Wahlaufruf von Prof. Dr. Peter-André Alt, Präsident der HRK
Die Universität ist eine genuin europäische Institution. Grenzen spielten schon in ihren Anfängen weder für Studenten noch für Professoren eine Rolle. Erasmus von Rotterdam, der Namenspatron des heutigen europäischen Austauschprogramms für Studierende, wurde in den Niederlanden geboren, studierte in Paris, promovierte in Italien, lebte und lehrte in England, Deutschland und der Schweiz. Auch heute ist die Wissenschaft als Brückenbildnerin wichtig – gerade in Zeiten von Krisen. Populistische und nationalistische Tendenzen, die wir seit einiger Zeit auch in Deutschland beobachten, drohen die für uns wichtige europäische Integration zu gefährden.
Alle Bürger sollten sich politisch engagieren und für ein freies Europa eintreten. Um insbesondere Studierende dafür zu sensibilisieren, dass ihre Stimme zählt, habe ich – gemeinsam mit Wolf-Dieter Postlep, dem Präsidenten des Deutschen Studentenwerks – die Initiative „Grenzenlos studieren. Europa wählen!“ ins Leben gerufen. Denn mit der Beteiligung an der Europawahl am 26. Mai entscheiden junge Menschen auch über ihre künftige Mobilität und Wahlfreiheit in Studium und Beruf.
Dass den meisten jungen Erwachsenen ein anderes als ein friedliches, grenzenloses Europa undenkbar scheint, ist eine erfreuliche Entwicklung. Freundschaftliche Beziehungen über die Grenzen hinweg und uneingeschränkte Mobilität in Studium und Beruf sind für sie eine Selbstverständlichkeit. In der wissenschaftlichen Zusammenarbeit und im Austausch unter Studierenden werden die Vorteile eines geeinten und offenen Europas für viele junge Menschen direkt greifbar: Wenn es eine Errungenschaft der EU gibt, die in ganz Europa positiv gesehen wird, dann ist es das Erasmus-Programm.
Dass dieses Europa gerade der jungen Generation heute so selbstverständlich erscheint, hat aber auch eine Kehrseite: Aktiv für Europa einzutreten, scheint nicht mehr notwendig.
Das Brexit-Referendum 2016 hat das gezeigt: An dem haben sich vergleichsweise wenige Briten im Studierendenalter beteiligt, obwohl unter ihnen die große Mehrheit gegen den Austritt Großbritanniens aus der EU war. Europa ist kein Selbstläufer – wer von Offenheit und Austausch profitiert und das auch weiterhin möchte, muss aktiv dafür eintreten. Dank Erasmus+ und der daran beteiligten Hochschulen erfahren junge Menschen Europa und die Vorteile eines einheitlichen Hochschulraums konkret, durch problemlose grenzüberschreitenden Hochschulwechsel und durch einen offenen Arbeitsmarkt. Es ist zu wünschen, dass möglichst viele Menschen im Mai ein EU-Parlament wählen, das den offenen europäischen Bildungsraum weiter entschlossen fördert.