Der Senat der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat sich einhellig zu einer absoluten Priorität des Gesundheitsschutzes bei der Gestaltung des kommenden Wintersemesters bekannt. Es sei völlig unstreitig, dass Hochschulen jetzt und in Zukunft Präsenzeinrichtungen seien und sein wollten. Die Forderung nach einer sofortigen vollständigen Rückkehr in den Präsenzbetrieb aber sei unter anhaltenden Corona-Bedingungen verfehlt.
„Der Austausch der Senatsmitglieder zu Rahmenbedingungen und Optionen für Studium und Lehre im nächsten Semester hat eindeutig gezeigt, dass die Leitlinie lauten muss ‚so viel Präsenz wie möglich, aber nur im Rahmen des Verantwortbaren‘“, erläuterte HRK-Präsident Peter-André Alt im Anschluss. Es sei von einem Semester mit Schwerpunkt auf digitalen Angeboten auszugehen, wo immer vertretbar kombiniert mit Präsenzangeboten.
„Die Hochschulen müssen jetzt für den Herbst verlässlich planen. Jede Hochschule braucht Planungsvorlauf und kann nicht wiederholt ‚auf Zuruf‘ umgesteuert werden. Zudem sind Konzeption und Durchführung von digitalen und Präsenzveranstaltungen nicht beliebig austauschbar. Daher müssen die Hochschulleitungen jetzt eine sichere Perspektive schaffen, die einer anhaltenden und womöglich gar erneut verschärften Corona-Situation Rechnung trägt.“
Ein besonderes Anliegen ist es den Hochschulen, dass auch auf die vielen ausländischen Studierenden Rücksicht genommen wird, die absehbar weiterhin nicht alle anreisen und an Präsenzveranstaltungen werden teilnehmen können.
In der Diskussion werde die besondere Situation der Hochschulen nicht selten verkannt. Alt: „Vergleiche mit Vereinen oder Schulen gehen völlig fehl. Die Selbstorganisations- und Selbstlernfähigkeit von Studierenden ist ungleich höher als die von Schulkindern, so dass sie ihre Leistungen bei allen Kompromissen auch erfolgreich digital erbringen können. Vor allem aber gibt es erhebliche zusätzliche Risikofaktoren für Studierende und Personal und damit letztlich die gesamte Bevölkerung: Allein die Größe der Hochschulen mit meist mehreren Tausend Personen macht die Dimension der Herausforderungen deutlich. Studierende bewegen sich im Gegensatz zu Schülerinnen und Schülern zwischen Studien- und Heimatort und bringen damit zusätzliche Ansteckungsrisiken in die Häuser. Auch ein übermäßiges Pendeln mit öffentlichem Nahverkehr zwischen Präsenzveranstaltungen und digitalen Veranstaltungen birgt erhöhte Risiken, die bei der Planung des Studienangebots beachtet werden müssen.“
In den meisten Bundesländern gelten nach wie vor Corona-bedingte Hygienevorschriften. Um in den dortigen Hochschulen die Einhaltung der notwendigen Abstandsregeln zu sichern, so wurde im Senat deutlich, müssten für große Vorlesungen externe Räumlichkeiten mit Höchstkapazitäten angemietet werden, die Organisation in Bibliotheken oder Mensen wäre bei voller Präsenz aller Hochschulmitglieder nicht zu leisten.
HRK-Präsident Alt: „Die Hochschulen orientieren ihre Maßnahmen sinnvollerweise an den jeweiligen Bedarfen und Möglichkeiten. Diese sind nach Größe, baulicher Situation und vor allem nach Fächern sehr unterschiedlich. In experimentellen Fächern etwa kann auf das Lernen im Labor nicht lange verzichtet werden, im Sport- und im Medizinstudium etwa nicht auf praktische Übungen. Das Fächerspektrum der künstlerischen Hochschulen wiederum erfordert einen hohen Anteil an Kleingruppen- und Individualstudium. Entsprechend kann und muss hier die Präsenzlehre wieder verstärkt zum Zuge kommen.“
Der HRK-Senat bekannte sich dazu, ein besonderes Augenmerk auf die Situation von Erstsemestern und Studierenden in Prüfungsphasen zu haben. „Es ist klar, dass diese Personengruppen einen besonderen Bedarf an vor-Ort-Angeboten haben. Dafür entwickeln die Hochschulen Konzepte. Die HRK wird den Austausch der Hochschulleitungen dazu unterstützen“, sagte HRK-Präsident Alt.
Der Senat appellierte an alle Hochschulmitglieder sowie an Politik und Beobachterinnen und Beobachter, die große Verantwortung der Hochschulen für die Gesundheit und die Studienchancen aller in der Debatte zu berücksichtigen. Alt: „Wir müssen alles tun, damit die Hochschulen nicht zu Corona-Hotspots werden. Sie werden so schnell, wie es verantwortbar ist, in einen weitgehenden Präsenzmodus zurückkehren. Wir sollten bei aller Anspannung außerdem nicht vergessen, dass wir von den heutigen Erfahrungen profitieren können, wenn wir sie vorbehaltlos analysieren und Folgerungen im Hinblick auf eine weitere konstruktive Fortentwicklung unserer Lehre unter Einschluss digitaler Elemente ziehen.“