Mit einem Awareness-Monat richtet die Universität Potsdam ihren Fokus auf ein weithin unterschätztes Thema: Beleuchtet wird der Zusammenhang zwischen Diskriminierung und psychischer Gesundheit.
Ein Kino gehört zu den Veranstaltungsorten und auch eine Buchhandlung: Bewusst haben die Verantwortlichen von der Universität Potsdam einige der Aktionen mitten in der Stadt geplant. „Wir möchten auch über die Universität hinaus die Aufmerksamkeit auf unser Thema lenken“, sagt Sonja Langela, die Community-Managerin für Diversity und Gleichstellung. Vier Wochen lang wird es ab Ende Januar um die Themen Chancengleichheit und mentale Gesundheit gehen – einen ganzen „Awareness-Monat“ haben die Veranstalter:innen dazu ausgerufen.
„MentalUP“ ist das Projekt benannt, das im Rahmen der HRK-Initiative „Vielfalt an deutschen Hochschulen“ stattfindet – das „UP“ im Titel steht zugleich als Kürzel für die Universität Potsdam. Bereits der hochschulweite Gesundheitstag, den das studentische und betriebliche Gesundheitsmanagement im Mai 2023 durchführten, hatte mentale Gesundheit als Schwerpunktthema. Und in einem Pilotprojekt konnten die Beschäftigten der UP ein Jahr lang (bis Mai 2023) telefonisch die psychologische Beratung eines externen Anbieters in Anspruch nehmen. Die 2023 vom Senat verabschiedete Diversitätsstrategie der UP sieht als einen wichtigen Leitsatz die Sensibilisierung und Professionalisierung der Hochschulangehörigen zum Thema Diversität durch den Aufbau von Diversitätskompetenz vor.
Die mentale Gesundheit bekomme bislang nicht viel Aufmerksamkeit, sagt Sonja Langela: „Psychische Erkrankungen sind immer noch ein Tabuthema.“ Tatsächlich gibt es nur wenige Untersuchungen darüber, wie viele Studierende, aber auch Mitarbeitende an wissenschaftlichen Einrichtungen betroffen sind. Studien legen allerdings nahe, dass psychische Erkrankungen in der Arbeitswelt zunehmen – dass dieser Befund sich auch auf Hochschulen übertragen lässt, liegt für die Veranstalter:innen in Potsdam nahe. Mit ihrem Awareness-Monat wollen sie deshalb jetzt für dieses Thema sensibilisieren.
Den Monat haben sie dafür in einzelne Themenwochen untergliedert. Nach einer Einführungswoche geht es um die Themenbereiche „Wenn die Gesellschaft krank macht – Klasse und Psyche im Fokus“, „Rassismus und Gesundheit – (k)ein Thema an der Hochschule?!“ sowie „Barrierefreiheit – Studieren und Arbeiten mit Behinderung, chronischer oder psychischer Erkrankung“. Die Veranstaltungen sind bewusst sehr breit angelegt: Neben der Lesung in der Potsdamer Buchhandlung und der Filmvorführung im Kino wird es ebenso Workshops, Vorträge, Gesprächsrunden und ein Inklusionscafé geben. Auch ein Schrei-Workshop für Studierende mit Klassismus-Erfahrung steht auf dem Programm; er soll dem Empowerment von Betroffenen dienen.
Verbunden sind alle diese Veranstaltungen, die vom Koordinationsbüro für Chancengleichheit zusammen mit dem studentischen und betrieblichen Gesundheitsmanagement sowie dem Inklusionsteam an der Universität entwickelt worden sind, durch das gemeinsame Oberthema. „Der Schnittpunkt zwischen Diskriminierung und mentaler Gesundheit ist unheimlich relevant“, sagt Sonja Langela. Die Kausalität wirke bei diesen Themen in beide Richtungen: Diskriminierungserfahrungen haben Einfluss auf die psychische Gesundheit – und wer psychische Probleme hat, wird bisweilen genau dadurch wiederum zum Betroffenen von Diskriminierung. Bereits jetzt gibt es Beratungsangebote an der Potsdamer Universität – neben der psychologischen Beratung für Studierende gibt es auch die Telefonberatung „NightLine“, bei der Studierende anderen Studierenden mit Sorgen zur Seite stehen.
„Belastungen durch Diskriminierungserfahrungen können sich sowohl psychisch als auch körperlich äußern. Betroffene Personen erleben unter anderem Stress, Wut, Angst, Hilflosigkeit oder innere Angespanntheit. Der durch Diskriminierung erlebte Stress kann die Entstehung von Depressionen, Angst- oder Schlafstörungen begünstigen“, sagt Dr. Nina Khan, Referentin für Chancengleichheit und Diversity an der Universität Potsdam: „Wiederholt im Alltag erlebte Diskriminierung, zum Beispiel in Form von rassistischen Mikroaggressionen, kann Betroffene traumatisieren und schwerwiegende Folgen für die mentale Gesundheit haben. Internationale Forschungen haben den Zusammenhang von Rassismus und Trauma aufgezeigt.“ Das langfristige Ziel ist es, die Hochschulkultur inklusiver und diversitätssensibler zu gestalten. Dazu wird nach dem Awareness-Monat eine ausführliche Evaluation stattfinden, um Impulse für die Zukunft daraus mitzunehmen.
Zum Abschluss der vier Awareness-Wochen wird der traditionsreiche Inklusionspreis der Universität verliehen. Auch dadurch wird noch einmal betont, wie eng die Felder Inklusion und psychische Gesundheit miteinander verknüpft sind.
Text von Kilian Kirchgeßner