Leitlinien für unbefristete Stellen an Universitäten neben der Professur


Beschluss der Mitgliedergruppe Universitäten in der Hochschulrektorenkonferenz vom 3.6.2024 und der Jungen Akademie am 22.6.2024 

Präambel
Universitäten haben einen Bedarf an unbefristet beschäftigten Wissenschaftler:innen neben der Statusgruppe der Professor:innen. Aus Gründen der Generationengerechtigkeit muss dabei das Verhältnis zwischen unbefristeten und befristeten Stellen ausgewogen sein. Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen mit unbefristeten Stellen tragen zur Sicherung der Qualität und Kontinuität in Forschung, Lehre, Transfer sowie Wissenschafts- und Infrastrukturmanagement bei und wirken bei der Umsetzung von administrativen Aufgaben mit.

Eine klare Definition der Aufgaben und die leistungsorientierte Besetzung von unbefristeten Stellen schafft Transparenz über Karrierewege, insbesondere für Wissenschaftler:innen in frühen Karrierephasen. Die Etablierung von Profilen unbefristeter Stellen mit Entwicklungsperspektive erfordert und befördert die Weiterentwicklung der Universitäten. Die Gewährleistung der Selbstständigkeit der unbefristet beschäftigten Mitarbeiter:innen zur Stärkung der Ideen- und Methodenvielfalt, zur Umsetzung des Zusammenwirkens von Forschung und Lehre als auch zur Prävention von Machtmissbrauch bedingt sowohl strukturelle als auch prozessuale Veränderungen, die es fachspezifisch, qualitätsgesichert und qualitätssichernd zu entwickeln und umzusetzen gilt.

Die Ausgestaltung dieser Arbeitsverhältnisse bezüglich der Stellenbezeichnungen, der Tätigkeitsprofile und der mit diesen Positionen einhergehenden Rechte und Pflichten ist in der deutschen Universitätslandschaft derzeit sehr heterogen. Ziel dieser Leitlinien ist es, möglichst einheitliche Rahmenbedingungen für das unbefristet beschäftigte wissenschaftliche Personal in den Fakultäten und den zentralen wissenschaftlichen Einrichtungen der Universitäten zu schaffen.

Die Beschreibung von drei Stellenprofilen (Lecturer, Researcher und Academic Manager) soll zu transparenten und planbareren Karrierewegen, vergleichbaren Arbeitsbedingungen, der Erhöhung der Attraktivität des deutschen Wissenschaftsstandorts auch für internationale Fachkräfte und zu einer stärkeren Identifikation mit der eigenen beruflichen Rolle führen. Es ist zu erwarten, dass die damit einhergehende Transparenz auch auf die Vereinbarkeit von Familie, Care-Verpflichtungen und Beruf und so auf die Diversitätsziele der Universitäten einzahlen wird.

I. Stellenprofile
Die Stellenprofile können in der Arbeitswirklichkeit nicht immer trennscharf voneinander abgegrenzt werden, doch lassen sich Tätigkeitsschwerpunkte feststellen, die das jeweilige Profil prägen. Die folgenden Aufgabenbeschreibungen sind weder abschließend zu verstehen noch in dem Sinne, dass die genannten Tätigkeiten alle zwingend wahrgenommen werden müssen. Es geht vielmehr darum, idealtypische Leitbilder darzustellen. Dieses Modell bedarf – obgleich schon zum Teil an Universitäten verankert – einer Profilschärfung und einer systematischen, bedarfsorientierten Etablierung.

1. Lecturer
Lecturer sind überwiegend in der Lehre tätig. Sie planen Lehrveranstaltungen, führen sie selbstständig und mit hoher Forschungsaktualität durch und beraten Studierende. Sie verfolgen neue hochschuldidaktische Entwicklungen und beteiligen sich an der Weiterentwicklung in diesem Bereich. Dazu tauschen sie sich über Lehrprojekte mit Akteur:innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur, Politik und Gesellschaft aus und sind entsprechend vernetzt. Lecturer bringen sich in strategische Entwicklungen in der Lehre ein, wie etwa die Neukonzeption von Studiengängen, die Entwicklung innovativer Lehrkonzepte oder die Digitalisierung in der Lehre. Das Lehrdeputat übersteigt in der Regel, je nach Einbindung in Lehre und andere Aufgaben im Bereich Studium und Lehre, nicht 12 SWS (ca. 60 % der Arbeitszeit).

Neben ihrem Schwerpunkt in der Lehre können Lecturer auch ihr eigenes wissenschaftliches Profil durch selbstständige Forschung weiterentwickeln. Sie führen Forschungsvorhaben durch, werben Drittmittel ein, publizieren und organisieren bzw. besuchen Tagungen. Mindestens 20 % der Arbeitszeit sind für selbstständige Forschung vorgesehen.

Lecturer beteiligen sich im Rahmen ihrer zeitlichen Möglichkeiten neben diesen Dienstaufgaben an akademischer Selbstverwaltung.

2. Researcher
Researcher sind überwiegend in der Forschung tätig.
Sie forschen, werben Drittmittel ein, leiten Projekte, beteiligen sich an Verbundprojekten, publizieren und halten Vorträge auf wissenschaftlichen Konferenzen. Researcher übernehmen Daueraufgaben in der Forschung im Umfang von bis zu 30 % ihrer Arbeitszeit und bringen sich in hochschulstrategische Diskurse im Bereich Forschung ein. Darüber hinaus stehen mindestens 20 % der Arbeitszeit der selbstständigen Forschung zur Verfügung.

Neben ihrem Schwerpunkt in der Forschung können Researcher selbstständig Lehrveranstaltungen mit hoher Forschungsaktualität durchführen. Researcher haben je nach Einbindung in die Forschung und andere organisatorische Aufgaben in der Regel ein Lehrdeputat, das sich an dem der Professor:innen orientiert (8 SWS; ca. 40 % der Arbeitszeit).

Researcher beteiligen sich im Rahmen ihrer zeitlichen Möglichkeiten neben diesen Dienstaufgaben an der akademischen Selbstverwaltung.

3. Academic Manager
Academic Manager übernehmen hauptsächlich Aufgaben im Wissenschafts- oder Infrastrukturmanagement oder im Transfer.
Sie arbeiten an der Schnittstelle zwischen Hochschuladministration einerseits und Forschung und Lehre andererseits. Sie beteiligen sich konzeptionell und strategisch an der Weiterentwicklung der Organisation in Forschung, Lehre und Transfer.

Das Aufgabengebiet der Academic Manager reicht von der Geschäftsführung und Koordination größerer Einheiten in Forschung, Lehre und Transfer über Projektmanagement, Qualitätsmanagement, Budgetplanung und -verantwortung, Leitung und Organisation von komplexer Forschungs- und anderer wissenschaftlicher Infrastruktur bis hin zu Kommunikations- und Veranstaltungsmanagement. Sie können Drittmittel für Projekte einwerben und ihre Forschungsergebnisse publizieren.

Ein Anteil von ungefähr 20 % ist für selbstständige Forschung und/oder Lehre (bis zu 4 SWS) reserviert. Academic Manager beteiligen sich im Rahmen ihrer zeitlichen Möglichkeiten neben diesen Dienstaufgaben an akademischer Selbstverwaltung.

II. Einstellungsvoraussetzungen, Besetzungsverfahren und Aufstiegsmöglichkeiten
Neben einem abgeschlossenen wissenschaftlichen Hochschulstudium ist für die Einstellung eines Lecturer und Researcher eine abgeschlossene Promotion erforderlich. Im Fall eines Academic Manager können an die Stelle einer abgeschlossenen Promotion im Ausnahmefall andere wissenschaftliche Leistungen treten. Für jeden der drei Karrierewege ist die Lehrqualifikation durch den Abschluss einer hochschuldidaktischen Weiterbildung nachzuweisen. Gegebenenfalls sind weitere Qualifizierungsnachweise für die in der Tätigkeitsbeschreibung festgehaltenen Daueraufgaben erforderlich. So haben Personen, die als Researcher eingestellt werden, in der Regel eine mindestens zweijährige Postdoc-Phase durchlaufen.

Sind diese Qualifikationen bzw. Kompetenzen noch nicht gegeben, kann die Stelle im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten befristet besetzt und mit einer Anschlusszusage (Entfristung) bei erfolgreicher Erfüllung einer Zielvereinbarung versehen werden.

Karrierewege an Universitäten basieren auf Exzellenz und Wettbewerb unter der Maßgabe der grundgesetzlich verankerten Prinzipien der Bestenauslese und Gleichstellung. Dies setzt voraus, dass Besetzungsregularien klar, transparent und entkoppelt von individuellen Förderbeziehungen sind, was auch zu den universitären Gleichstellungspolitiken beiträgt.

Die Stellen werden öffentlich und international ausgeschrieben. Kleine Kommissionen entscheiden in qualitätsgeleiteten, objektivierbaren und transparenten Auswahlverfahren über die Besetzung. Mindestens eine Person soll aus Gründen der Qualitätssicherung von der besetzenden Einheit unabhängig sein. An der Besetzung von Lecturer-Positionen sollen Vertreter:innen der Studierendenschaft beteiligt werden.

Aufstiegsmöglichkeiten im Rahmen der drei Stellenprofile sind durch die Etablierung von Senior Positions gegeben (Senior Lecturer, Senior Researcher, Senior Academic Manager), die mit größerer Verantwortung und Selbstständigkeit sowie damit einhergehend mit einer Höhergruppierung verbunden sind. Qualitätssicherung bei Umsetzung des Aufstiegs wird durch externe Begutachtung sichergestellt.

III. Organisatorische Einbettung und rechtliche Stellung
Die drei Profile sind Teil universitärer Personalstrukturentwicklung, dessen Etablierung, Ausbau und Weiterentwicklung eines Gesamtkonzeptes für unbefristete wissenschaftliche Stellen sowie kontinuierlicher Qualitätssicherungsmaßnahmen bedarf. Dies umfasst auch Strukturen für die Personalentwicklung für die systematische Förderung der Kompetenzen sowie der individuellen beruflichen Karriereentwicklungen der Beschäftigten. Es berücksichtigt Querschnittsfelder wie die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Care-Verpflichtungen, Diversitätsmanagement, Geschlechtergleichstellung, Internationalisierung und Gesundheitsförderung.

Zur Festlegung der Stellen müssen die strategischen Lehr- und Forschungsziele einer wissenschaftlichen Einheit (Institut, Fakultät, Fachbereich, zentrale Einrichtung, etc.) und die sich daraus ergebenden Daueraufgaben identifiziert werden. Die Stelleninhaber:innen sind Teil des wissenschaftlichen Personals und unterstehen fachlich in der Regel der Leitung der entsprechenden wissenschaftlichen Einheit. Sie können temporär einer Professur zugewiesen werden. Wissenschaftler:innen in Senior Positions werden keiner Professur, sondern der übergeordneten Einheit zugewiesen. Für die Wahrnehmung der Aufgaben sind den Wissenschaftler:innen eine adäquate Ausstattung und der Zugang zu nötigen Infrastrukturen zur Verfügung zu stellen.

Lecturer, Researcher und Academic Manager sind Wissenschaftliche Mitarbeiter:innen im Sinne der (Landes-) Hochschulgesetze. Sie werden zunächst i.d.R. in die Besoldungs- bzw. Entgeltgruppe A 13 bzw. E 13 eingruppiert mit Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten über den Karriereverlauf (Eingruppierung bis A 15 bzw. E 15). Senior Positions sind mit größerer Verantwortung und Selbstständigkeit verbunden.

Lecturer, Researcher und Academic Manager, so letztere in der Lehre tätig sind, sind berechtigt, Abschlussarbeiten (B.A., M.A.) zu betreuen. Researcher und Lecturer sowie promovierten Academic Manager wird regelmäßig und qualitätsgesichert das Recht zur Betreuung und Begutachtung von Promotionen verliehen, soweit die Voraussetzungen aus den Promotionsordnungen der promotionsberechtigten Einrichtungen gegeben sind.

Lecturer, Researcher und Academic Manager können sich zur Wahrnehmung von Drittmittelprojekten von ihren Lehraufgaben freistellen lassen, insbesondere wenn der Drittmittelgeber dies finanziert oder verlangt. Personen auf Senior Positions sollen Freistellungen vergleichbar einem Forschungsfreisemester gewährt werden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind anzupassen.

IV. Rahmenbedingungen für mehr unbefristete Stellen

Die Gesetzgebung der Länder muss sicherstellen, dass alle Stellenprofile im Sinne der Landeshochschulgesetze wissenschaftliches Personal darstellen.

Es bedarf einer grundlegenden Reform des Kapazitätsrechts, damit ein Aufwuchs an universitären unbefristeten Stellen zu einer besseren Betreuungsrelation und nicht zur Erhöhung der Studierendenzahl führt bzw. nicht zum Abbau von Professuren.

Aufstiegsmöglichkeiten in Senior Positions sind mit einer entsprechenden Höhergruppierung bis A 15 bzw. E 15 zu verbinden, was tarif- und beamtenrechtlich abzubilden ist.

Eine signifikante Steigerung der Zahl unbefristet Beschäftigter erfordert eine Steigerung der Grundfinanzierung, da die Umwidmung von Qualifikationsstellen in unbefristet beschäftigte Stellen nicht kostenneutral erfolgen kann.