Fälle von Machtmissbrauch an Hochschulen, insbesondere gegenüber Studierenden und sich qualifizierenden Wissenschaftler:innen, in den vergangenen Jahren verdeutlichen, dass eine kontinuierliche Überprüfung und nötigenfalls Erweiterung bestehender Schutzvorkehrungen geboten ist. Die Mitgliederversammlung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat deshalb gestern in ihrer Sitzung in Fulda eine Empfehlung zu Maßnahmen verabschiedet, die Machtmissbrauch sichtbar machen, sanktionieren und verhindern sowie Betroffene bestmöglich unterstützen sollen.
Das HRK-Papier „Macht und Verantwortung“ benennt als Risikofaktoren, die Machtmissbrauch im hochschulischen Kontext begünstigen können, Hierarchien, formale und informelle Weisungsbefugnisse sowie andere Abhängigkeiten, vor allem im Zusammenhang mit wissenschaftlicher und künstlerischer Qualifizierung und der Mitarbeit in Drittmittelprojekten. Als wissenschaftsspezifische Formen des Machtmissbrauchs werden des Weiteren beispielsweise die unberechtigte Aneignung geistigen Eigentums abhängiger Personen oder problematische Forschungspraktiken angeführt.
Der Präsident der HRK, Prof. Dr. Walter Rosenthal, erläuterte dazu heute in Berlin: „Die Führung und Anleitung von Personal beziehungsweise von Studierenden sowie andere Macht- und Entscheidungspositionen bedingen ein hohes Maß an individueller und institutioneller Verantwortung – zumal sich daraus ergebende Abhängigkeiten strukturell nicht vollkommen auflösen lassen. Die Hochschulen haben für eine bessere Prävention, Untersuchung und Ahndung von Machtmissbrauch bereits viel unternommen. Aber wir können und wollen noch besser werden.“
Prof. Dr. Susanne Menzel-Riedl, die HRK-Vizepräsidentin für Hochschulsystem und Organisation, unterstreicht: „Die Hochschulen stehen mitten in der Gesellschaft. Daher finden sich auch an ihnen Formen des Machtmissbrauchs, wie diese in allen gesellschaftlichen Kontexten auftreten können: von dem unzulässigen Einfordern von Mehrarbeit über Ungleichbehandlung im Team bis hin zu Diskriminierung, Demütigung oder sexualisierter Gewalt. Was wir als Gegenmaßnahmen empfehlen, umfasst neben der eindeutigen Positionierung der Hochschulleitungen auch die Bewusstseinsbildung und Einbindung, Schulung, systematische Weiterbildung sowie ein Empowerment der Hochschulangehörigen.“
Im November 2023 hatte die Mitgliederversammlung der HRK in ihrer Sitzung in Berlin die besondere Verantwortung der Rektorate und Präsidien bekräftigt, entschieden gegen Machtmissbrauch an Hochschulen vorzugehen. Dabei wurde die Ständige Kommission Organisation und Governance beauftragt, Vorschläge zur Weiterentwicklung und Verbesserung bestehender Verfahrensweisen zu erarbeiten. Diese wurden nun verabschiedet.
„Diese Empfehlungen sind ein sehr wichtiger Zwischenschritt. Sie müssen nun umgesetzt werden“, so Menzel-Riedl. „Wir sind uns einig, dass weitere Veränderungen in den Hochschulen notwendig sein werden. Die HRK wird sich beispielsweise künftig auch damit beschäftigen, wie im akademischen Qualifizierungssystem Abhängigkeiten reduziert werden können. Auch die strukturelle Anbindung und Förderung der Selbstständigkeit von Mitarbeitenden neben der Professur werden wir thematisieren.“
Zum Text der Empfehlung