. Masterprogramme vermitteln jedoch, da sie zusammen mit dem Bachelorstudium einen sog. konsekutiven Studiengang bilden, einen weiteren berufsqualifizierenden Abschluß. Deshalb setzt die Aufnahme von Studierenden in Masterprogramme eine besondere, durch die Hochschule zu treffende Zulassungsentscheidung nach erfolgreich absolviertem Erststudium voraus.
Die HRK fordert die Länder deshalb auf, die Auswahlentscheidungen für Bachelor- und Masterstudiengänge ausschließlich den Hochschulen zu überlassen.