Zu den heute veröffentlichten Ergebnissen der Evaluation der Auswirkungen des 2015/2016 novellierten Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) äußerte sich der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Professor Dr. Peter-André Alt, soeben in Berlin:
„Die Ergebnisse der vom Gesetzgeber geforderten und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung beauftragten Evaluation des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes liegen auf dem Tisch – jetzt muss eine gründliche Bewertung durch das Ministerium in enger Abstimmung mit den betroffenen Interessengruppen erfolgen. Auf dieser Basis kann der Bundestag über weitere mögliche Anpassungen befinden. Die Evaluation zeigt, dass sich die Befristungspraxis der Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Universitätskliniken aufgrund der letzten Gesetzesnovelle verändert hat; vielfach im Sinne größerer Transparenz von Karrierewegen für Beschäftigte und Wissenschaftseinrichtungen. Zugleich werden die Grenzen des gesetzlich Regelbaren deutlich.“
Wie aus der Evaluation hervorgeht, haben sich im Bereich der Qualifizierungsbefristung die durchschnittlichen Vertragslaufzeiten in den letzten Jahren erkennbar verlängert. Besaßen befristete Arbeitsverträge an den Universitäten 2015 noch eine mittlere Laufzeit von 15-17 Monaten, so sind diese Mittelwerte bereits 2017 auf 21-22 Monate gestiegen. Maßgeblich dafür war eine Zunahme dreijähriger Verträge, mit der die Hochschulen die Vorgaben zur Festlegung angemessener Vertragslaufzeiten umsetzen. Auch im Bereich der mit sogenannten Drittmitteln finanzierten Verträge haben die Hochschulen der Novellierung entsprochen und die individuelle Vertragslaufzeit üblicherweise der Projektlaufzeit angepasst.
Alt erklärte weiter: „Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz regelt wesentliche Befristungsgrundsätze im Wissenschaftsbereich, und die Hochschulen setzen diese um. Das Engagement und die Verantwortung für Wissenschaftler:innen insbesondere in frühen Karrierephasen geht allerdings über diesen arbeitsrechtlichen Rahmen hinaus. Wissenschaft und Politik sind gefordert, in einem umfassenden Sinn für attraktive Beschäftigungsbedingungen zu sorgen. Dazu gehört für die nötige Planungssicherheit zwingend eine verlässliche und auskömmliche Finanzierung wissenschaftlicher Einrichtungen. Die Hochschulen selbst sind aufgefordert, von ihnen eröffnete Karrierewege klar zu strukturieren und nicht allein für Laufbahnen in Forschung und Lehre, sondern für verschiedene Tätigkeiten in Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft zu qualifizieren. Insbesondere die in der Evaluation aufgenommenen Perspektiven wissenschaftlich oder künstlerisch beschäftigter Postdocs geben wertvolle Hinweise darauf, wo aktuell Verbesserungsmöglichkeiten gesehen werden.“
Dass 74 Prozent der Promovierten mittelfristig eine Beschäftigung in der Wissenschaft anstrebten, spreche für die ungebrochene Attraktivität wissenschaftlichen Arbeitens und der damit verbundenen besonderen Gestaltungsfreiheiten und Entfaltungsmöglichkeiten. So erkläre sich auch, dass diejenigen, die eine dauerhafte Anstellung in der Wissenschaft erhofften, vielfach eher kritisch auf den Qualifizierungsprozess schauen. Zu einer nüchternen Analyse gehöre es aber anzuerkennen, dass die Beschäftigungsmöglichkeiten in der Wissenschaft begrenzt und die Auswahlverfahren notwendigerweise hochkompetitiv sind.
Professorin Dr. Anja Steinbeck, Sprecherin der Mitgliedergruppe Universitäten in der HRK und HRK-Vizepräsidentin, unterstrich heute mit Blick auf die anstehende Debatte: „Die Evaluation liefert sehr wichtige und interessante Ergebnisse. Aus ihr lassen sich aber kaum zwingende Folgerungen für eine Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes ableiten. Daher werden die Universitäten ihre Beratungen über angemessene Personalstrukturen und Wege zur Professur, aber auch über die Vorbereitung auf außeruniversitäre Berufsfelder fortsetzen und sich mit fundierten Vorschlägen in den vom BMBF geplanten Stakeholder-Prozess einbringen. Das Hochschulsystem sieht sich klar in der Verantwortung für seine Beschäftigten sowie für seine Absolventinnen und Absolventen. Hochschulspezifische Personalentwicklungskonzepte können dazu beitragen, nachhaltig attraktive Arbeitsmöglichkeiten zu gewährleisten. Und Zusatzqualifikationen für außeruniversitäre Berufsfelder können die Durchlässigkeit von Karrierewegen auch für promovierte Wissenschaftler:innen weiter erhöhen.“