An der Europa-Universität Flensburg entsteht eine Weiterbildung für Führungskräfte, in der Diversity-Themen eine zentrale Rolle spielen – genauso wie auch in der alltäglichen Praxis von Professor:innen.
Diese Exkurse ärgern Martina Spirgatis schon lange: Wenn sie sich Weiterbildungen für Führungskräfte anschaut, kommt das Thema Vielfalt darin entweder gar nicht vor, konstatiert sie – oder aber als bloßer Exkurs. „Dabei ist es doch ein zentrales Thema und kein add-on“, sagt die Gleichstellungsbeauftragte der Europa-Universität Flensburg (EUF): „Deshalb möchten wir das jetzt genau in diesem Sinne umsetzen.“
Das Programm, das die Flensburger:innen jetzt im Rahmen der HRK-Initiative „Vielfalt an deutschen Hochschulen“ durchführen, steht unter dem Motto „Mit Wissen (mehr) Vielfalt schaffen“. Im Mittelpunkt steht – neben einer detaillierten Erhebung von Vielfaltsdimensionen und Diskriminierungserfahrungen – der Aufbau einer Führungskräfte-Weiterbildung, die schon bald für Professor:innen zur Verfügung stehen soll und die die Vielfalt zentral in die Lektionen aufnimmt. „Führungskultur entwickeln“ ist der Arbeitstitel des Programms, das auf Selbstlerneinheiten setzt. „Wir arbeiten mit vier Kapiteln: Führungsstile, Führungsmethoden, Kommunikation und Konfliktmanagement“, sagt Martina Spirgatis. Die Nachfrage nach solchen Angeboten aus der Professor:innenschaft sei hoch – auch und gerade bei denjenigen, die eine gezielte Diversitätsschulung aus Zeitgründen vermutlich nicht besuchen würden. Um die Gestaltung von Mitarbeitendengesprächen geht es zum Beispiel in den einzelnen Kapiteln, um Konfliktsituationen im Team und zahlreiche weitere Aspekte, die im Alltag von Lehrenden häufig vorkommen und auf die sie dennoch in ihrer Berufslaufbahn in den meisten Fällen nicht vorbereitet werden.
„Das Thema Vielfalt spielt in der täglichen Praxis in allen diesen Situationen eine Rolle, und genauso selbstverständlich bauen wir sie in die Kapitel ein – als zentrale Bestandteile, nicht als Exkurs“, sagt Martina Spirgatis. Fallbeispiele wie ein Gespräch mit ausländischen Mitarbeitenden schaffen ein Bewusstsein und viel Anwendungswissen zu den Vielfaltsthemen.
Die Flensburger Universität ist aus einer Pädagogischen Hochschule hervorgegangen und hat bis heute einen starken Fokus auf Lehrkräftebildung. Auch die Verbindung mit dem wenige Kilometer entfernten Dänemark hat eine lange Tradition; zahlreiche gemeinsame Studiengänge sowie Angebote mit einem europawissenschaftlichen Schwerpunkt ziehen Studierende aus ganz Deutschland, aber auch aus vielen weiteren Ländern an. Neben dieser internationalen Dimension ist die Universität gut aufgestellt, wenn es um die Bedürfnisse von Eltern geht oder von Menschen mit Beeinträchtigungen. „Wir haben zum Beispiel ein System, mit dem sie einen prioritären Zugriff auf unsere Seminare haben“, erläutert Martina Spirgatis: „Wir wissen, dass sie ihre Betreuungsaufgaben oder auch regelmäßige Arztbesuche besser wahrnehmen können, wenn wir dafür sorgen, dass sie auch wirklich einen Platz in denjenigen Kursen bekommen, die zeitlich passend liegen.“
Mit der Führungskräfte-Weiterbildung soll jetzt auf diese vorhandenen Instrumente aufgebaut werden. „Wir richten uns dabei gezielt an die Professor:innen, weil sie an der Universität nun einmal für viele Prozesse von herausragender Bedeutung sind“, so Martina Spirgatis: „Wir wollen eine Kulturveränderung erreichen, und dafür müssen wir bei dieser wichtigen Statusgruppe anfangen.“ Änderungen im Klima diffundieren dann nach und nach in die gesamte Universität hinein, so die Überzeugung in Flensburg.
Im Intranet wird die Führungskräfteschulung verfügbar sein, maßgeschneidert auf die Bedürfnisse der Universitätsangehörigen. Die Inhalte entstehen überwiegend im Haus; für einige Aspekte holen sich Spirgatis und ihr Team Expertise von außerhalb dazu. Die Software im Hintergrund ist so aufgebaut, dass sie sich später auch andere Themen verwenden lässt.
Text von Kilian Kirchgeßner