Lessons Learned und Beispiele guter Praxis

Im Rahmen von vier virtuellen Bilanz-Workshops mit den geförderten Projekten entstand eine Sammlung von Lessons Learned und Beispielen guter Praxis aus der Diversitätsarbeit an Hochschulen. Aufgeteilt in die vier Themenbereiche Kommunikation, Vernetzung, nachhaltige Verankerung und Monitoring finden Sie die Ergebnisse im Folgenden.

Kommunikation

Interne Kommunikation: Allgemein
  • Mögliche Formate einer internen Vernetzung können sein:
    • Regelmäßiger Austausch mit relevanten Akteur:innen über hochschulinterne Plattform
    • Gründung von intersektionalen Kompetenzteams oder AGs
    • Gründung einer hochschulinternen Kommission (unter Beteiligung aller Statusgruppen)
    • Organisation gemeinsamer, bereichsübergreifender Veranstaltungen (z. B. World Café, Online-Workshops zur Sensibilisierung, Einbettung von Kurzworkshops oder Impulsen zu Diversität und Unconscious Bias in anderen Hochschulveranstaltungen, Argumentationstrainings gegen „Stammtischparolen“)
  • Entscheidend sind Transparenz & Kommunikation über alle Statusgruppen hinweg. Ein hochschulweiter Code of Conduct kann einen guten Rahmen für die Kommunikation darstellen.
  • Eine Kampagne (inkl. Logo) sorgt für einen Wiedererkennungswert in der hochschulinternen Kommunikation.
  • Ein hochschulinterner Blog kann das Thema sichtbar machen.
  • Die Hochschulgremien spielen für die interner Vernetzung eine zentrale Rolle. Es ist wichtig, in Gremien (z. B. Personalversammlung) Präsenz zu zeigen und sich aktiv an der Gremienarbeit zu beteiligen.
  • Ein wichtige Gelingensbedingung für die hochschulinterne Kommunikation ist die (sichtbare) Unterstützung der Hochschulleitung. 
  • Eine hochschulweite Diversitätsstrategie kann einen wichtigen Ankerpunkt für die interne Kommunikation darstellen.
  • Die persönliche Ansprache ist eine zentraler Erfolgsfaktor für die hochschulinterne Vernetzung. Dabei sollte man breit denken und offen für neue Allianzen sein. Teilweise zeigen sich unerwartete Bedarfe  oder Interessen (Bsp. Hochschulbibliothek). 
  • Wichtige Partner können Betriebliches bzw. Studentisches Gesundheitsmanagement und Inklusionsbeauftragte sowie der Familienservice sein; ein gemeinsamer Nenner ist das Thema Gesundheit. 
  • Es lohnt sich, auch und gerade auf „Bedenkenträger:innen“ proaktiv zuzugehen.
Zielgruppe Studierende
  • Hierarchiefreie Partizipationsmöglichkeiten und Peer to Peer-Kommunikation sind bei der Zielgruppe der Studierenden essenziell. 
  • Die Bedarfe der Studierenden sollten gezielt ermittelt werden und sie sollten dort „abgeholt“ werden, wo sie sind, d. h. auf Instagram oder auch Ansprache in der Mensa. Auch die (Bild)sprache und die Formate sollten zielgruppengerecht sein; eine Varianz in den Formaten ist hilfreich (z. B. Social Media, Filme, E-Mails). 
  • Eine Zusammenarbeit mit den Studierendenvertretungen (AStA/StuPa/Fachschaften) hat sich als sehr hilfreich erwiesen. Eine Teilnahme an den entsprechenden Gremien kann helfen, die Themen sichtbar zu machen und Vertrauen aufzubauen. 
  • Auch gemeinsame Veranstaltungen mit Studierenden bzw. den Studierendenvertretungen sind denkbar (partizipativer Ansatz). 
  • Es ist essenziell, Vertrauen aufzubauen. Dafür muss man dauerhaft kommunizieren und regelmäßige Treffen mit den Ansprechpersonen organisieren. 
Zielgruppe Lehrende und Forschende
  • Es kommt entscheidend darauf an, die Relevanz von Vielfalt für die Wissenschaft zu verdeutlichen. Ebenso sollte deutlich gemacht werden, wie Vielfaltsaspekte gut in die Lehre eingebunden werden können.
  • Die persönliche Ansprache ist entscheidend. Gerade bei dieser Zielgruppe spielt ferner auch die (sichtbare) Unterstützung der Hochschulleitung eine wichtige Rolle.
  • Eine Bandbreite an Austauschformaten ist denkbar (z. B. Sensibilisierungsworkshops). Gerade für diese Zielgruppe sollten die Formate kurz gehalten werden. Bei den Austauschformaten sollte eine institutionelle Fehlerkultur gefördert werden, eine persönliche Diskreditierung sollte vermieden werden, damit alle Interessierten sich konstruktiv beteiligen können.
Zielgruppe Hochschulverwaltung
  • Die Bedeutung von Vielfalt für eine leistungsfähige Verwaltung sollte sichtbar gemacht werden. Ferner sollten die gesetzlichen Grundlage (z. B. AGG) vermittelt werden. 
  • Der Kanzler oder die Kanzlerin haben eine wichtige Rolle für die Vermittlung in die Verwaltung hinein. Hier sollte eine möglichst enge Verbindung aufgebaut werden. Auch die Abteilungsleitungen sollten ins Boot geholt werden.
  • Es ist lohnend, die entscheidenden Ansprechpersonen gut zu recherchieren und auf eine gezielte persönliche Ansprache zu setzen. In der Regel wird dies sehr positiv aufgenommen, da „die Verwaltung“ sich häufig übergangen fühlt.
  • Zuständigkeiten für verschiedene Unterthemen sollten innerhalb der Verwaltung klar definiert werden. Darauf aufbauend können gezielte Beratungsangebote gemacht werden.
  • Bei Schulungen hat sich eine Mischung aus vorgegebenen und selbstbestimmten Inhalten als sehr erfolgreich erwiesen (partizipativer Ansatz). Es sollte immer auch Raum zum Artikulieren von Unsicherheiten geschaffen werden. 
  • Es ist hilfreich, wenn Schulungen und Beratungen innerhalb der Arbeitszeit durchgeführt werden können, damit keine zusätzliche Mehrarbeit entsteht.
  • Es kann hilfreich sein, Informationsmaterialien speziell für die Verwaltung im Rahmen von „user testings“ zu optimieren, ehe sie in der Breite der Verwaltung eingesetzt werden. 
Externe Kommunikation
  • Grundlage einer gelungenen externen Kommunikation ist die hochschulweite Klärung und Definition von Schlüsselbegriffen (z. B. „Diversität"). Nur so kann nach außen einheitlich und somit effektiv kommuniziert werden.
  • Bei der Adressierung verschiedener Zielgruppen (z. B. mit Blick auf verschiedene Diversitätsdimensionen) sollte die Ansprache zielgruppenorientiert erfolgen und die (Bild)Sprache an das jeweilige Zielpublikum angepasst werden.
  • Insgesamt kommt es entscheidend auf die Verwendung einer inklusiven und diversitätssensiblen (Bild)sprache an. Gleichwohl sollten “tokenism” und “Diversity Washing” vermieden werden (“walk the talk & talk the walk”).
  • Für eine gelungene externe Kommunikation müssen ausreichende Ressourcen vorgehalten werden (z. B. Ressourcen für die notwendige Professionalisierung).
  • Die externe Kommunikation sollte je nach Tragweite mit zentralen Stellen und insbesondere der Pressestelle / Kommunikation abgestimmt sein. 
  • Als Disseminationskanäle können u. a. auch Linked.In oder ein Blog hilfreich sein.
  • Eine Kooperationen mit relevanten Vereinen und Studierendeninitiativen kann sehr hilfreich sein; ggf. muss hier an Gegenleistung/ Vergütung gedacht werden. 
  • Engagierte Fürsprecher:innen mit einem Talent zur Wissenschaftskommunikation und persönlicher Sichtbarkeit können der Sache dienlich sein, ihre Einbindung sollte aber nicht zu Lasten der inhaltlichen Einschlägigkeit erfolgen.
  • Bei international ausgerichteter externer Kommunikation sollte nicht allein Englisch als Referenzsprache für Übersetzungen dienen; Mehrsprachigkeit sollte angestrebt werden. 

Vernetzung

Lokale und regionale Vernetzung
  • Eine proaktive Kontaktaufnahme bietet sich z. B. bei thematischen Gemeinsamkeiten an; ein Austausch von aktuellen Informationen, Veranstaltungshinweisen und Dokumenten kann ein guter erster Schritt zur Anbahnung sein.
  • Konkrete Themen für den Austausch und konkrete Ziele der Vernetzung sollten vorab definiert werden.
  • Bestehende Kontakte sollten gezielt genutzt und erweitert werden, dabei sollte ein Netzwerk gleichwohl nicht zu schnell wachsen und auch nicht zu groß werden.
  • Innerhalb eines Netzwerks sollten von Beginn an Regeln bzgl. Zugang und Aufnahme neuer Mitglieder festgelegt werden.
  • Eine Vertrauensbasis ist die Voraussetzung für nachhaltige Netzwerkarbeit: Es kommt entscheidend auf die Vertraulichkeit des Austauschs und die persönliche Begegnung an.
  • Eine Vernetzung mit Hochschulen, die sich in unterschiedlichen Phasen im Prozess befinden, kann besonders gewinnbringend sein. 
  • Es bietet sich an, auch Zuständige in der Stadt oder Kommune mit in lokale Netzwerke einzubeziehen.
Deutschlandweite Vernetzung
  • Bestehende Kontakte sollten gezielt genutzt und erweitert werden, z. B. über die bukof oder das bundesweite Diversitätsnetzwerk.
  • Eine proaktive Ansprache bestehender Netzwerke und die Bitte um Aufnahme können lohnenswert sein. Auch LinkedIn kann hilfreich sein, z. B. über „Anfragen“; das eigene Profil sollte daher immer aktuell sein.
  • Es lohnt sich, ab und an in Dienstreisen zu „investieren“, um persönliche Kontakte zu knüpfen. Durch eine Teilnahme an Präsenzveranstaltungen (z. B. Fachtagungen und Konferenzen) entstehen i. d. R. viele Kontakte.
Europäische und globale Vernetzung
  • Für eine europaweite Vernetzung können die Austauschmöglichkeiten im Rahmen von Erasmus+ sehr hilfreich sein.
  • Es hat sich als ertragreich erwiesen, erprobte intersektionale Projekte in einen internationalen Kontext stellen, z. B. mithilfe eines DAAD-Fördermittelprojekts. Europäische / internationale Partnerhochschulen können dabei gezielt angesprochen und einbezogen werden. 
  • Cross-border-allyship kann sehr fruchtbar und inspirierend sein, um neue Ideen und Motivation zu bekommen. Gleichwohl sind Sprachkompetenzen und eine gute Vorab-Klärung der Ziele und Grundlagen (z. B. Begrifflichkeiten) Voraussetzungen für eine gelungene europäische bzw. internationale Vernetzung. 

Nachhaltige Verankerung

Datengrundlage

Als Handlungsgrundlage und für eine nachhaltige Verankerung von Diversitätsmaßnahmen ist es essenziell, eine gute Datengrundlage zu schaffen (regelmäßiges Diversity Monitoring). Auf diesem Wege lassen sich die realen Bedarfe ermitteln (Was wird benötigt, um Diversität zu „beleben“?) und die implementierten Maßnahmen mit Daten und Fakten argumentativ untermauern.

Partizipativer Ansatz

Auch ein partizipativer Ansatz trägt zur nachhaltigen Verankerung innerhalb der Hochschule bei:

  • Vielfalt als Querschnittsthema behandeln
  • Vernetzung mit Hochschulakteur:innen, die sich für Vielfalt einsetzen
  • alle Stakeholder berücksichtigen, informieren, einbinden und vernetzen.

Dabei sollten auch Verwaltungsbereiche einbezogen werden, die auf den ersten Blick keinen unmittelbaren Bezug zu Diversität haben, z. B. Studium generale, Öffentlichkeitsarbeit o.ä.).

Verbindlichkeit

Innerhalb der Hochschule sollte Verbindlichkeit erzeugt werden, z. B. durch 

  • die Einbindung des Rektorats und der Hochschulgremien,
  • die Etablierung eines Prorektorates oder einer Vizepräsidentschaft mit Diversity-Denomination,
  • die offizielle Positionierung der Hochschule durch die Verabschiedung eines institutionellen Diversity Statements, das ein einheitliches Diversitätsverständnis erzeugt, oder einer institutionellen Diversitätsstrategie,
  • die Verschriftlichung von Maßnahmen, Ergebnissen und geplanten Schritten,
  • die Etablierung des Amtes eines oder einer Diversitätsbeauftragten, der oder die mit Rechten versehen ist (vergleichbar mit einem oder einer Beauftragten für Studierende mit Behinderung),
  • die Etablierung einer unabhängige Antidiskriminierungsstelle. 

Bei der Positionierung entsprechender Stellen innerhalb der Verwaltungsstruktur sind die jeweiligen Vor- und Nachteile mit Blick auf die priorisierten Ziele und Zielgruppen abzuwägen. So ist z. B. eine Stabsstelle Diversität nah an der Hochschulleitung angesiedelt, hat jedoch eine relativ große Distanz zu den Studierenden.

Interne Sichtbarkeit

Auch eine interne Sichtbarkeit durch zielgruppengerechte Kommunikation trägt zur nachhaltigen Verankerung von Diversitätsmaßnahmen bei. Strukturen und Angebote sollten gut sichtbar platziert sein, z. B. auf einer zentralen Webseite, und sollten regelmäßig zielgruppenorientiert beworben werden. Regelmäßige Veranstaltungen zum Thema Diversität z. B. am deutschen Diversity Day, oder Hinweise auf bestehende Angebote bei zentralen Veranstaltungen (z. B. Erstsemesterbegrüßung, Studieninfotag) sind hilfreich. Idealerweise sollten Ziele und Maßnahmen professionell aufbereitet werden. Das Framing „Sicherstellung von Chancengerechtigkeit“ hat sich dabei bewährt. Ferner ist es sinnvoll, im Sinne einer niedrigschwelligen Kommunikation an Bestehendes anzudocken.

Dem Gegenstromprinzip folgend sollten sowohl Engagement und Strukturen in der Dezentrale bzw. Fakultäten gefördert werden (bottom-up) als auch in der Zentrale bzw. Leitung (top-down). Eine ausgewogene Balance zwischen top-down und bottom-up ist entscheidend.

Finanzielle Unterstützung

Anreize, z. B. durch Vergütung und ggf. Lehrreduktion, können Engagement anregen. Allgemein sollten finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten für die langfristige Umsetzung und Verstetigung von Maßnahmen ausgebaut werden.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Mit Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen wäre es zielführend, Diskriminierungsschutz in den verschiedenen Landeshochschulgesetzen sowie dem Hochschulrahmengesetz zu verankern, um Rechtssicherheit zu schaffen. Aktuell zeigt sich eine deutliche Diskrepanz zwischen den Diversitätsdimensionen, die rechtlich verankert sind (wie z. B. Geschlechtergerechtigkeit und Behinderung), und jenen, die dies bislang nicht sind. 

Monitoring

Institutioneller Rahmen
  • Bedeutung des Monitoring hervorheben: Herstellung von Transparenz ist wichtig.
  • Einen institutionellen Rahmen setzen und Anlässe schaffen: So war z. B. der HRK-Projektrahmen hilfreich, um interne Prozesse anzustoßen; er ermöglichte die Etablierung eines konstruktiven Austauschs mit Fachabteilungen (u. a. Statistik, Qualitätsmanagement).
  • Einbettung in Gesamtstrategie: Das Monitoring kann Leerstellen an der Hochschule aufzeigen und diese Bedarfe können in die Gesamtstrategie einfließen.
  • Commitment der Hochschulleitung essenziell: Die Hochschulleitung sollte frühzeitig einbezogen werden, z. B. ein gemeinsamer Kick-Off oder Expert:innenworkshop können Ownership und Sichtbarkeit innerhalb der Hochschule erzeugen.
  • Einbindung und Abstimmung innerhalb der Hochschule wichtig: Ein frühes Einbeziehen des/der Datenschutzbeauftragten, des Qualitätsmanagement, des Controlling ist wichtig für den Erfolg. Den Austausch mit internen und externen Expert:innen sollte man suchen und pflegen. Für eine strukturierte hochschulinterne Abstimmung kann ein Steering Committee hilfreich sein.
Ressourcen und Methoden

Ressourcielle und methodische Fragen sollten frühzeitig geklärt werden:

  • Stehen ausreichende Ressourcen und ausreichend Expertise bereit?
  • Welche Diversitäts-Dimensionen sollen abgedeckt werden? Wollen /müssen Schwerpunkte gesetzt werden?
  • Welche Daten können überhaupt erhoben werden? Die Erhebung welcher Daten ist sinnvoll? Gibt es gesetzliche Vorgaben? Was ist das (institutionelle) Erkenntnisinteresse?
  • Der „state of the art" entwickelt sich weiter; Fragen betreffen zunehmend Erfahrungen und weniger die Identität.
  • Müssen es immer Datenerhebungen der eigenen Hochschule sein oder ist ggf. die Teilnahme an größeren Befragungen sinnvoll?
  • Was passiert mit den Ergebnissen einer Erhebung? Welche Konsequenzen haben gute Ergebnisse, welche kritische Ergebnisse?
  • Können Nachfolgeerhebungen stattfinden (mit dem Ziel der Vergleichbarkeit)?
Politische Dimension

Die politische Dimension des Monitoring muss ausreichend bedacht werden: 

  • Ist es überhaupt sinnvoll, bestimmte Daten zu erheben und damit gleichzeitig offenzulegen?
  • Wer hat Zugang zu den Daten bzw. zu den Ergebnissen (need-to-know-Prinzip)?
  • Die Einbettung bzw. Interpretation der Ergebnisse ist essenziell.