Zur Neugestaltung der bundesstaatlichen Ordnung im Hochschulbereich


Konzept einer Expertengruppe im Auftrag des HRK-Präsidiums - der Presse vorgestellt am 12.10. 2004 in Berlin vom HRK-Plenum zustimmend zur Kenntnis genommen am 9.11.2004


Es besteht Konsens darüber, dass Wissenschaft und Forschung in Deutschland, insbesondere mit Blick auf die internationalen Herausforderungen und den verstärkten Zugang zum Studium, besser positioniert werden müssen. Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) sieht in einer klareren Verantwortungszuweisung, vor allem einer gestärkten Autonomie der Hochschulen und der wissenschaftlichen Einrichtungen, ein wesentliches Mittel, Innovationshemmnisse abzubauen. Das kann aber nicht heißen, Bund und Länder völlig aus ihrer Verantwortung für Wissenschaft und Forschung zu entlassen.


Die HRK sieht in der Föderalismus-Debatte eine Chance, das Wissenschaftssystem in Deutschland zu stärken und auf moderne Anforderungen, vor allem eine internationale Konkurrenzfähigkeit, auszurichten. Damit steht nicht in Widerspruch, wenn die Länderkompetenzen im Bereich der Kulturhoheit gestärkt werden. Dies wird von der HRK unter der Voraussetzung begrüßt, dass die gesamtstaatliche Verantwortung für Wissenschaft und Forschung gewahrt bleibt. Die HRK betrachtet eine verstärkte Autonomie der Hochschulen und der öffentlich finanzierten Wissenschaftseinrichtungen als eine wesentliche Voraussetzung für die Stärkung des Wissenschaftsstandorts Deutschland.


1. Verankerung der Hochschulautonomie im Grundgesetz


Die HRK erinnert daran, dass die in breitem politischem Konsens den Hochschulen zugestandene Autonomie als Voraussetzung eines Wettbewerbs der Hochschulen und der öffentlich finanzierten Wissenschaftseinrichtungen in der institutionellen Komponente der in Art. 5 Abs. 3 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit verfassungsrechtlich gefordert ist. Diese institutionelle Gewährleistung erfasst auch die öffentlich finanzierten Wissenschaftseinrichtungen.


Die HRK erwartet, dass der Bundes- und die Landesgesetzgeber dieser verfassungsrechtlich verbürgten Autonomie in hervorragender Weise dadurch entsprechen, dass den Akteuren Raum für Selbstorganisation und Beweglichkeit im Rahmen einer zureichenden Finanzausstattung gewährt wird. Die Maxime sollte lauten, dass im Zweifel zentrale Regulierungen verzichtbar sind.


2. Beibehaltung einer gemeinsamen Grundverantwortung von Bund und Ländern für den Hochschulbau


Ein Übermaß an Gemeinschaftsaufgaben mag kritikwürdig sein. Gegenwärtig scheint die Diskussion darauf zu zielen, Art. 91a GG (Hochschulbau) aufzuheben, während Art. 91b GG (überregionale Forschung) für Aufgaben von überregionaler Bedeutung zu Recht erhalten und damit die gemeinsame Grundverantwortung von Bund und Ländern festgeschrieben werden soll. Die HRK erinnert daran, dass ein allgemeiner politischer Konsens über die Notwendigkeit besteht, den Akademisierungsgrad im Interesse der Zukunftsfähigkeit deutlich zu steigern. Damit besteht aber der Hochschulneu- und vor allem -ausbau als Aufgabe fort. Auch insoweit muss also - nicht zuletzt auch angesichts der Lage in den neuen Ländern - die gemeinsame Finanzierungsverantwortung von Bund und Ländern erhalten bleiben.


Deshalb ist in Art. 91b GG hinter "Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung" zu ergänzen: "... und bei dem Ausbau und Neubau von Hochschulen". Der Vorzug einer Regelung in Art. 91b GG liegt auch in einer höheren Flexibilität, weil wesentliche Eckpunkte der Hochschulbauförderung über die "Vereinbarung" nach Art. 91b S.2 GG geregelt werden können.


3. Konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für grundsätzliche Bereiche des Hochschulwesens


Da an der finanziellen Grundverantwortung von Bund und Ländern für das Wissenschaftssystem festzuhalten ist, muss der Bund auch an der Sachverantwortung teilhaben, die auch im Wege der Gesetzgebung wahrzunehmen ist. Ein völliger Wegfall bundesrechtlicher Grundsatzvorgaben kommt mithin nicht in Betracht. Auch wenn die Rahmenkompetenz des Bundes wegfallen sollte, muss die konkurrierende Gesetzgebung, wenn auch nicht im Sinne einer Voll-Programmierung, ausgeschöpft werden. Zu denken wäre - das ist im Rahmen der gemeinsamen Verfassungskommission 1994 schon erörtert worden - an eine Kompetenzbestimmung etwa folgenden Zuschnitts:


"Der Bund hat die Gesetzgebung für (x) Grundsätze des Hochschulwesens, soweit sie die Zulassung zum Studium, die Studiengänge, die Abschlüsse, die Hochschulgrade und die Personalkategorien des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals betreffen." (S. ähnlich damals BR-Drs. 360/92, Rn 73)


Im Zusammenhang mit der Diskussion um den Wegfall der Strukturkompetenz ist daran zu erinnern, dass ein einheitliches Statusrecht für das wissenschaftliche und künstlerische Personal gewährleistet bleiben muss.


4. Selbstkoordinierung der Wissenschaft


Der HRK ist bewusst, dass es einen Koordinierungsbedarf für die weitere Entwicklung von Wissenschaft und Forschung gibt. Die Hochschulen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen müssen sich dieser Verantwortung stellen. Für eine solche Selbstkoordinierung des Hochschulbereichs ist die HRK der geeignete Rahmen.