Zur Aufgabenverteilung im Hochschulbereich zwischen Bund und Ländern


Empfehlung des 200. Plenums am 8. Juli 2003


Die Hochschulrektorenkonferenz betrachtet die gegenwärtigen Diskussionen um die Kompetenzverteilung im Bereich des Hochschulwesens mit großer Sorge. Das Zusammenwirken von Bund und Ländern im Bereich der Wissenschaft hat sich in der Vergangenheit bewährt. Mit seiner Hilfe wurden vergleichbare Bildungsmöglichkeiten und Arbeitsbedingungen an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen in den verschiedenen Bundesländern geschaffen. Der Neuaufbau der Hochschulen in den neuen Ländern nach der Wiedervereinigung hätte ohne die finanzielle Beteiligung des Bundes, ohne den Länderfinanzausgleich und ohne die Expertise des Wissenschaftsrates nicht in einem so verhältnismäßig kurzen Zeitraum gelingen können. Dank der gemeinsamen Planung von Bund und Ländern konnten Fehlentwicklungen wie z.B. die Verzerrung der Altersstruktur im Bereich der Professuren oder die unzureichende Beteiligung von Frauen in der Wissenschaft durch Sonderprogramme abgemildert werden.


Die Hochschulrektorenkonferenz fordert Bund und Länder auf, auch künftig gemäß dem Auftrag der Verfassung die politische wie finanzielle Verantwortung für Hochschulen und Forschung gemeinsam wahrzunehmen. Die gemeinsame Forschungsförderung von Bund und Ländern muss auf jeden Fall aufrecht erhalten werden. Würde die finanzielle Länderbeteiligung entfallen, könnte der Bund theoretisch eine Forschungsförderungspolitik - im Bereich der außeruniversitären Forschung, aber auch an den Hochschulen - nach seinen eigenen politischen Prioritäten- und Schwerpunktsetzungen durchsetzen, ohne dass ein Korrektiv vorhanden wäre.


Eine Konzentration auf primär ökonomisch verwertbare Forschungsdisziplinen läge damit ebenso im Bereich des Möglichen wie die Nichtförderung aus politisch- ideologischen Motiven. Da die Länder die Träger der Hochschulen sind, ist ihre aktive Mitwirkung an der Förderung der Hochschulforschung (DFG) ohnehin unerlässlich.


Ebenso notwendig ist aus Sicht der Hochschulen die gemeinschaftliche Finanzverantwortung von Bund und Ländern beim Hochschulbau; der ja nicht nur den Neubau, sondern vor allem auch große Sanierungen und die Ausstattung mit großen Laborgeräten für die experimentellen Fächer umfasst. Der ausgleichende Mechanismus der Bund-Länder-Finanzierung hat sich in der Vergangenheit als zuverlässiger Motor für den Hochschulbau erwiesen. Nur dank des gemeinsamen Vorgehens von Bund und Ländern, gemeinschaftlicher Finanzanstrengungen und gemeinsamer an Qualitätskriterien orientierter Planungsprozesse ist es möglich gewesen, Ausbau, Sanierung der Hochschulen und Ausstattung mit wissenschaftlichem Großgerät einigermaßen unabhängig von der Finanzkraft einzelner Länder zu sichern. Dies muss auch in Zukunft gewährleistet sein. Bis zum Jahre 2013 ist mit weiter steigenden Studierendenzahlen zu rechnen. Erst danach wird der demographische Trend wirken und die Zahlen werden sich auf hohem Niveau einpendeln. Wird die Studierendenquote weiterhin - wie geplant - angehoben, werden die Studierendenzahlen aber weiter steigen. Auch ist der enorme Sanierungsbedarf der Hochschulbauten der späten 70er und 80er Jahre und in den neuen Ländern nicht zu bestreiten. Der Wissenschaftsrat kritisiert den "Stau" seit Jahren.


Die Hochschulen sehen die Gefahr, dass mit der Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe der Hochschulbau in vielen Ländern gänzlich zum Erliegen kommt. Wenn die Bundesmittel entfallen, sind viele Länder finanziell überfordert. Selbst wenn sichergestellt würde, dass die Mittel in bisheriger Höhe an die Länder flössen, wäre nicht auszuschließen, dass diese Mittel in vielen Ländern nicht wie bisher in die Hochschulen investiert, sondern für andere Zwecke herangezogen würden, weil der Druck rechtlicher Verpflichtung entfiele. Mit der wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrates sieht die Hochschulrektorenkonferenz die Gefahr, dass es damit auch zu einer Wettbewerbsverzerrung zwischen den Hochschulen und den besser ausgestatteten außeruniversitären Forschungseinrichtungen kommt, dass noch mehr Wissenschaftler die Hochschulen verlassen, in die außeruniversitäre Forschung oder ins Ausland abwandern.


Durch die Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe würde das Hochschulsystem in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Damit würde auch gleichzeitig das Innovationspotential, das die Wirtschaft mit qualifizierten Kräften und mit forschungsbasierten Erfindungen versorgt, nachhaltig geschwächt.


Mit der Abschaffung der Gemeinschaftsaufgabe würde man sich aber auch eines wichtigen länderübergreifenden Koordinierungsinstrumentes begeben, das kostspielige Parallelprojekte in mehreren Ländern ebenso verhindern kann wie die gleichzeitige Schließung bestimmter Wissenschaftsbereiche an verschiedenen Orten. Zweifelsohne kann und muss das derzeitige Verfahren für die Bewertung und Bewilligung der Vorhaben effektiver gestaltet werden. Dies ist aber kein Argument für die komplette Abschaffung der gemeinsamen Planungs- und Finanzverantwortung von Bund und Ländern für den Ausbau und die Sanierung der Hochschulen.


Die gemeinsame Bildungsplanung von Bund und Ländern, die zur Zeit von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung wahrgenommen wird, kann auch in Zukunft nicht ersatzlos entfallen. Die Hochschulen sehen einen Widerspruch zwischen der Europäisierung und Globalisierung von Bildung und Forschung auf der einen Seite und einen Rückzug in die reine Landespolitik verschieden großer und verschieden leistungsfähiger Bundesländer, auf der anderen Seite. Gerade angesichts der Defizitanalysen des deutschen Bildungssystems ist eine gewisse länderübergreifende Koordination ebenso nötig wie auch die Finanzierung gemeinsamer für die Hochschulen außerordentlich hilfreicher, Sonder-Programme (wie des HWP). Sollte die Bund-Länder-Kommission aufgelöst werden, müsste die Aufgabe für den Wissenschaftsbereich vom Wissenschaftsrat verantwortlich wahrgenommen werden.