Zum Berufsbegleitenden Studium


Entschließung des 199. Plenums am 17./18 Februar 2003


In Deutschland und Europa ist seit mehreren Jahren ein tiefgreifender Wandel des Studierverhaltens zu verzeichnen. Bildungsbiographien sind immer häufiger von Unterbrechungen während des Studiums und Phasen der Berufstätigkeit zwischen einzelnen Studien- und Ausbildungsabschnitten gekennzeichnet; sie sind individuell geprägt und zunehmend ausdifferenziert. Wie Sozialerhebungen, etwa des Deutschen Studentenwerkes, belegen, nimmt auffällig die Zahl der Studierenden zu, die ihr Studium nicht in Vollzeit absolvieren. Seitens der Studierenden und Studieninteressenten sind es überwiegend ökonomische Gründe, die die Entscheidung für ein Teilzeitstudium ausmachen.


Die aktuellen Entwicklungen in Bildungspolitik und Berufsleben erlauben den Hochschulen, auf diesen Trend mit adressatengerechten und problembezogenen Formen des Teilzeitstudiums zu reagieren. Insbesondere das berufsbegleitende Studium, das den Studierenden erlaubt, Studium und Erwerbstätigkeit sinnvoll miteinander zu verbinden, wird in Zukunft von zunehmender Bedeutung sein. (Auch in Österreich, den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich sowie den Vereinigten Staaten steigt der Anteil der Teilzeitstudierenden kontinuierlich an und beträgt z. T. bereits die Hälfte der Studierendengesamtheit; dort bilden die berufsbegleitend Studierenden die größte und zugleich wachsende Gruppe der Teilzeitstudierenden.)


Für das berufsbegleitende Studium bieten sich insbesondere die gestuften Studiengänge (Bachelor/Bakkalaureus und Master/Magister) an. Diese eröffnen den Studierenden zum Beispiel die Möglichkeit, nach einem grundlegenden Vollzeitstudium, das nach drei bis vier Jahren zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss führt, sich berufsbegleitend weiter zu qualifizieren. Master-/Magisterstudiengänge werden künftig mehr und mehr auf die Anforderungen von Berufstätigen zugeschnitten sein müssen. Im berufsbegleitenden Studium reagieren diese damit zugleich auf den Bedarf seitens der Arbeitswelt nach stetiger wissenschaftlicher Weiterbildung. Den berufsbegleitend Studierenden eröffnen sie die Chance, ihr Qualifikationsniveau schrittweise anzuheben und somit ihre Karrierechancen zu verbessern. Die zunehmende Modularisierung der Studiengänge und Studienangebote wird es den Studierenden erlauben, zertifizierte Module berufsbegleitend zu absolvieren.


Der Wissenschaftsrat hat bereits 1997 in seinen "Empfehlungen zur Differenzierung des Studiums durch Teilzeitstudienmöglichkeiten" empfohlen, den besonderen Bedürfnissen der berufsbegleitend Studierenden Rechnung zu tragen. Als Variante des Teilzeitstudiums teilt das berufsbegleitende Studium organisatorische, methodische, curriculare und didaktische Merkmale mit dualen Studiengängen, dem Fernstudium und der wissenschaftlichen Weiterbildung. Das berufsbegleitende Studium kann insofern auf Erfahrungen seitens der Hochschulen und eine erprobte Infrastruktur zurückgreifen. Allerdings müssen die Hochschulen vor allem die zeitliche Organisation ihrer Studienangebote noch auf den neuen und andersartigen Bedarf einstellen.


Für die Hochschulen ist die Ausrichtung von zusätzlichen Studienangeboten auf berufstätige Studierende mit erheblichem Mehraufwand verbunden. Die Hochschulen müssen daher den Mehraufwand für berufsbegleitende Studiengänge durch Studiengebühren und Sponsorengelder refinanzieren. In Studienprogrammen, an denen sich andere Träger an der Finanzierung beteiligen, liegt die Qualitätsverantwortung bei den Hochschulen.


Der Hochschulkompass weist in der Kategorie der weiterführenden Studienangebote aktuell 54 berufbegleitend organisierte Studiengänge aus. Daneben werden derzeit lediglich 29 Studiengänge angeboten, die zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss führen und durch besondere organisatorische Maßnahmen im angesprochenen Sinne (z. B. Blockveranstaltungen, Wochenendveranstaltungen, Abendveranstaltungen) berufsbegleitend ausgerichtet sind (jeweils ohne Fernstudiengänge).


Als ein organisatorisches Vorbild für ein berufsbegleitendes Studium können duale Studiengänge gelten. Die dualen Studiengänge stellen eine effektive Verbindung von wissenschaftlichem Studium und beruflicher Ausbildung dar. Derzeit bieten Hochschulen - ganz überwiegend Fachhochschulen, bislang nur 2 Universitäten - in Deutschland 77 duale Studiengänge an, die in enger Abstimmung Studienphasen und gewerbliche Ausbildungsphasen anbieten, die sowohl zu einem akademischen Grad wie auch zu einem Berufsabschluss führen. In weiteren 40 Studiengängen wird zwar keine Berufsausbildung absolviert, in das Studium sind aber inhaltlich eng abgestimmte Phasen der praktischen Tätigkeit integriert. (C. Konegen-Grenier u. D. Werner, Duale Studiengänge an Hochschulen. Studienführer, Köln 2001; s.a. www.hochschulkompass.de)


Empfehlungen

  1. Die Hochschulrektorenkonferenz empfiehlt den Mitgliedshochschulen zu prüfen, ob sie ihr Profil schärfen können, indem sie für berufstätige Studierende besondere Studienangebote mit der Möglichkeit, akademische Abschlüsse zu erwerben, entwickeln. Die berufsbegleitenden Studienangebote sollen als Teilzeitprogramme auf ein erstes berufsqualifizierendes Vollzeitstudium - etwa den Bachelor/Bakkalaureus - aufbauen. Vor allem Studiengänge, die zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss führen - Master/Magister - sind im Sinne einer wissenschaftlichen Weiterbildung für berufsbegleitend Studierende besonders geeignet.

  2. Berufsbegleitende Studiengänge können nur dann empfohlen werden, wenn sie modularisiert sind und dem ECTS entsprechen. Wie die dualen Studiengänge bedürfen auch die berufsbegleitenden Studiengänge einer besonderen, vor allem zeitlichen Neu-Organisation. Die Präsenzphasen des Studiums umfassen eigene Veranstaltungen in Blockform, die in der Regel außerhalb der üblichen Vorlesungszeiten anzubieten sind. Die so organisierten Präsenzphasen des Studiums können durch sinnvolle (virtuelle) Fernstudieneinheiten ergänzt werden. Das Präsenzstudium - inkl. Laborpraktika in den Natur- und Technikwissenschaften - wird mit Phasen des Selbststudiums sorgfältig abgestimmt.

  3. Für die Hochschulen ist die Ausrichtung von zusätzlichen Studienangeboten auf berufstätige Studierende mit erheblichem Mehraufwand verbunden. Ohne die Möglichkeit einer kostendeckenden Refinanzierung des Mehraufwandes für berufsbegleitende und duale Studiengänge - im grundständigen und im weiterführenden Bereich - vor allem durch Studiengebühren und Sponsorengelder können die Hochschulen ein entsprechendes Angebot nicht realisieren. Erfahrungen mit gebührenfinanzierten berufsbegleitenden Studiengängen im weiterbildenden Bereich zeigen, dass die Studiengebühren in der Regel akzeptiert werden, zumal Unternehmen oft bereit sind, diese ganz oder teilweise zu übernehmen. In Studienprogrammen, an denen sich andere Träger an der Finanzierung beteiligen, liegt die Qualitätsverantwortung bei den Hochschulen.

  4. Die Hochschulrektorenkonferenz empfiehlt außerdem, das Angebot an dualen Studiengängen weiter auszubauen und verweist dazu auf die gemeinsame Erklärung der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände und der HRK zum dualen Studium vom 20. März 2000. (Anlage)

Hochschulrektorenkonferenz und Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände


Gemeinsame Erklärung zum Dualen Hochschulstudium (20. März 2000)


Duale Studiengänge sind ein attraktives Dienstleistungsangebot der Hochschulen sowohl für die Studierenden als auch für das Beschäftigungssystem. Sie stellen einen wichtigen Beitrag zur Differenzierung und Profilierung des deutschen Hochschulsystems dar. Durch die Kombination der beiden Lernorte Betrieb und Hochschule eröffnet sich die hervorragende Chance einer engen Verzahnung von Ausbildungs- und Beschäftigungssystem zugunsten einer praxisbezogenen und gleichwohl wissenschaftlich fundierten Ausbildung mit internationalen Bezügen.


Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und die Hochschulrektorenkonferenz sprechen sich nachdrücklich dafür aus, das bestehende Angebot an dualen Studiengängen weiter zu fördern und auszubauen. Die Chancen sollten vor allem von Fachhochschulen, aber auch von Universitäten genutzt werden. Die neuen Gestaltungsspielräume der Hochschulgesetze bieten die Möglichkeit, vielfältige Modelle dualer Hochschulausbildung zu erproben. Dies gilt auch für international attraktive Studienangebote. Vom dualen Studienkonzept im Hochschulbereich profitieren alle Beteiligten:

  • Studierende erhöhen durch den frühzeitigen Kontakt mit den Betrieben ihre Beschäftigungschancen und werden von Studienbeginn an mit betrieblichen Abläufen vertraut gemacht

  • die Betriebe gewinnen Mitarbeiter, die sich rasch in die Unternehmensabläufe einbinden lassen und ein hohes Entwicklungspotential mitbringen · und die Hochschulen ergänzen durch die dualen Studiengänge ihr Leistungsspektrum und leisten einen wichtigen Beitrag zur Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur.

Duale Studiengänge verlangen insbesondere von den beteiligten Betrieben und den Hochschulen ein im Vergleich zu den traditionellen Studiengängen deutlich höheres Maß an Kommunikation und Abstimmung. Dies führt dazu, dass zum jetzigen Zeitpunkt insbesondere Großunternehmen als Partner der Hochschulen auftreten. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und die Hochschulrektorenkonferenz fordern jedoch auch die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) auf, die dualen Studiengänge als ein Element einer längerfristig angelegten strategischen Personalentwicklung zu nutzen.


Sie sind sich dabei der Tatsache bewusst, dass das Erfolgsmodell der dualen Studiengänge nicht zum Nulltarif zu haben ist. Sie sind jedoch der gemeinsamen Auffassung, dass der qualitativ hochwertige Ausbildungsstandard der Absolventen dualer Studiengänge den personellen und finanziellen Aufwand der Betriebe rechtfertigt.


Eine kontinuierliche Beteiligung der Betriebe an dualen Studiengängen setzt Transparenz hinsichtlich des personal- und gesamtwirtschaftlichen Mehrwerts voraus, der sich aus einem Engagement an diesem Studiengangsmodell für den Betrieb ergibt voraus. BDA und HRK wollen deshalb mit der Bonner Erklärung den Startschuss für ein offensives Marketing für duale Studiengänge bei Studierenden, Betrieben und Hochschulen geben. Studierende müssen für eine erfolgreiche Beteiligung an dualen Studiengängen ein überdurchschnittliches Maß an Motivation und Eigeninitiative mitbringen. Der Wechsel der Lernorte verlangt Flexibilität und Durchhaltevermögen. In den Hochschulen selbst bedeutet der Einsatz neuer Curricula sowie ein spezielles methodisch-didaktisches Vorgehen einen über das übliche Maß hinausgehenden Einsatz der Dozenten und der Hochschulorganisation.


Die Betriebe müssen neben den finanziellen Belastungen einen erheblichen personalwirtschaftlichen Aufwand betreiben. Gerade vor dem Hintergrund der auch vom Wissenschaftsrat eingeforderten besseren Abstimmung zwischen Ausbildungs- und Beschäftigungssystem sehen sich BDA und HRK dazu veranlasst, den quantitativen und qualitativen Ausbau dualer Studiengänge entschlossen voranzubringen. Die schon jetzt insbesondere an Fachhochschulen existierenden Modelle für duale Studiengänge haben sich sowohl aus Sicht der Praxis als auch aus Sicht der Hochschulen bewährt. Mit der Einführung der gestuften Studiengänge und Abschlüsse bietet sich zudem die hervorragende Chance, Studium duale und Studium internationale zu kombinieren. Im Interesse der Beschäftigungsfähigkeit der Studierenden sollten die Chancen, die sich mit den dualen Studiengängen verbinden, nicht ungenutzt werden lassen.