An der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie in Hamburg sind die Studierenden in einer Doppelrolle: Sie profitieren im Studium von den Maßnahmen zur Vielfalt – und werden in ihrem späteren Beruf selbst zu Multiplikator:innen.
Vielversprechend war schon gleich der Auftakt des Projekts: Zu einem Strategieworkshop hatte die Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie in Hamburg geladen, es sollte um neue Maßnahmen gehen, mit denen sich Diversität fördern lässt. „Alle Statusgruppen waren dabei, also Studierende, Mitarbeitende und Lehrende“, berichten Professor Siegfried Saerberg und Professorin Jutta Wedemann, die den Workshop veranstaltet haben: „Und vor allem waren rund zehn Prozent aller Studierenden in Präsenz oder online mit dabei!“
Das Thema Vielfalt, so zeigt allein diese Teilnehmenden-Quote, ist wichtig an der Hochschule. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Studierenden schon wegen der angebotenen Studienmodelle denkbar divers sind: Soziale Arbeit ist zwar der einzige Studiengang an der Hochschule, aber er lässt sich sowohl in Vollzeit studieren als auch berufsintegrierend und berufsbegleitend. Diese Vielfalt wird den Bedürfnissen von Studierenden mit ganz verschiedenen Hintergründen gerecht. „Unsere Hochschule ist zudem für ihre familiäre Atmosphäre und ihr partizipatives Selbstverständnis bekannt; Studierende finden hier eine große Zugewandtheit und starke Unterstützung“, sagt Siegfried Saerberg. Er ist Gleichstellungsbeauftragter der Hochschule und zugleich Professor für Disability Studies. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit vielen Aspekten, die in das Projekt im Rahmen der HRK-Initiative „Vielfalt an deutschen Hochschulen“ integriert werden können. Die Barrierefreiheit ist eines seiner Herzensanliegen – und eines der Ziele, das jetzt in einem Aktionsplan festgeschrieben und umgesetzt werden soll.
„Dabei geht es beispielsweise um Neurodiversität und um die Frage, wie Hochschulen etwa Studierenden mit Autismus entgegenkommen können, etwa durch eine vielfältige Art zu lernen und Leistungen zu erbringen.“
Ein weiteres Ziel: Die Hamburger:innen wollen für ihre Hochschule ein eigenes Schutzkonzept entwickeln. „Wenn es zum Beispiel um Gewaltprävention an Schulen geht, sind Schutzkonzepte inzwischen weit verbreitet“, sagt Jutta Wedemann, die im Rahmen ihrer Professur für Soziale Arbeit auch zu solchen Konzepten forscht. Vor allem seit den vielen Missbrauchsskandalen, die um das Jahr 2010 herum bekannt geworden sind, setzen viele Einrichtungen für Kinder und Jugendliche auf solche Konzepte. Diese sind inhaltlich vielschichtig: Um Ansprechpersonen geht es, wenn Probleme oder Verdachtsfälle auftauchen, aber auch um eine tiefergehende Analyse der Situation. Jutta Wedemann: „Sind beispielsweise Rückzugsorte nötig, damit sich die Menschen sicher fühlen? Gibt es Räume oder Flure, die als potenzielles Risiko wahrgenommen werden und umgestaltet werden sollten?“
An der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit & Diakonie selbst gibt es noch kein solches Konzept, das die Studierenden schützt. Das soll sich jetzt ändern. Die Studierenden sind dabei in einer Doppelrolle: Einerseits lernen sie viel über solche Gewaltschutzkonzepte und können wertvolle Praxiserfahrung in der Konzeption von und dem Umgang mit diesen Konzepten sammeln. Andererseits können Sie das erlernte Wissen direkt bei ihrer späteren Beschäftigung im Bereich der Sozialen Arbeit anwenden, in der Schutzkonzepte fast immer eine Rolle spielen und für deren Umsetzung sie oftmals mitverantwortlich sein werden.
Ein ähnlicher Gedanke steht hinter drei hochkarätigen Vorträgen, die in Hamburg geplant sind: Zu den Themen Neurodiversität an Hochschulen, zu diskriminierender Sprache sowie zu Klassismus im Studium wird es je eine Ringvorlesung mit namhaften Expert:innen geben. „Unsere Studierenden können daraus für ihr eigenes Studium viel mitnehmen“, sind Siegfried Saerberg und Jutta Wedemann überzeugt: „Und zugleich sind sie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die auch in ihrem späteren Arbeitsleben auf die Inhalte zurückgreifen können.“
Text von Kilian Kirchgeßner