Gleichstellung

Im deutschen Wissenschaftssystem sind Frauen auf den höheren Qualifikationsebenen sowie in Leitungsfunktionen unterproportional vertreten. Zwar stellen Frauen die Hälfte der Studienanfänger:innen, Studierenden und Hochschulabsolvent:innen, doch an den Schnittstellen Hochschulabschluss/Promotion und Promotion/Habilitation scheiden überproportional viele Frauen aus der Wissenschaft aus. Ihr Anteil an den Professuren beträgt rund 26 %, bei 25 % liegt ihr Anteil an den Hochschulleitungen. 

Die Ursachen für das Ausscheiden von Frauen auf dem Weg zu höheren Qualifikationen sind eingehend erforscht. Sie bestehen u. a. darin, dass das deutsche Wissenschaftssystem stark auf individuelle Förderbeziehungen ausgerichtet ist und Frauen dabei seltener zur Weiterqualifikation aufgefordert werden als männliche Absolventen. Außerdem bestehen Defizite bei der Definition von Qualifikationsanforderungen und es fehlt an klaren Regeln bei der Vergabe von Qualifikationsstellen, was oft zu einer Übervorteilung von qualifizierten Frauen führt. Die geringere Beteiligung von Frauen hängt auch mit der zeitlichen Parallelität von wissenschaftlicher Qualifikation und Familiengründung unter den besonderen Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zusammen.

Die Hochschulrektorenkonferenz hat auf der Grundlage dieser Analyse im Jahre 2006 eine Empfehlung "Frauen fördern" verabschiedet, die umfangreiche Maßnahmen zu einer verbesserten Beteiligung von Frauen auf den höheren Ebenen des Wissenschaftssystems enthält. Die Empfehlung richtet sich zum einen an die Hochschulen, aber auch an Bund und Länder, die für geeignete Rahmenbedingungen sorgen sollen, sowie an die Forschungsorganisationen.

Im Jahr 2011 hat die HRK die Empfehlung aus dem Jahr 2006 evaluiert. Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass sich in den letzten Jahren Einiges an den Hochschulen bewegt hat: Viele Hochschulen haben über Einzelmaßnahmen hinausgehende Konzepte für die Förderung und Gewinnung von Frauen entwickelt. Organisations- und Fächerkulturen erschweren aber nach wie vor die gleichberechtigte Beteiligung von Frauen im Wissenschaftsbereich. Die genaue Aufschlüsselung von Fördermaßnahmen, die in jüngerer Zeit ergriffen wurden, zeigt, dass Frauen auch heute noch Benachteiligungen im Vergleich zu ihren männlichen Konkurrenten erfahren, z. B. was Eingruppierungsfragen und Befristungsdauern angeht.

Gemeinsam mit der Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten hat die HRK den Arbeitskreis Gleichstellung und Geschlechterforschung ins Leben gerufen, der in regelmäßigen Treffen die Entwicklung in Hochschulen und Wissenschaftspolitik erörtert und neue Ergebnisse aus der Geschlechterforschung diskutiert. Mit diesem regelmäßigen Austausch soll der Kenntnisstand aller Beteiligten verbessert und Maßnahmen für eine verbesserte Gleichstellungspolitik koordiniert werden.

Im Oktober 2015 hat die HRK mit finanzieller Unterstützung des BMBF in Göttingen  eine Tagung „Gendergerechte Führungskultur an Hochschulen“ (Ergebnisbroschüre) durchgeführt. Hierbei ging es zentral um die Frage, welchen Beitrag Hochschulleitungen, vor allem auch Frauen in Führungsverantwortung an Hochschulen, leisten können, um die Position von Frauen in der Wissenschaft und im Wissenschaftssystem zu stärken. Als wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Politik der Chancengleichheit wurde die systematische Vorbereitung auf Leitungsfunktionen und eine weitere Professionalisierung der Hochschulleitungen genannt. Künftigen Führungskräften, Männern wie Frauen, muss vermittelt werden, wie wichtig Gleichstellung, personelle Diversität und Personalentwicklung für den Erfolg der einzelnen Einrichtung sind. Auf der Tagung wurde eine Vernetzung der weiblichen Hochschulleitungen vereinbart. Diese treffen sich nun regelmäßig und tauschen sich über notwendige Schritte für die Veränderung der Führungskultur aus. Darüber hinaus wurde die Zusammenarbeit mit „Führungsfrauen“ aus der außerhochschulischen Forschung intensiviert und der Kontakt zu Frauen, die in Spitzenpositionen der Wirtschaft sind, gesucht.

2018 formulierte die HRK eine Empfehlung „Gegen sexualisierte Diskriminierung und sexuelle Belästigung an Hochschulen“. Die HRK hebt darin hervor, dass die Hochschulen sich ausdrücklich gegen sexuelle Belästigung und sexuellen Missbrauch insbesondere durch sexualisierte diskriminierende und degradierende Handlungen und Verhaltensweisen positionieren. Die Hochschulen müssten ihre Strukturen so ausgestalten, dass die Gefahr von Machtmissbrauch durch hierarchische Strukturen minimiert werde. 

Im Jahr 2019 verabschiedete die HRK eine "Entschließung Frauen in Leitungspositionen in der Wissenschaft". Nach Ansicht der HRK bedarf es bei aller Würdigung der bisherigen gleichstellungsbezogenen Maßnahmen zusätzlicher Anstrengungen, die Beteiligung von Frauen an Leitungspositionen und damit ihre Sichtbarkeit deutlich zu erhöhen und den notwendigen Organisations- und Kulturwandel zu beschleunigen.

Im Jahr 2022 verabschiedete die HRK die Entschließung „Zur Situation von Frauen auf Karrierewegen an deutschen Hochschulen“ in der sie ihrer Sorge Ausdruck verleiht, dass die Fortschritte bei der angemessenen Berücksichtigung von Frauen auf den akademischen Karrierestufen trotz zahlreicher Fördermaßnahmen und Initiativen immer noch zu gering ausfallen. Gleichstellung bleibt aus Sicht der HRK eine dringliche Aufgabe auf der Hochschulagenda. Nach Ansicht der HRK ist ein umfassenden Kulturwandel angezeigt, der durch einen strukturellen Wandel unterstützt werden muss.

Im Mai 2024 verabschiedete die HRK-Mitgliederversammlung den Beschluss „Auf dem Weg zu mehr Geschlechtergerechtigkeit bei Berufungen – Selbstverpflichtung der deutschen Hochschulen“.  Damit setzen sich die in der HRK zusammengeschlossenen Hochschulen dafür ein, strukturelle Geschlechterungleichheiten weiter abzubauen und eine angemessene Repräsentation der Geschlechter auf Professuren an den Hochschulen zu erzielen. Der Beschluss benennt konkrete Ziele und Handlungsfelder sowie Maßnahmen, die zur Verwirklichung eines institutionellen Kultur- und Strukturwandels zu mehr Geschlechtergerechtigkeit an Hochschulen beitragen können und den Charakter einer Selbstverpflichtung haben.