Die Leipziger Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy erarbeitet ein maßgeschneidertes Diversitätskonzept. Ein Interview mit Dr. Ute Fries, Prorektorin für Studium, Lehre & Internationales und der Gleichstellungsbeauftragten Nora-Elisabeth Leinen-Peters.
Frau Leinen-Peters, lange wird es Ihre Stelle als Gleichstellungsbeauftragte ja jetzt nicht mehr geben, oder?
Leinen-Peters (lacht): Sie meinen, weil wir die Stabsstelle Diversität gründen? Das ist zwar eine organisatorische Änderung, insofern haben Sie Recht, aber der Aufgabenbereich wird deshalb ja nicht verschwinden. Im Gegenteil: Uns ist wichtig, dass die verschiedenen Bereiche sich gleichberechtigt gegenüberstehen. Dies können wir durch die Schaffung der neuen Strukturen erreichen.
Was ist das Ziel der neuen Struktur?
Leinen-Peters: Wir haben schon viele verschiedene Angebote im Gleichstellungsbereich und wollen den Fokus jetzt stärker auf das Thema Diversität legen. Wir sind personell sehr schlecht aufgestellt, die Arbeit erledigen viele Leute zusätzlich zu ihren übrigen Aufgaben. Ich selbst bin hauptberuflich in der Lehre tätig, unsere Inklusionsbeauftragte leitet ein Referat, die Antidiskriminierungsbeauftragte ist Studiengangsleiterin, der Ombudsmann ist Professor für Jazzschlagzeug. Wir wollen einfach die Koordination verbessern, um Ressourcen freizusetzen.
Fries: Unsere größte Herausforderung ist, das Thema in die Hochschule zu bekommen. Dass unsere Seminare und Workshops eine breitere Gruppe ansprechen. Deshalb ist die HRK-Initiative „Vielfalt an deutschen Hochschulen“ für uns wertvoll, weil wir zusätzliche Workshops anbieten können. Damit bringen wir schon einmal frischen Wind in die Sache.
Wie sind denn die Rahmenbedingungen bei Ihnen: Wo sehen Sie den größten Bedarf?
Fries: Wir haben 1.400 Studierende, 120 festangestellte Lehrende und ca. 400 Lehrbeauftragte. Wir sind also sehr überschaubar – der große Pluspunkt ist, wie bei vielen anderen künstlerischen Hochschulen, die individuelle Betreuung durch Einzelunterricht. Genau das ist an manchen Stellen aber auch die Krux, weil diese Konstellation einen potenziellen Machtmissbrauch oder auch sexuelle Übergriffe begünstigen kann.
Leinen-Peters: Dazu haben wir bereits eine Plakatserie gemacht, um das Miteinander und den Respekt in den Vordergrund zu stellen und Ansprechpersonen zu nennen.
Fries: Und natürlich wird das Thema Internationalisierung bei uns sehr großgeschrieben, mehr als ein Drittel der Studierenden stammen aus dem Ausland. Die Sprachkenntnisse sind da vielfach ein Thema; wir haben viele Lehrkräfte, die inzwischen auch auf Englisch unterrichten.
Leinen-Peters: Wir merken an den Anfragen, dass das Thema Diversität von den Studierenden immer stärker eingefordert wird. Neuerdings geht es da sehr viel um den Bereich psychische und psychosoziale Gesundheit, aber auch etwa um Rassismuserfahrungen.
Ihr Ziel ist es, ein Diversitätskonzept zu erarbeiten. Wie kommen Sie damit voran?
Leinen-Peters: Wir haben zu zwei Strategieseminaren eingeladen, um mit den Vertreter:innen der verschiedenen Statusgruppen ins Gespräch zu kommen und Handlungsfelder zu identifizieren. Für mich selbst war zum Beispiel auch der Vortrag einer Kollegin hilfreich, die von einer anderen Hochschule zu uns gekommen ist und lange Erfahrungen mit einer Stabsstelle für Diversität mitbringt. In dieser Runde haben wir Handlungsfelder definiert, zum Beispiel Service, Verwaltung, Lehre und Studium. Auf die gehen wir bei den folgenden Veranstaltungen näher ein. Konkret sind darin die Themen Antirassismus, diskriminierungsfreie Lehre, Inklusion und Klassismus enthalten. Und am Schluss werden wir einen Aktionstag anbieten, an dem wir alles zusammenführen.
Fries: Der größte Sprung für uns wird sein, dass wir das Thema hierarchisch höher aufhängen. Bislang lastet alles auf den Schultern der Beauftragten. Jetzt soll das Thema Vielfalt auch zur Sache des Rektorats, der Dekan:innen und der Studiendekan:innen werden. Und auf dem Weg zu diesem Ziel kommen wir gut voran.
Das Interview führte Kilian Kirchgeßner.