Die TU Bergakademie Freiberg lud Schüler aus dem ganzen Bundesgebiet dazu ein, in die Wissenschaft einzutauchen. „Forschungsreise“ nannten sie das Programm, bei dem besonders die Kleinen Fächer im Mittelpunkt standen.
Die Resonanz war bemerkenswert: 42 Schulklassen bewarben sich in Freiberg, als die Wissenschaftler dort ganze Klassen zu einer Forschungsreise einluden – „15 von ihnen haben wir dann ausgewählt, sie kamen aus dem ganzen Bundesgebiet, zum Beispiel aus Baden-Württemberg und Hamburg“, sagt Jörg Benndorf, Professor für Geomonitoring und Markscheidewesen. Sechs Tage lang konnten die Oberstufenschüler, die meistens einen Physik-, Mathematik- oder Geographie-Leistungskurs belegen, in die Geheimnisse der Natur- und Ingenieurwissenschaften eintauchen. Zwei Ziele verfolgten die Veranstalter von der TU Bergakademie Freiberg damit: Zum einen wollten sie den sächsischen Studienort vorstellen – und zum anderen gezielt für Kleine Fächer werben, die so selten sind, dass die meisten Schülerinnen und Schüler sie ohne diesen Anstoß vermutlich nicht als denkbares Studienfach in Betracht ziehen würden.
Die Schulklassen durchliefen ein gemeinsames Akademie-Programm, in dem sie Hintergründe zu Freiberg und zur Universität kennenlernten – und wurden dann, je nach selbstgewähltem Schwerpunkt, einem der Kleinen Fächer zugeordnet, in das sie besonders tief eintauchen konnten. Und deren Vertreter bereiteten ein detailliertes Programm vor, das Lust machen sollte auf ihre Disziplin.
Eines davon ist auch das Markscheidewesen, in dem Jörg Benndorf den Ablauf verantwortete. „In unserer Disziplin geht es darum, Hohlräume unter Tage wie Tunnel oder Bergbauschächte zu vermessen und sie in einen räumlichen Bezug zur Welt über Tage zu setzen“, erläutert Benndorf. Um diese Inhalte möglichst lebensnah zu vermitteln, führte er die Schülergruppe gemeinsam mit seinem Team zunächst theoretisch in die Koordinatensysteme ein, die mit ihren Längen- und Breitengraden auch unter der Erde die Grundlage für die Messungen bilden. Und anschließend fuhren sie gemeinsam ins Lehrbergwerk der TU Freiberg ein – „für viele der Schülerinnen und Schüler war das der erste Aufenthalt in einem Bergwerk überhaupt, allein das schon war für sie begeisternd“, sagt Jörg Benndorf. Dort unten haben sie den Stollen eines stillgelegten Erzbergwerks vermessen. „Einmal hatten sie dafür die Methoden zur Verfügung, mit denen Alexander von Humboldt bei seinem Aufenthalt in Freiberg vor fast 250 Jahren gearbeitet hatte, also einen Gradbogen und einen Hängekomposs“, erzählt Benndorf, „danach haben sie die Messungen noch einmal mit einem hochmodernen, handgeführten 3D-Laserscanner durchgeführt und anschließend die Ergebnisse verglichen.“
Der zweite Teil des Programms stand ebenfalls im Zeichen von Messungen – und von historischen Erkundungen: Ein Geocaching-Programm haben die Experten aus dem Markscheidewesen gemeinsam mit dem Institut für Technikgeschichte erarbeitet, in dem die Schülerinnen und Schüler auf den Spuren Humboldts durch Freiberg unterwegs waren: Wo hatte er gewohnt? Wo steht das Denkmal des Mineralogen Abraham Gottlob Werner, der den jungen Humboldt damals im Markscheidewesen unterrichtete? Wo erstrecken sich die Alten Halden, wie sieht das Grubenfeld im Untergrund von Freiberg aus? Mit modernen Hilfsmitteln mussten die Schüler in kleinen Gruppen diese Stationen finden und dort jeweils einige Aufgaben lösen, die sie dann wiederum zum nächsten Ort lotsten. Wer diese Rätsel erfolgreich bestand, bekam am Schluss den Zugang zum interaktiven 3D-Modell eines Freiberger Schachts, in dem man virtuell in die Unterwelt einfahren kann.
Das Erfolgsrezept dieser Forschungsreise nach Freiberg liegt in mehreren Aspekten, so bilanzieren die Veranstalter: Zum einen waren die Schülergruppen, die die Reise vollständig finanziert bekamen, hochmotiviert – „ich bin begeistert davon, wie engagiert die Teilnehmer waren“, sagt Benndorf im Rückblick. Zum anderen verknüpften sie die Werbung für konkrete Studienfächer mit einem Überblick über die Universität und andere Disziplinen, die für Studieninteressenten ebenfalls in Frage kommen könnten. Außerdem haben sie Erfahrung damit, dass auch bei eingeschränkter Teilnehmerzahl die Multiplikatorwirkung solcher Veranstaltung größer ist, als man denken könnte – allein wegen der engagierten Lehrer, die vielfach begeistert wieder von der Forschungsreise zurückkehrten. Und schließlich bereiteten die Freiberger Experten die Reise zwar überaus aufwendig vor, wählten dabei aber Formate, die sich problemlos auch in Zukunft verwenden lassen können. Das Geocaching zum Beispiel ist weiterhin im Einsatz, darauf basiert überdies eine Art historischer Stadtrallye.
Im Rahmen der Kleine-Fächer-Wochen plant die TU Bergakademie Freiberg noch weitere Projekte – unter anderem eine Reise für Journalisten, die vor Ort über ausgewählte Kleine Fächer vor allem aus dem Bereich des Bergbaus und ihre Bedeutung in der heutigen Welt recherchieren können.
Text von Kilian Kirchgeßner.